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[FITUG] Wau zu ICTF




Ein deutscher Verein wird gegründet. Er weckt hohe Erwartungen. 
Denn er maaaaaast sich an, die Inhalte des weltweiten Internet 
zu kontrollieren und unliebsame Multimedia-Inhalte - zumindestens 
für deutsche Augen, Nasen und Ohren - wirksam zu sperren.

Der Globalanspruch folgt aus dem im deutschen Sprachraum
gewählten Namen "Internet Content Task Force" (ICTF). Einige 
Internet Service Provider (ISP) in Deutschland sagten "dieser 
Anspruch ist Unfug", andere traten dem Verein in der Hoffnung 
auf Rechtssicherheit bei (www.anwalt.de/eco/Pr960605.htm)

Dann erhob sich der Generalbundesanwalt Karl in aller Ruhe aus den 
Tiefen des Sommerlochs und leitete den deutschen Herbst 1996 ein.

Er schrieb an den typisch deutschen Internet-Inhaltskontrollverein 
einen Brief. Entsprechend der Rollenverteilung im Rechtswesen
wählte er den Tenor "Hallo, wir haben bereits ein paar Leute in 
den Knast gesteckt, weil sie an einer Zeitschrift mitarbeiten und
ich das als Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sehe.
Die Ausgabe 154 ist jetzt am Internet abrufbar. Sie kriege ich
auch noch in den Knast, denn Sie leisten als Internet Service
Provider Beihilfe. Bitte vermeiden Sie dieses empfindliche Übel,
indem Sie die betreffenden Internet Contents taskforce-artig
sperren: www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/ und alle Zeiger,
die auf diese Seite zeigen, abmontieren.

Ein unabhängiger ISP mit Kenntnis um das Ganze technische
Internet-Gestrüpp hätte sich hingesetzt und etwa geschrieben
"Lieber Herr Möchtegern-Ankläger gegen mich.
Erstmal können Sie nicht die TELEKOM der Beihilfe zum
Steuerbetrug anklagen, weil diese Talkteilchen transportiert,
wenn Frau Schreinemakers das Telefon benutzt. Ähnlich ist 
es beim Internet-Päckchen-Transport bei mir. Ich erbringe
eine Containerdienstleistung und bin keine Zollbehörde.
Wenden Sie sich bitte erstmal an XS4ALL.
Zum zweiten kriegt nicht mal ein Hacker eine Sperre technisch 
*dauerhaft* gebacken. Beim Internet ist es nicht so banal wie bei
Btx, wo ein Betreiber existiert und eine Seite einfach sperren
kann. Es ist auch keine so einfache Struktur mit Vermittlungsstellen 
wie beim Telefon, sondern das ist so "multifokal" (als Jurologe 
können Sie ja Kuerchenlatein), dass es unmöglich ist, multifäkale 
Inhalte wirksam auszufiltern. Bitte lassen Sie mich zukünftig 
mit solchen Schreiben in Ruhe und besuchen bei Gelegenheit
einen Volkshochschulkurs zum Thema Internet."
(kopfschuss.wri)
Ein freundlicher Anwalt hätte darüber hinaus die 
Bundesanwaltschaft nicht ins offene Messer rennen lassen.
Denn "Zensur" im Internet hat den gegenteiligen Effekt: die
fragliche Information wird weltweit kopiert und mit dem Hinweis
"censored" vorrätig gehalten. (Spiegelseite: www.fitug.de...)

Zu guter hat ein Anwalt Überreaktionen zu vermeiden. Es ist doch
die Rolle des Anklägers, zu sagen "Angeklagter! Erschießen
Sie sich sofort selbst. Das ist die kostengünstigste Lösung".
Wenn aber der Anwalt des Beschuldigten ihm sagt "Nehmen 
Sie den Staatsanwalt nicht direkt beim Wort. Nehmen Sie
keine Pistole, sondern ein Messer", dann sollte man den
Anwalt wechseln statt sich zu erschießen.
Das ist gesünder (www.anwalt.de/ictf/p960901d.htm).

Statt einer einstweiligen Erschießung "empfahl" die ICTF
ihren Mitgliedern einen Grundgesetzesverstoß.
Denn ICTF "empfahl", die in einzelnen Seiten abrufbare
elektronische Ausgabe der Zeitschrift RADIKAL komplett
zu sperren. ICTF kam nicht auf die Idee, bei der BAW
zu fragen, um welchen Beitrag auf welcher Seite es geht 
und daß es keinesfalls angemessen ist, die Seite 
"Überlegungen zu Zensur und Pressefreiheit" 
(www.xs4all.nl/~tank/radikal/154/05.html) zu sperren.
Bürgerliche Grundrechte scheinen der ICTF fremd zu sein.

(Frage: Hat sich ICTF eigentlich an xs4all gewandt, *bevor* 
sie die Sperrung empfahlen?)

Die Pauschalsperrung hat xs4all wirtschaftlich geschädigt, weil 
etliche niederländische Kunden auf zuverlässige Verbindundungen
nach Deutschland angewiesen sind und die Wirtschaftsinteressen
abgewogen müssen gegen Strafverfolgungsinteressen.
Das hat "eco" versäumt trotzt des "co" im Namen.

Die von ICTF veranlaßte Sperrung des Beitrages "Pressefreiheit -
Freiheit für wen?" ist ein guter Ansatz, um in diesem Fall
exemplarisch gegen eine selbsternannte Zensurbehörde wie
die ICTF vorzugehen - ggf bis zum Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte.
Für die Gelegenheit, dieses Exempel statuieren zu können an
"Artikel 05" sowohl von RADIKAL als auch der EMRK, müssen
wir der ICTF dankbar sein.

Entwurfsfassung - (c) Wau Holland - zur FITUG-Verwurstung frei
12.09.96 13:40