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Schneiders juengste Erklaerung
- To: Fitug-Debatten <debate@fitug.de>
- Subject: Schneiders juengste Erklaerung
- From: Thomas Roessler <roessler@sobolev.rhein.de>
- Date: Tue, 8 Oct 1996 16:14:09 +0200 (MET DST)
- cc: Thomas Roessler <roessler@sobolev.rhein.de>
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
[INLINE]
Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF) vom 08.10.96
RA Michael Schneider, eco e.V.
Im Nachgang zur [1]ICTF-Pressemitteilung vom 19.09. informieren wir
Sie über folgende Themen:
1. Die Empfehlung, www.xs4all.nl wegen der Verbreitung der
Zeitschrift "Radikal" zu sperren, wurde aufgehoben.
2. Die Bundesjugendministerin Claudia Nolte hat erstmals die
Indizierung eines WWW-Angebotes veranlaßt. Diese Maßnahme ist aus
unserer Sicht politisch überdenkenswert, in jedem Fall aber
rechtlich irrelevant.
_________________________________________________________________
Der Bundesanwaltschaft haben wir am 25.09. folgendes Schreiben
übermittelt.
Heute erhielt ich E-Mails folgenden Inhalts:
From: tank <tank@xs4all.nl>
Message-Id: <199609241258.OAA20030@xs1.xs4all.nl>
Subject: Radikal removed from www.xs4all.nl. 49 sites to go !!
To: sastre@Anwalt.DE
Date: Tue, 24 Sep 1996 14:58:48 +0200 (MET DST)
Cc: felipe@xs4all.nl
Hi Herr Schneider.
We deceided to remove radikal 154 from xs4all.nl. So you can inform
all isp's to stop block traffic from and to xs4all. ...
From: Felipe.Rodriquez@solair1.inter.nl.net (Felipe Rodriquez)
Message-Id: <9609241710.AA03599@solair1.inter.NL.net>
Subject: Radikal information was now really removed by user
To: sastre@Anwalt.DE (Michael Schneider)
Date: Tue, 24 Sep 1996 19:10:52 +0200 (MET DST)
The radikal document was removed voluntarily by our user. Please
double-check so yourselfe.
Ofcourse this does not solve the problem of 47 mirrors, but that's
your problem i guess, and not mine.
Regards,
Felipe
Ausweislich der Anlage ergab eine Überprüfung, daß die Radikal -
jedenfalls zur Zeit - unter
http://www.xs4all.nl/~tank/radikal bzw /~tank/radikal/154/
nicht mehr abgerufen werden kann. Die erstgenannte URL enthält nur
noch eine Mirror-List, die zweite ist offensichtlich nicht mehr
vorhanden („The requested URL /~tank/radikal/154/ was not found
on this server"). Daher werde ich die Empfehlung widerrufen, diese URL
- bzw. hilfsweise den Server www.xs4all.nl - zu sperren.
Die von uns geforderte gerichtliche Klärung bleibt hiervon unberührt.
Nachdem Sie mir gestern telefonisch mitgeteilt haben, daß Sie keine
Möglichkeit sehen, selbst eine Überprüfung durch den
Ermittlungsrichter herbeizuführen, werden wir ein Vorgehen nach §§ 23
ff. EGGVG prüfen.
Die Bundesanwaltschaft hat und den Eingang des Schreibens bestätigt.
Weiterhin wurde uns versichert, daß die Rücknahme der Empfehlung
angesichts der von uns geschilderten Voraussetzungen nicht zur
Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen die der ICTF angeschlossenen
Provider führen werde. Darüber hinausgehende Stellungnahmen
(insbesondere weitere Aufforderungen zu Server-Sperrungen) wurden uns
bis zur Veröffentlichung dieser Pressemitteilung nicht übermittelt.
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Mit [2]Pressemitteilung vom 26. September 1996 hat die
Bundesjugendministerin Claudia Nolte mitgeteilt, daß ihr Ministerium
die erste Indizierung eines Angebotes im Internet beantragt habe. Es
handele sich um die WWW-Seiten des in Kanada lebenden Ernst Zündel.
Ein Sprecher des Ministeriums erläuterte dazu sinngemäß, es bestehe
akuter Handlungsbedarf und man könne nicht länger zusehen, wie
gedanken- oder gewissenlose Anbieter das Internet für ihre Zwecke
mißbrauchten. Eine Indizierung nach dem Gesetz über jugendgefährdende
Schriften (GJS) sei hierfür der geeignete Ansatzpunkt. Man sei auch
der Ansicht, daß das GJS auf WWW-Seiten Anwendung finden könne. Das
Gesetz in geeigneter Weise umzusetzen (insbesondere im Rahmen etwaiger
Ermittlungsverfahren gegen Internet-Service-Provider), obliege der
Sensibilität der Strafverfolgungsbehörden. Unser Einwand, eine
Indizierung sei "am Vorabend" der Verabschiedung des "Gesetzes zur
Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und
Kommunikationsdienste (IuKDG)" politisch ebenso unklug, wie die
Tatsache, daß man ausgerechnet gegen die seit langem bekannten
Zündel-Seiten vorgehe, wurde zurückgewiesen. Es sei nicht sinnvoll,
bis zum Inkrafttreten des Gesetzes jegliche Maßnahmen gegen
jugendgefährdende Schriften zu unterlassen. Unsere Einschätzung, daß
eine Indizierung nach dem heutigen GJS im Internet nichts bewirken
kann, teilt das Ministerium ebenfalls nicht. Man mache sich keine
Illusionen über die Wirksamkeit einer Indizierung, halte dies aber für
einen Schritt in die richtige Richtung. Solange auf der
internationalen Ebene keine wirksamen Maßnahmen für den Jugendschutz
im Internet vereinbart werden könnten, sei man auf den nationalen
Bereich und das hier vorliegende rechtliche Instrumentarium
angewiesen.
Wir vertreten die Auffassung, daß die Indizierung von WWW-Seiten nach
geltendem Recht unwirksam ist. Wir nehmen sie daher zur Kenntnis,
werden daraus aber einstweilen keine Empfehlungen für die der ICTF
angeschlossenen Provider ableiten. Dies begründen wir wie folgt:
I.
Das GJS bezieht sich gemäß § 1 Abs.1 nur auf „Schriften" und die
in § 1 Abs.3 diesen gleichgestellten „... Ton- und Bildträger,
Abbildungen und andere Darstellungen ...". Damit ist schon nach dem
Wortlaut fraglich, ob die Speicherung und Übermittlung von
Informationen im Internet nach dem GJS beurteilt werden kann. In
Betracht kommt hier lediglich eine Verbreitung in der Form der
„anderen Darstellung" im Sinne des § 1 Abs.3 GJS. Eine andere
Darstellung im Sinne dieser Bestimmung kann in Fortführung der in
Absatz 3 genannten weiteren Beispiele „Ton- und Bildträger ..."
nur ein körperlicher Gegenstand sein. Aus diesem Grunde kommen als
Ansatzpunkt für eine Anwendung des GJS in Telekommunikations-Diensten
und -Netzen nur diejenigen Vorgänge in Betracht, bei denen Inhalte in
eine „verkörperte" Form überführt werden. Die Datenübermittlung
selbst fällt, wie bereits für Rundfunk, Fernsehen und Btx gerichtlich
festgestellt wurde (vgl. BVerwGE 85, S. 169 f., 171; OVG Münster in
NJW 1993, S.1494), nicht in den Anwendungsbereich des GJS.
II.
In der öffentlichen Diskussion wird gleichwohl immer wieder angeführt,
nach dem Sinn und Zweck des GJS müsse das Gesetz auch auf eine
nichtkörperliche Verbreitung von Informationen angewendet werden,
sofern es sich dabei um elektronische Darstellungen von Schriften
handele. Eine derart weite Auslegung wird indessen vom Wortlaut des
Gesetzes nicht mehr gedeckt und sie wäre daher schon vor dem
Hintergrund des Eingriffscharakters des GJS rechtlich bedenklich.
Selbst wenn man aber die Auffassung vertreten wollte, die für eine
Analogiebildung erforderliche planwidrige Regelungslücke läge hier vor
und die Schließung der Lücke sei dringend geboten, kollidierte dies
mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs.2 GG. Die Analogiebildung
wäre nämlich nur dann sinnvoll, wenn sie sich auf die in § 21 GJS
vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen erstreckte. Dies ist jedoch
nach Art. 103 Abs.2 GG nicht zulässig. Vielmehr darf eine
Strafrechtsnorm, die auf Tatbestandsmerkmale einer zur Konkretisierung
herangezogenen anderen Vorschrift verweist, nur in den Grenzen ihres
Wortsinns zur Anwendung gelangen . Damit ist § 21 GJS von der
Analogiebildung ausgenommen. Ohne diese auch gerneralpräventive
strafrechtliche Bestimmung wäre eine Anwendung des GJS indessen nahezu
wirkungslos.
III.
Neben den Problemen einer geeigneten Prüfung der übermittelten Inhalte
ist bei einer verfassungskonformen Auslegung des GJS das Grundrecht
auf Informationsfreiheit gemäß Art. 5 Abs.1 GG zu berücksichtigen .
Diese gewährleistet einerseits die freie Weitergabe von Informationen
und andererseits die Möglichkeit, den jeweiligen Kommunikationspartner
auszuwählen. Die Informationsfreiheit beinhaltet damit nicht nur das
Recht, Ansichten frei äußern zu dürfen, sondern zugleich eine
Komponente des ungehinderten Zuganges zu Informationsquellen. Daraus
läßt sich nach unserer Ansicht ableiten, daß sich die aufgrund einer
Indizierung eingeleiteten Maßnahmen nicht dergestalt auf die
Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch Erwachsene auswirken dürfen, daß
eine Kenntnisnahme dieser Informationen für letzere ausgeschlossen
oder wesentlich erschwert wird. Dies ist jedoch technisch nicht immer
darstellbar. Eine Indizierung von Inhalten im Internet nach den
Vorschriften des GJS ist somit auch unter diesem Gesichtspunkt
rechtlich bedenklich.
IV.
Schließlich sind die Verfahrensweisen, die in den §§ 1, 8 ff GJS
niedergelegt sind, nur dann für einen effektiven Jugendschutz
geeignet, wenn es sich bei den indizierten „Darstellungen" um
körperliche handelt. Das Verfahren der Anhörung - von der nur in den
Ausnahmefällen des § 15a GJS abgesehen werden kann - und die
anschließende Bekanntmachung eignen sich aus drei Gründen nur dann zur
Verhinderung einer Verbreitung der maßgeblichen Darstellungen, wenn
diese verkörpert sind:
1. Die nichtkörperliche Verbreitung ist - insbesondere über
Mailing-Lists und über das UseNet - längst abgeschlossen, bevor
eine Indizierung überhaupt erfolgen kann.
2. Selbst wenn eine Indizierung aber noch in Betracht käme - etwa bei
Web- und FTP-Servern sowie bei Abrufdiensten proprietärer
Online-Anbieter - kann die weitere Distribution jugendgefährdender
oder inkriminierter Inhalte nicht verhindert werden.
Nichtkörperliche Darstellungen können, anders als Druckwerke,
unter Beibehaltung des wesentlichen Inhaltes nach der erfolgten
Indizierung ohne weiteres so modifiziert werden, daß sie von dem
Verbreitungsverbot nicht mehr erfaßt werden.
3. Nach deutschem Recht indizierte Inhalte können und werden ohne
weiteres über Server in solchen Ländern in das Internet
eingespeist, in denen eine Rechtswidrigkeit nicht gegeben ist und
in denen deutsches Recht nicht durchgesetzt werden kann. Die
zunehmende Menge der durch das Internet und durch Online-Dienste
verbreiteten Informationen macht zudem die Kontrolle derselben
durch ein mit Vertretern aller gesellschaftlich bedeutenden
Gruppen besetztes Gremium - wie es die Bundesprüfstelle ist -
nahezu unmöglich.
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Kommentare und Anregungen senden Sie bitte an: [5]webmaster@anwalt.de.
Copyright © 1996 Rechtsanwalt Michael Schneider
Letzte Änderung am 08.Oktober 1996
References
1. http://www.anwalt.de/ictf/p960919d.htm
2. http://www.anwalt.de/import/nolte96a.htm
3. http://www.anwalt.de/ictf/index.html
4. http://www.anwalt.de/ictf/index.htm
5. mailto:webmaster@anwalt.de