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   Rubrik BerlinOnline 
   
Regierung will Computernetze überwachen

  Datenschützer warnen vor Verletzung der Privatsphäre/Bundestag debattiert
  Multimedia-Gesetz
  
   
   Bonn/München/Berlin. pi
   
   Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern fürchten massive
   Eingriffe staatlicher Behörden in die Privatsphäre der Bürger durch
   die Kontrolle der neuen Medien. Der Bundestag wurde aufgefordert, eine
   entsprechende Regelung im Multimedia-Gesetz nicht zuzulassen.
   
   Die in München tagende Datenschutzkonferenz wandte sich am Freitag
   entschieden gegen die drohende Verletzung der Privatsphäre von
   Internet-Nutzern. Im Entwurf des Multimedia-Gesetzes der
   Bundesregierung ist die Verpflichtung der Anbieter von Telediensten
   vorgesehen, Vertragsdaten ihrer Kunden an Sicherheitsbehörden zu
   übermitteln. "Eine derartige Auskunftsverpflichtung auch gegenüber
   Nachrichtendiensten und der Polizei brächte eine völlig neue Qualität
   von Eingriffsmöglichkeiten mit sich", erklärte der Beauftragte
   Bayerns, Reinhard Vetter, im Namen seiner Kollegen. Es handele sich um
   einen "massiven Eingriff nicht nur in das Recht auf informationelle
   Selbstbestimmung, sondern auch in die Informations- und
   Meinungsfreiheit des einzelnen", sagte Vetter. Er sei "nicht nur
   unverhältnismäßig", sondern "nicht erforderlich, da das geltende
   Recht, insbesondere die Strafprozeßordnung und das Polizeirecht,
   hinreichende Möglichkeiten enthält, um strafbare und gefährliche
   Handlungen auch im Bereich der Teledienste zu begegnen". Der
   Bundestag, der am Freitag in erster Lesung über das Multimedia-Gesetz
   beriet, wurde "dringend" gebeten, diese Regelung nicht zu beschließen.
   
   Regierungskoalition und SPD forderten im Bundestag wirksame Maßnahmen
   gegen die Verbreitung von Pornographie und Nazi-Propaganda im
   Internet, warnten aber zugleich vor Hysterie. Forschungsminister
   Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum
   sein. Wie SPD-Vize Wolfgang Thierse verwies Rüttgers aber auch darauf,
   daß nur ein Prozent aller Internet-Inhalte krimineller Art seien. Das
   weltumspannende Internet sei in all seinen Verästelungen schwer
   kontrollierbar, sagte Rüttgers. Deutschland müsse aber dafür Sorge
   tragen, daß der Verbraucher- und der Jugendschutz dennoch gesichert
   würden. Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) regte eine
   intensivere Zusammenarbeit der Polizeibehörden weltweit an. Manuel
   Kiper (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, wenn Chefs von Online-Diensten
   wie im Fall Compuserve gleich mit einem Bein im Gefängnis stünden,
   werde man sie aus Deutschland vertreiben.
   
   Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka warnte
   angesichts der beabsichtigten Kontrolle des Internet davor, daß "die
   neuen Medien zu einem generellen polizeilichen Überwachungsinstrument
   degenerieren". Mit Blick auf die im vergangenen Jahr erneut gestiegene
   Zahl der Telefonüberwachungen sagte Garstka im Gespräch mit der
   Berliner Zeitung, Deutschland sei auf diesem Gebiet "schon fast
   Weltmeister". Es bestehe die Gefahr, daß unbescholtene Bürger ins
   Visier polizeilicher Überwachung gerieten.
   
   Erstmalig liegen in Berlin für 1996 Angaben darüber vor, warum
   Telefonüberwachungen angeordnet wurden. Justizsprecherin Corinna
   Bischoff erklärte auf Anfrage, ein Drittel der 72
   Überwachungsanordnungen mit 160 Verdächtigen entfiel auf
   Rauschgiftdelikte. Mord, Totschlag oder Völkermord war in zehn Fällen,
   Bandenhehlerei in acht und Raub in sechs Fällen Anlaß der
   Überwachungsanordnungen von Richtern und Staatsanwälten.
   
   
   Heute TAGESTHEMA der Berliner Zeitung:
   Multimedia. Bundestag debattiert Gesetze für die Datenautobahn
   
   Lesen Sie hierzu auch:
     * Online-Nutzer im Visier des Staates?
     * "Mit den Rechten des einzelnen unvereinbar"
     * Bonn will im World Wide Web mitreden
       
   
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