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- From: mr94@prenzlnet.in-berlin.de (Martin Recke)
- Date: Fri, 18 Apr 1997 20:41:09 +0200 (MET DST)
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Rubrik BerlinOnline
Regierung will Computernetze überwachen
Datenschützer warnen vor Verletzung der Privatsphäre/Bundestag debattiert
Multimedia-Gesetz
Bonn/München/Berlin. pi
Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern fürchten massive
Eingriffe staatlicher Behörden in die Privatsphäre der Bürger durch
die Kontrolle der neuen Medien. Der Bundestag wurde aufgefordert, eine
entsprechende Regelung im Multimedia-Gesetz nicht zuzulassen.
Die in München tagende Datenschutzkonferenz wandte sich am Freitag
entschieden gegen die drohende Verletzung der Privatsphäre von
Internet-Nutzern. Im Entwurf des Multimedia-Gesetzes der
Bundesregierung ist die Verpflichtung der Anbieter von Telediensten
vorgesehen, Vertragsdaten ihrer Kunden an Sicherheitsbehörden zu
übermitteln. "Eine derartige Auskunftsverpflichtung auch gegenüber
Nachrichtendiensten und der Polizei brächte eine völlig neue Qualität
von Eingriffsmöglichkeiten mit sich", erklärte der Beauftragte
Bayerns, Reinhard Vetter, im Namen seiner Kollegen. Es handele sich um
einen "massiven Eingriff nicht nur in das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung, sondern auch in die Informations- und
Meinungsfreiheit des einzelnen", sagte Vetter. Er sei "nicht nur
unverhältnismäßig", sondern "nicht erforderlich, da das geltende
Recht, insbesondere die Strafprozeßordnung und das Polizeirecht,
hinreichende Möglichkeiten enthält, um strafbare und gefährliche
Handlungen auch im Bereich der Teledienste zu begegnen". Der
Bundestag, der am Freitag in erster Lesung über das Multimedia-Gesetz
beriet, wurde "dringend" gebeten, diese Regelung nicht zu beschließen.
Regierungskoalition und SPD forderten im Bundestag wirksame Maßnahmen
gegen die Verbreitung von Pornographie und Nazi-Propaganda im
Internet, warnten aber zugleich vor Hysterie. Forschungsminister
Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum
sein. Wie SPD-Vize Wolfgang Thierse verwies Rüttgers aber auch darauf,
daß nur ein Prozent aller Internet-Inhalte krimineller Art seien. Das
weltumspannende Internet sei in all seinen Verästelungen schwer
kontrollierbar, sagte Rüttgers. Deutschland müsse aber dafür Sorge
tragen, daß der Verbraucher- und der Jugendschutz dennoch gesichert
würden. Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) regte eine
intensivere Zusammenarbeit der Polizeibehörden weltweit an. Manuel
Kiper (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, wenn Chefs von Online-Diensten
wie im Fall Compuserve gleich mit einem Bein im Gefängnis stünden,
werde man sie aus Deutschland vertreiben.
Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka warnte
angesichts der beabsichtigten Kontrolle des Internet davor, daß "die
neuen Medien zu einem generellen polizeilichen Überwachungsinstrument
degenerieren". Mit Blick auf die im vergangenen Jahr erneut gestiegene
Zahl der Telefonüberwachungen sagte Garstka im Gespräch mit der
Berliner Zeitung, Deutschland sei auf diesem Gebiet "schon fast
Weltmeister". Es bestehe die Gefahr, daß unbescholtene Bürger ins
Visier polizeilicher Überwachung gerieten.
Erstmalig liegen in Berlin für 1996 Angaben darüber vor, warum
Telefonüberwachungen angeordnet wurden. Justizsprecherin Corinna
Bischoff erklärte auf Anfrage, ein Drittel der 72
Überwachungsanordnungen mit 160 Verdächtigen entfiel auf
Rauschgiftdelikte. Mord, Totschlag oder Völkermord war in zehn Fällen,
Bandenhehlerei in acht und Raub in sechs Fällen Anlaß der
Überwachungsanordnungen von Richtern und Staatsanwälten.
Heute TAGESTHEMA der Berliner Zeitung:
Multimedia. Bundestag debattiert Gesetze für die Datenautobahn
Lesen Sie hierzu auch:
* Online-Nutzer im Visier des Staates?
* "Mit den Rechten des einzelnen unvereinbar"
* Bonn will im World Wide Web mitreden
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