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(fwd) Krypto-Debatte: Form und Argument



Wahrscheinlich haben es einige schon gelesen. Aber trotzdem....

JPL


Newsgroups: de.soc.netzwesen,de.soc.datenschutz
From: maro@maroki.netzservice.de (Martin Rost)
Subject: Krypto-Debatte: Form und Argument
X-Newsreader: TIN [version 1.2 PL2]
Organization: Site at NetUse-Kommunikationstechnologie
Message-ID: <E9svL2.458@maroki.netzservice.de>
Date: Wed, 7 May 1997 07:31:50 GMT
Lines: 47

Hallo im weiten Rund,

"'Form ist alles', sprach der Designpapst, 'Inhalt ist Schall und
Rauch!' Wer ihm glaubt, gibt Unsummen fuer Servietten aus und spart
beim Wein. Der Gast merkt's eh nicht." (Wolgang Siebeck, Zeitmagazin
1997/05/02: 46)

Kunst wie auch Wissenschaft sind die gesellschaftlichen Subsysteme,
deren Funktion darin besteht, Formen abzuliefern und quasi kulturelle
Formenvorraete anzulegen. Andere Systeme liefern in diesem Sinne zwar
keine Formenvorraete (etwa Oekonomie, Politik, Rechtsprechung), doch
sie koennen Formen unter ihre spezifischen, hart verdrahteten Logiken
stellen. Kunstwerke etwa lassen sich verkaufen (oder auch nicht), sie
symbolisieren und konservieren die Macht von Maechtigen (oder zeigen
im Gegenteil deren Duerftigkeit) und werden als gesellschaftlich
nicht-tolerierbar anstoessig (oder konventionell) eingestuft.

Insofern hat man wahrscheinlich dann eine optimale Form, in der
Argumente eingepackt oder nachgeschaltet sind, gefunden, wenn sich
die Form (in Bezug zu Netzen funktionierten frueher die Metaphern
Datenautobahn, Virtual Reality, Cybernauten, elektronisches Dorf)
verkaufen laesst (derzeit wird man nur fuer Artikel in den
klassischen Medien bezahlt, also muss man dort Artikel reinsetzen),
im Falle der Durchsetzung eines liberalen Kryptorechts die Macht der
Maechtigen poroes macht (indem man ihre Inkompetenz und bloss
eigensinnige Interessensvertretung betont, ohne in Stammtischspeak
abzugleiten) und in einem guten Kompromiss zwischen konventionell und
anstoessig steht (die Autobahn-Metapher traegt inhaltlich, ist aber
zu konventionell, das Schluesselloch zu harmlos, Krypto als
Menschenrecht wirkt zu moralisch oder merkwuerdig ueberzogen (obwohl
meiner Ansicht nach vollkommen korrekt)).

Die oekonomische und politische Notwendigkeit sowie die technische
Unumgaenglichkeit einer liberalen Kryptopolitik herauszustellen, ist
zu leistendes Pflichtprogramm. Zum Anheizen eines gesellschaftlichen
Diskurses zur Kryptopolitik reicht Aufklaerung aber nicht. Blair und
Clinton waren huebscher. Es muessen zusaetzlich und vorgeschaltet gut
geschnitzte Metaphern oder Slogans her, denen sich auch die
professionelle Politik nicht entziehen kann. Es waere an der Zeit,
dass Netznutzerinteressensvertretungen wie etwa die Fitug
professionell handeln und eine Werbeagentur mit der Entwicklung einer
Kampagne betreuen. Dadurch bewiese sich mitkoppelnd auch die Relevanz
solcher Netpeace-Netznutzeroganisationen.

Gruss, Martin
-- 
Martin Rost - Germany, Kiel - maro@maroki.netzservice.de

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