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Mein Text zur FSK



Da mein Mitautor umfangreiche Aenderungsvorschlaege angemeldet hat, ist im
Moment nicht absehbar, wann mein Text zum Thema FSK in einer Zeitschrift
veroeffentlicht wird.
Deshalb schicke ich hier eine gekuerzte Version. Wenn sie inhaltlich von den
meisten Mitgliedern getragen wird, koennte man sie vielleicht auf die Webseite
tun. Jedenfalls wurde ich mich ueber Kommentare und Kritik freuen.

Wegen cut&paste fehlen hier leider die Fussnoten, bei Bedarf kann ich gern eine
Word-oder was auch immer-Datei nachreichen.


Verfassungsrechtliche Moglichkeiten und Grenzen einer Filterung des Internets
durch Provider

Die Frage, ob Internet-Provider fur die Inhalte im globalen Netz strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden konnen, hat in der rechtswissenschaftlichen
Diskussion der vergangenen Monate viel Beachtung gefunden. Die
Staatsanwaltschaften verschiedener Bundeslander sind bei ihrer Beantwortung zu
unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Voraussichtlich am 1. August 1997 wird
das Teledienstegesetz (TDG) in Kraft treten, das in S5 eine gesetzgeberische
Entscheidung dieser Frage beinhaltet. Da es hierbei um die Unterdruckung
bestimmter kommunikativer Inhalte geht, ist zu klaren, inwieweit die
Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG bei der Auslegung des neuen Gesetzes
eine Rolle spielen konnen und mussen und ob das Gesetz mit den Vorgaben der
Verfassung vereinbar ist oder nicht. In S5 Abs. II und IV wird der Provider
unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, rechtswidrige Auserungen seiner
Kunden oder beliebiger Dritter zu unterdrucken. Vom klassischen staatlichen
Eingriff unterscheidet sich diese Konstellation aus Sicht der Kommunikatoren
insoweit, als der Staat hier nicht unmittelbar selbst den
Artikulationsmoglichkeiten seiner Burger Schranken zieht. Er tut dies vielmehr
mittelbar, indem er sich des Providers als einer Art Werkzeug bedient. Dieses
Werkzeug wird mittels einer strafrechtlichen Drohung dazu motiviert, alle ihm
als rechtswidrig bekannten Inhalte in den Kommunikationsnetzen auszutilgen, wenn
"...eine Sperrung technisch moglich und zumutbar ist" (S5 IV TDG).

I.) These: "Selbstkontrolle" als unburokratischer und kooperativer Weg
Zwar last sich eine derartige strafrechtlich sanktionierte Verpflichtung zur
Filterung der Kommunikationsstrome nicht als "Freiwillige Selbstkontrolle"
bezeichnen, da es ja ganz offensichtlich an der Freiwilligkeit des Filternden
fehlt. Dennoch hat diese Strategie jedenfalls auf den ersten Blick den Anreiz
einer weichen, flexiblen, unburokratischen Losung, bei der der Staat sich so
weit wie moglich zuruckzieht und das Feld den privatwirtschaftlichen Akteuren
uberlast, die von der Sache ohnehin viel mehr verstehen. Handelt es sich also um
eine "Selbstkontrolle"? Das Wort legt nahe, das hier ein Akteur nicht blos
fremde Vorgaben umsetzt, sondern seinem eigenen Gewissen folgt und sich aus
Einsicht um die Erfordernisse des Gemeinwohls dafur entscheidet, sich selbst zu
masigen um die Rechts- und Interessensphare anderer nicht zu beeintrachtigen. Es
legt eine freie Entscheidung nach eigenen Moralmasstaben nahe, einen
eigenverantwortlichen Verzicht auf eigene Rechte. Die von S5 TDG geforderte
Sperrung umfast jedenfalls alle diejenigen Inhalte, die nach Masgabe des
Strafrechts rechtswidrig sind. Mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot
erhebt unsere Rechtsordnung zumindest formal den Anspruch, das es sich bei der
Menge dieser Inhalte um eine objektiv aus der ex-ante-Sicht bestimmbare Menge
handelt: Die strafrechtliche Subsumtion darf von Verfassung wegen nicht viel
Raum fur personliche Wertung lassen. Aus formaler Sicht handelt es sich bei den
aus strafrechtlicher Sicht rechtswidrigen Inhalten im Internet also um eine
objektiv fest bestimmte Menge, demnach wurde S5 dem Provider insoweit keine
eigenverantwortliche Entscheidung daruber abverlangen, welche Inhalte nun
rechtswidrig sind und welche nicht. Wenn ein Provider den staatlichen
Loschungsauftrag ausfuhrt, konnte er demnach eher als ein weisungsgebundenes
staatliches Werkzeug erscheinen, und nicht so sehr als ein Privatmann, der
eigenverantwortlich "Selbstkontrolle" ubt. Das konnte dafur sprechen,
denjenigen, deren Inhalte unterdruckt wurden, gegen die Entscheidung des
Providers dieselben Rechtsmittel zu gewahren wie gegen eine unmittelbar
staatlicherseits initiierte Unterdruckung von Kommunikation. Schlieslich ist
allgemein anerkannt, das der Staat seine rechtlichen Bindungen nicht dadurch
lockern kann, das er sich privatwirtschaftlicher Ausfuhrungsorgane bedient.
Jedoch wird diese formale Sicht moglicherweise der tatsachlichen Wirklichkeit
nicht ganz gerecht: Ein Blick auf die Straftatbestande der SS131 Abs.1 Nr.1; 2,
184 Abs.1 StGB, S12 Abs.4, SS21, 6 GjS zeigt, das die Formulierungen zur
Beschreibung rechtswidriger Inhalte ausgesprochen weit sind; demgemas hat sich
die Auslegung dieser Vorschriften mit den gesellschaftlichen Moralvorstellungen
im Lauf der Jahrzehnte gewandelt. Je breiter das pluralistische Meinungsspektum
einer Gesellschaft ist, desto unterschiedlicher werden die Vorstellungen sein,
was beispielsweise "sonstige Schriften, die offensichtlich geeignet sind, Kinder
oder Jugendliche sittlich schwer zu schadigen" (S6 Abs.3 GjS) sind. Der
Gesetzgeber scheint insoweit also groszugig zu sein und dem Provider viel Raum
fur eine eigenverantwortliche Entscheidung zu lassen. Bedeutet das im Ergebnis
also flexible Selbstkontrolle anstatt der Gangelei durch starre staatliche
Vorgaben? Freiwillige Zusammenarbeit aller Beteiligten anstatt burokratischem
Handeln durch Befehl und Zwang? 
Dieser scheinbare Entscheidungsspielraum des Providers relativiert sich etwas,
wenn man bedenkt, das dieser damit rechnen mus, das seine Entscheidung im
Zweifelsfall gerichtlich uberpruft wird - wobei er sich auf der Anklagebank
wiederfinden wird. Wahrend ein Zuwenig an Filterung fur ihn auserst riskant ist,
gibt es gegen ein Zuviel keine Bedenken: Im neuen S7a GjS geht der Gesetzgeber
davon aus, das eine Beschrankung des Angebots im Belieben des Diensteanbieters
steht. Tatsachlich gebietet - jedenfalls auf den ersten Blick - nicht nur der
Grundsatz der Privatautonomie, sondern auch die grundrechtlich verburgte
Handlungs- und Gewissensfreiheit, das der Provider keinesfalls solche Inhalte
transportieren mus, die er fur strafrechtlich rechtswidrig halt. Rechtliche
Bindungen existieren insoweit also nur zu Lasten, nicht zum Schutze der
Meinungsfreiheit. Im Zweifel wird der Provider deshalb einen kritischen Inhalt
eher als rechtswidrig einstufen und unterdrucken, als sich gegenuber den
Kommunikatoren liberal zu zeigen. 
Das strafrechtlich motivierte Filterwerkzeug wird auf diese Weise zu
Hochstleistungen angetrieben, die eine staatliche Stelle schon wegen ihrer
Grundrechtsbindungen niemals erbringen konnte. Liegt also auch der Schlussel zur
maximalen Effizienz in einer Art Privatisierung des Jugendschutzes? 
Es gibt in unserer Rechtsordnung auch noch andere Beispiele dafur, das nicht
allein der eigentliche - der geistige - Kommunikator dafur Sorge tragt, das
durch seine Meinungsauserung nicht legitime Gemeinwohlinteressen wie etwa der
Jugendschutz beeintrachtigt werden. Im Verlags- und Rundfunkbereich tragen
anerkanntermasen diejenigen, die die fur die Kommunikation notwendige
Infrastruktur bereitstellen, dafur Verantwortung, das diese Infrastruktur nicht
fur rechtswidrige Zwecke misbraucht wird. Diese Wachterrolle der Betreiber wird
dort uberwiegend als verfassungsrechtlich unproblematisch angesehen. Dasselbe
mus dann auch fur die Wachterrolle der Provider gelten, es sei denn, es gabe
einen wesentlichen und grundsatzlichen Unterschied zwischen ihrer Funktion im
gesellschaftlichen Kommunikationsprozes und der Funktion der Anbieter
herkommlicher Massenmedien. Fur eine andere verfassungsrechtliche Bewertung
muste dieser Unterschied derart gros sein, das der gesellschaftliche
Willensbildungsprozes, der die Grundlage unseres politischen Systems darstellt,
durch die Filterung seitens eines Providers in einem Mas beeintrachtigt wird,
das vollig anders ist als die Filterung durch einen Chefredakteur oder privaten
Rundfunkveranstalter - und sogar anders als die Filterung von Kleinanzeigen
durch den hierfur Verantwortlichen. 
Die Filtermacht der Anbieter wird in den herkommlichen Massenmedien durch den
Grundsatz der Privatautonomie legitimiert. Wer eine Zeitung oder einen privaten
Fernsehsender betreibt, soll gegenuber seinen Angestellten jedenfalls insoweit
weisungsbefugt sein, das er ihnen die Veroffentlichung solcher Inhalte
untersagen kann, die er fur rechtswidrig halt. Damit werden zwar die
Moglichkeiten der angestellten Journalisten beschrankt, das Druckwerk oder den
Rundfunksender des Betreibers zur Artikulation ihrer Meinung zu benutzen. Diese
Moglichkeit zur Artikulation mit besonders groser Reichweite wurde ihnen aber
ohnehin nicht primar eingeraumt, damit sie ihre personlichen
Kommunikationsgrundrechte wahrnehmen, sondern damit sie ihr berufliches Konnen
so einsetzen, wie dies bei ihrer Anstellung vereinbart wurde. Dem entspricht
auch, das der Betreiber sie fur ihre Kommunikationsleistung bezahlt: Die
kommunikativen Inhalte entstehen nur auf seine Initiative hin; er hat von allen
Beteiligten das starkste Interesse am Ob und Wie dieser Auserungen. 

II.) Antithese: "Selbstkontrolle" als Flucht des Staates aus seiner
Verantwortung fur den demokratischen Willensbildungsprozes
Wenn das Gesagte auch auf das Verhaltnis zwischen Provider und Nutzer zutreffen
wurde, dann konnte man an der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer
beliebigen Filterung des Internets durch die Provider vermutlich kaum zweifeln.
Man mus aber nicht viel von den neuen Medien verstehen, damit einem grundlegende
Unterschiede ins Auge springen: Wer uber einen Zugang zum Internet verfugt, wird
allmonatlich feststellen, das sein Provider keineswegs bereit ist, ihn dafur zu
bezahlen, das er aktiv uber das Netz kommuniziert. Im Gegenteil: Hier zahlt der
Nutzer, und zwar dafur, das der Provider ihm eine technische Infrastruktur
bereitstellt, ohne die er des gesellschaftlichen Forums Internet nicht auf seine
personliche Art und Weise bedienen kann. Es handelt sich bei der Gesamtheit der
Inhaltsangebote im Internet - anders als im Verlags- und Rundfunkbereich - um
kein Produkt, das von einer zentralen Stelle aus entworfen wurde um damit
Konsumenten anzusprechen und Gewinne zu erwirtschaften. Die Eigeninitiative der
Nutzer, ihre ideellen und kommerziellen Interessen bestimmen vielmehr, welche
Inhalte sie im Netz publik machen. An dieser publizistischen Seite des Internets
ist der Provider nicht beteiligt; er stellt nicht die Art der abgerufenen
Inhalte in Rechnung, sondern nur ihre Quantitat. Der Nutzer ist bei seinem
personlichen Gebrauch des Internets nicht allein auf die technische
Hilfestellung des Providers angewiesen, sondern mus gleichermasen auch die
Leistungen seines Elektrizitatswerks, der Telekom oder eines ihrer Konkurrenten
und diverser Hard- und Softwarehersteller in Anspruch nehmen. Schlieslich
braucht er einen Tisch, um Tastatur und Bildschirm darauf abzustellen und einen
Stuhl, um sich davor zu setzen. Alle diese Produkte haben miteinander gemein,
das sie inhaltsneutral sind. Fur ihre Lieferanten ist es aus wirtschaftlicher
Sicht ohne Bedeutung, fur welche Art von Kommunikation ihre Leistung verwendet
wird. Demgemas kennen sie den kommunikativen Inhalt im Regelfall auch nicht.
Wenn nun neben dem Provider auch noch Elektrizitatswerk, Telekom und Schreiner
ihre Dienstleisung von einer Prufung und Billigung der kommunizierten Inhalte
abhangig machen wurden, dann wurde das im Internet vertretene Meinungsspektrum
die Breite, die es derzeit - noch - hat, vermutlich schnell einbusen. Insoweit
ist es beruhigend, das jedenfalls Stromversorger und Telekom in ihrer
Privatautonomie eingeschrankt sind. Eine freiwillige Selbstkontrolle der
Mobelhersteller droht derzeit nicht, da eine Vielzahl von Anbietern miteinander
konkurrieren. Wem aus weltanschaulichen Grunden kein Stuhl verkauft wird, der
mus zum nachsten Mobelladen nicht weit gehen. Es fragt sich, ob dieser
Gesichtspunkt vielleicht auch eine Filterung durch die Provider als weniger
gefahrlich fur den gesellschaftlichen Willensbildungsprozes erscheinen last. Der
Mobelhandler mus seine weltanschaulichen Bedenken und seinen inhaltlichen
Prufungsmasstab vor Vertragsschlus offenlegen, das erleichtert es seinen Kunden,
verschiedene Angebote miteinander zu vergleichen und damit die eigene Marktmacht
einzubringen. Demgegenuber handelt es sich beim Vertrag zwischen Provider und
Nutzer um ein Dauerschuldverhaltnis. Falls sich der Provider in seinen AGB
vorbehalt, die Leistungserbringung von einer inhaltlichen Prufung abhangig zu
machen, kann der Nutzer die Grenzen, die ihm damit gezogen werden, bei
Vertragsschlus nicht uberblicken und seine eigene Verhandlungsmacht nicht
einbringen. Es ist im TDG nicht vorgesehen, das sich die filternden Provider in
irgendeiner Weise vor der Offentlichkeit oder auch nur vor ihren Kunden
verantworten musten. Die Privatautonomie droht hier also von der
Verhandlungsfreiheit beider Parteien zur Freiheit zum einseitigen
weltanschaulichen Diktat zu degenerieren. Zudem hangt das Damoklesschwert einer
Inhaltsunterdruckung stets uber den Kommunikatoren, die tatsachlichen Grenzen
der Meinungsfreiheit sind nicht klar erkennbar und erst recht nicht politisch
diskutierbar.
Die Rolle des Providers ist im Gegensatz zum Chefredakteur oder privaten
Rundfunkveranstalter nicht publizistischer, sondern technischer Natur. Die
Anbieter herkommlicher Massenmedien treffen inhaltliche Entscheidungen, wenn sie
ihr Angebot so attraktiv wie moglich machen, um ihrem Fernsehsender oder ihrer
Zeitschrift zu einer moglichst grosen Reichweite zu verhelfen. Von diesen
inhaltlichen Entscheidungen profitiert der Journalist, wenn er das solcherart
entstandene Interesse der Offentlichkeit nutzt, um diese anzusprechen. Er mus
deshalb diese Entscheidungen respektieren. Demgegenuber verliert der
Internet-Nutzer mehr als nur einen besonders exponierten Platz auf der
offentlichen Buhne, wenn seine Inhalte vom Provider unterdruckt werden: Ihm wird
die weitaus effektivste Moglichkeit zur Artikulation seiner Meinung genommen,
uber die sonst potentiell jedermann - auch sein politischer oder
weltanschaulicher Gegner - verfugt. Die Teilnahme am gesellschaftlichen
Willensbildungsprozes ist ein elementares staatsburgerliches Recht; dessen
faktische Ausubung dieses Rechts wird im Fall einer Inhaltskontrolle durch die
Provider ganz erheblich erschwert. 
Wenn also der Vergleich mit herkommlichen Massenmedien eine inhaltliche
Prufungskompetenz der Provider nicht legitimieren kann, so kann man doch
moglicherweise noch einen Vergleich zu Zeitungsanzeigen ziehen, bei denen die
veroffentliche Zeitung auch eine inhaltliche Prufungskompetenz hat. Anzeigen
werden allerdings - anders als das Internet - ganz uberwiegend fur gewerbliche
Zwecke genutzt und nicht fur den publizistischen Meinungskampf. Vor allem aber
profitiert derjenige, der eine Anzeige in einem herkommlichen Massenmedium
aufgibt, von dessen Reichweite. Die Reichweite ist, wie oben bereits ausgefuhrt,
das Ergebnis einer bestimmten inhaltlichen Ausrichtung des Mediums. Wer eine
Anzeige aufgibt, profitiert deshalb ahnlich wie ein Journalist von den
inhaltlichen Vorentscheidungen des Anbieters, um einen besonders exponierten
Platz in der Offentlichkeit zu erlangen; konsequenterweise mus er diese
inhaltlichen Entscheidungen respektieren. Das die Situation des Internet-Nutzers
anders ist, wurde bereits ausgefuhrt.
Man konnte die tatsachliche Kontrollmacht der Provider mit dem Hinweis
herunterspielen, das die mundtot gemachten Nutzer ihre Inhalte ja auch auf
auslandischen Servern anbieten konnen. Allerdings kann die leichte Umgehbarkeit
allein kein Argument fur ein unzulangliches Gesetz sein. Und wie weit es mit
dieser leichten Umgehbarkeit tatsachlich her ist, steht bei den derzeitigen
internationalen Konzentrationsprozessen in der Telekommunikationsbranche in den
Sternen. 
Wenn der Begriff der Selbstkontrolle an einen eigenverantwortlichen Verzicht des
Provider auf eigene Rechte denken last, dann fuhrt er in die Irre. Es handelt
sich um eine Fremdkontrolle, die nicht demokratisch legitimiert und kontrolliert
ist, obwohl sie in einen Vorgang eingreift, der fur das Funktionieren der
Demokratie von grundlegender Bedeutung ist. Die Schranken der Meinungsfreiheit
sind die allgemeinen Gesetze. Damit mus jede Beschrankung des demokratischen
Willensbildungsprozesses zugunsten kollidierender Gemeinwohlinteressen vom
Gesetzgeber verantwortet werden. Er ist nicht frei, diese Entscheidung nach
Gutdunken auf die Exekutive zu verlagern. Ubertragt er die Entscheidung einem
Sachverstandigengremium, mus jedenfalls die Zusammensetzung dieses Gremiums
demokratisch verantwortet werden. Um so mehr mus dies gelten, wenn der
Gesetzgeber sich dafur entscheidet, das Feld privaten Akteuren zu uberlassen,
die ihre Entscheidung im Einzelfall moglicherweise weder gerichtlich noch
politisch vor der Offentlichkeit verantworten mussen. Auch auf dem Weg der
verfassungskonformen Auslegung ist nicht viel zu retten: Selbst, wenn man unter
dem Begriff der Zumutbarkeit in S5 TDK auch die Zumutbarkeit fur die Nutzer
verstehen wurde, wurde doch damit die Freiheit der Provider nicht eingeschrankt,
alles zu loschen, was ihnen nicht gefallt. Bei den herkommlichen Massenmedien
Presse und Rundfunk ist es ihre Eignung als Forum der offentlichen
Willensbildung, aus der sich die gesetzgeberische Verpflichtung ergibt,
sicherzustellen, das in ihnen das gesamte demokratische Meinungsspektrum zu Wort
kommt. Unabhangig von der formalen Einordnung als Massen- oder
Individualkommunikation ist das Internet mindestens ebensogut geeignet, ein
Forum der gesellschaftlichen Meinungsbildung zu sein. Damit ergibt sie dieselbe
Verpflichtung fur den Gesetzgeber auch hier. Man sieht, das das Modell der
geistigen Auseinandersetzung, auf dem unsere Demokratie aufgebaut ist, zu seiner
Verwirklichung mehr braucht als nur einen Freiheitsraum des Burgers gegen den
Staat. Gerade die Problematik der Filterung durch Provider zeigt, das positive
Regelungen notwendig sind, wenn nicht ein Akteur auf dem geistigen Marktplatz
der Meinungen von der Willkur eines Andern abhangig sein soll. 

III.) Synthese: Moglichkeiten eines unburokratischen Interessenausgleichs
zwischen Providern und Nutzern
Was kann man tun, wenn man eine unbeschrankte Filtermacht der Provider nicht
hinnehmen will? Als ultima ratio kame in Betracht, den Gesetzgeber auf
verfassungsgerichtlichem Wege an seine Verantwortung fur den geistigen
Meinungskampf zu erinnern. Auch die AGB-Klauseln, die ein uneingeschranktes
Kontrollrecht der Provider festschreiben, sind der Uberprufung zuganglich. Da
aber in Deutschland ohnehin viel zuviel prozessiert wird, sollte man nicht zu
fruh die Hoffnung aufgeben, das alle Beteiligten in kooperativer Weise zu einer
Losung finden, die die Rechte eines jeden von ihnen respektiert - das ware dann
echte Selbstregulierung. Die strafrechtliche Rechtswidrigkeit kann eine
Unterdruckung ohnehin nur bei einer kleinen Teilmenge aller Inhalte
legitimieren: Mit den neuen SS3 Abs.1 Nr.4, Abs.2, S5 Abs.3 GjS hat sich der
Gesetzgeber beim Jugendschutz fur das mildere Mittel technischer Filter auf
Nutzerebene entschieden und verlangt diesbezuglich keine Unterdruckung, insoweit
tragt er den Erfordernissen von Art.5 GG durchaus Rechnung. Ubrig bleiben nur
solche Inhalte, deren blose Existenz auch dann rechtswidrig ist, wenn man sich
dagegen abschirmen kann. Dabei handelt es sich um krasse Falle wie
Kinderpornographie oder Aufrufe zu Straftaten. Wann es sich im Einzelfall um
derartige Inhalte handelt, last sich relativ eindeutig feststellen. Folglich
geht es in erster Linie darum, sicherzustellen, das Inhalte auch tatsachlich nur
in diesen Fallen aus dem Netz gefiltert werden. Eine derartige Kontrolle ist
nicht etwa deswegen notwendig, weil die Provider ein besonders starkes Bedurfnis
hatten, weltanschauliche Macht uber ihre Kunden auszuuben und ihnen ihre Gesetze
zu diktieren. Diese Unterstellung ware realitatsfern: Die Provider sind
Unternehmer wie andere auch und wollen deshalb aus wirtschaftlichen Grunden ihre
Kunden zufriedenstellen, nicht tyrannisieren. Die Notwenigkeit einer Kontrolle
ergibt sich vielmehr aus dem Gesichtspunkt, das es in einem demokratischen Staat
jedenfalls im grundrechtsrelevanten Bereich keine unkontrollierte Macht geben
darf. Der Gesetzgeber ist nicht frei, eine gesellschaftliche Gruppe hinsichtlich
ihrer Grundrechtsverwirklichung von einer anderen abhangig zu machen. 
Es fragt sich also, wie sich diese notwendige Kontrolle herstellen last. Der
traditionelle Weg ware die Einrichtung eines pluralistisch besetzten
Sachverstandigengremiums, ahnlich den Rundfunkraten. In einem solchen Gremium
konnten Vertreter der Provider und Vertreter der Nutzer zusammenarbeiten.
Zweifelhaft bleibt aber, wie sich sicherstellen last, das die Nutzervertretung
auch wirklich reprasentativ ist. Zugang zum Internet haben die verschiedensten
gesellschaftlichen Gruppen, die teilweise sehr gegenlaufige Interessen haben.
Oben wurde bereits ausgefuhrt, das es sich beim Internet nicht um ein zentral
geplantes Informationsangebot handelt, sondern eher um eine
Kommunikatonsplattform, die auf die unterschiedlichste Weise verwendet werden
kann und wird. Nicht nur die technische Schwierigkeit, die ungeheuren
Informationsmengen zu sichten, sondern vor allem auch die geradezu babylonische
Vielfalt der dort vertretenen Subkulturen last es als geradezu vermessen
erscheinen, wenn eine kleine Gruppe von Menschen alle dort getatigten Auserungen
uberblicken und bewerten wollte. 
Moglicherweise kann man diese neuartigen Probleme aber bewaltigen, indem man
sich die neuartigen Moglichkeiten des Internet zunutze macht. Das Internet
ermoglicht besser als jedes traditionelle Medium die Entstehung von kleinen,
bereichsspezifischen Teiloffentlichkeiten. Diese Offentlichkeit kann zur
Kontrolle und zur Legitimation gesellschaftlicher Gestaltung nutzbar gemacht
werden. Wenn sichergestellt ware, das das tatsachliche Ausmas der Filterung
nachvollziehbar und diskutierbar ware, wurde vermutlich allein dies genugen, um
Willkurakte auszuschliesen. Insbesondere konnten die Nutzer dann die Wahl ihres
Providers von dessen Filterpolitik abhangig machen; erst dann konnte man von
Privatautonomie im Sinne von Verhandlungsfreiheit sprechen. Falls den Providern
eine derartige Transparenz unerwunscht sein sollte, ware es interessant, die
Grunde dafur zu erfahren. Eine derartige "Kompensation von Macht durch
Transparenz" wurde weder nennenswerte zusatzliche Kosten noch zusatzlichen
burokratischen Aufwand verursachen - und ware ein Schritt zu einer echten
Konfliktbewaltigung, die Voraussetzung ist fur das allgemein erwunschte Wachstum
der Multimedia-Branche.