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Netzwelt: Prozeß gegen PDS-Politikerin Marquardt ausgesetzt



Hallo Leute, 

der Wirbel um Angela Marquardt geht weiter. Nunmehr geht 
es um die Verbreitung der Anklageschrift, die den letzten 
Prozeß eingeleitet hatte. Dieser hatte ja bekanntlich mit einem 
Freispruch geendet. 
Juristisch gesehen, geht es um @ 353d Nr.3 StGB:
	Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird 
	bestraft, wer
	1. [....]
	2. [....]
	3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines
Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines 
	Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut 
	öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert 
	worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Natürlich stellt sich nun die Frage, inwieweit eine Nachricht an eine 
z.B. Mailingliste eine öffentliche Mitteilung ist. Wie Marquardt 
die Angklageschrift mitgeteilt hat, entzieht sich meiner Kenntnis und 
muss durch das Gericht geklärt werden.

Schade finde ich nur, dass der Schriftenbegriff des StGB keine 
Rolle spielt, so dass Sinn und Unsinn dieser Bestimmung im 
IuKDG nicht auf dem Prüfstand stehen. Der Fall hätte nach altem 
Recht beurteilt werden müssen...

Rigo

     
>Freitag, 24.10.97 Aktuell Prozeß gegen PDS-Politikerin Marquardt
ausgesetzt          
>Berlin (dpa/ost) 
>- Ein neuerlicher
>Prozeß gegen die ehemalige stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende
>Angela Marquardt ist am Freitag kurz nach Verhandlungsbeginn vor dem
>Amtsgericht Berlin- Tiergarten ausgesetzt worden. Der Grund: Eine wichtige
>Zeugin war nicht erschienen. Gegen sie wurde ein Ordnungsgeld von 350 Mark
>verhängt. Die Zeugin sei trotz Ladung auch telefonisch nicht
>erreichbar gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Ein neuer
>Verhandlungstermin steht noch nicht fest.       
>Der Prozeß hängt zusammen mit einem anderen Gerichtsverfahren, das 
>im Sommer mit einem Freispruch für die PDS-Politikerin endete. 
>Die Staatsanwaltschaft hatte sie damals wegen vermeintlicher Beihilfe 
>zur Anleitung von Straftaten angeklagt, weil ihre Homepage im 
>weltweiten Computernetz Internet einen Querverweis zur verbotenen 
>linksextremistischen Zeitschrift "Radikal" enthielt.       

>Jetzt wird der 26jährigen Sprecherin der
>PDS-Arbeitsgruppe Junge GenossInnen vorgeworfen, vor ihrem damaligen
>Prozeß im Juni die Anklageschrift rechtswidrig über Internet
>verbreitet zu haben. Zu Beginn der Verhandlung am Freitag wegen
>"Verbreitens verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen"
>erklärte die PDS- Politikerin, sie sei davon ausgegangen, daß
>die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit eine solche Strafrechtsnorm
>ausschließe.       
>Sie habe natürlich ihrem Anwalt und einem
>Kreis von Freunden die Anklageschrift in Kopien zum Lesen gegeben,
>veröffentlicht habe sie sie jedoch nicht. "Ich fand diese weder
>juristisch, noch politisch, noch literarisch so bemerkenswert, daß
>ich auch nur auf die Idee einer Veröffentlichung gekommen wäre",
>sagte Marquardt. Im Fall einer Verurteilung droht ihr eine Geld- oder eine
>Haftstrafe von bis zu einem Jahr.       In ihren Augen sei die ganze
>Anklage eine ziemlich große Farce, sagte die 26jährige. In den
>Medien werde oft über Ermittlungsverfahren und Anklageerhebungen
>berichtet. So sei es beispielsweise kein Problem gewesen, sich in Zeitungen
>über die Anklageschrift im Berliner Politbüroprozeß gegen
>den  Honecker-Nachfolger Egon Krenz und andere zu informieren, und zwar vor
>dem ersten Hauptverhandlungstag.  
>