[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Gedanken zur fitug-MV: Dreimal VER ist boese



Bitte pruefen, ob ich auf fitig.members stehe.
Entwurf 1.03 - Kritik/Korrekturen/URLs ergaenzen f. "klickbar"

(c) Wau Holland, (credits) fitug wegen der MV-Anregungen.
Ausdrueckliches VerWertungsVerbot ohne ausdrueckliche Genehmigung.

Ist "nach Abnahme und Korrektur" ggf gut fuer doc dsz dsm FUp2 doc (?),
mit dem ueblichen Stallman-(c)-Vermerk.

Btw: mein Nachruf auf WSBurroughs wurde abgedruckt in
WANDLER 20, Zeitschrift fuer Literatur, Konstanz.
Dejanews-Suche: 12.08.97, Betr. "Aktuelle Erinnerungen an W.S.B."
Beim Nachlesen stiess ich auf Begriffe wie
"Bithausmeister" "Drewes augsburgiensis" "Bibel als Kugelfang"
"Vorsaetzliche widernatuerliche Sittengefaehrdung der Jugend"
"ETA KKK BND KGB SPAM" oderoder...
wau
Here we go:
---schnippp---

                   _Dreimal VER ist boese_

Vor rund 30 Jahren wurde Martin Luther King ermordet und "die 68er"
begannen sich aufzulehnen gegen den nach rottenden Rosen riechenden
Adenauer-Muff. Das politische Herrschaftssystem gebaerdete sich als
eine Art parfuemiertes Ungeziefervernichtungsmittel gegen kritische
Menschen. Atomminister Franz Josef Strauss nannte uns kraft seiner
humanistischen Bayer-Bildung "Ratten und Schmeissfliegen".
HM Enzensberger bruetete noch an den 1972 erschienenen "Bausteinen
zu einer neuen Medientheorie".
Der im Ostblock reglementierte Fotokopierer war ein "neues Medium".
Er wurde an den Unis zur Waffe gegen Militaerforschung mit dem
Tarnnamen "Sonderforschungsbereiche". Sekretariate wurden gestuermt,
ein paar Meter Aktenordner mitgenommen und dann extern gesichtet.

Oft fanden sich ein paar Seiten Beweismittel fuer Militaerforschung,
geschoent als "Humanes Toeten". Sie wurden fotokopiert und ringsum
in der BRD verschickt. Das war ein besonderer "oeffentlicher Dienst",
eben ein "Dienst an der Oeffentlichkeit". Ich erlebte sowas als
konsequente Umsetzung des FJ-Strauss-Satzes, ihm solle der Arm
abfallen, wenn er nochmal eine Waffe anfasse. Also handelten
wir "fdGO-konform". Strategisch denken, "Datenbankrecherche"
auf Papier. Raus ist raus, da helfen keine Pillen.

Rund 15 Jahre spaeter erwies sich Fax als "naechste Inkarnation"
eines Mediums. Da wurde z.B. ein "Geheimbericht" ueber Zustaende
in einem Atomkraftwerk an alle Umweltschutzbehoerden aller US-
Staaten per Fax verschickt von (keinerweisswerswar) und dann
war die konstruktive Info ueber Sicherheitsrisiken eben "raus".
Fax beschleunigte einen derartigen Offenlegungsprozess auf der
Ebene der "seriellen" Kommunikation wie eine Art Eilbriefversand.
Die NetNews im UseNet ergaenzten das in der Folgezeit um die
1:n-Variante.

Mit der Freisetzung von Information, insbesondere destruktiver,
ist VerAntwortung verbunden, eine Rechenschaftspflicht. Deshalb
lege ich Wert darauf, meinen Namen auch unter "heikle" Texte
zu setzen. Aber ich habe Verstaendnis dafuer, dass andere
anonym schreiben - etwa um tendenziell durchgeknallte Leute
wie Kay Nehm vom "Direktzugriff" auf Autoren abzuhalten.

Der Unterschied zwischen Fuehrung und VerFuehrung liegt in der
missbrauchten VerAntwortung. Moralbewahranstalten haben in der
Geschichte der BRD allzu oft bewiesen, dass sie in Wahrheit nur
Machtbewahranstalten waren. Ein Beispiel war die als FSK getarnte
Filmzensur, die "Freiwillige Selbstkontrolle". Viele Filme, die
heute als "Erbe" des DDR-Fernsehens im "Kulturprogramm" des
Westfernsehens gezeigt werden, waren in den 50er und 60er Jahren
insofern "verboten", als eine oeffentliche Auffuehrung der Filme
nicht moeglich war. Ich haette gerne bei allen heute im TV gezeigten
Filmen ausser den Credits am Ende auch Infos zur "Klassifizierung"
der Filme im Wandel der Zeit. Ich selbst habe oft genug Filme
von zB Costa Gavras, die "frei ab 18" waren, an Jugendliche
oeffentlich vorgefuehrt (das war in meiner Zeit "vor" dem CCC)
und anschliessend darueber mit den Jugendlichen diskutiert.
Dabei habe ich vorsaetzlich und bewusst gegen staatliche Auflagen
des Jugendschutzes verstossen. Das hat mein Bewusstsein geschaerft
fuer den Unterschied zwischen "Fuehrer" und "VerFuehrer".

Natuerlich mussten Film-Auffuehrungsverbote grundgesetzkompatibel
in die Rechtssystematik der BRD intrigiert werden. Dazu war ausser
dem "Jugendschutz" eine boese dreimalige VerRenkung notwendig:

- die Ordnung gebar die VerOrdnung
- aus der Gabe, dem Bringen wurde das Gift VerBringen
- die Botschaft schuf das VerBot

Das wurde zusammengebacken zu einem jurologischen Totschlag-
Konstrukt, der "VerOrdnung ueber VerBringungsVerBote".
Darin war geregelt, dass bestimmte Filmrollen - etwa aus der
DDR - nicht in die BRD "verbracht" werden durften. Natuerlich
war das nicht VVV-Wortlaut, sondern "nur" die Auswirkung davon.

Deshalb entstanden in den 68er Zeiten, also "heute vor 30 Jahren",
"Filmclubs". Dort fanden keine "oeffentlichen Auffuehrungen" statt.
Vor Mitgliedern der Filmclubs durften Filme abrollen, die wegen der
"VerOrdnung ueber VerBringungsVerBote" nicht in die BRD einrollen
durften. Damals habe ich begonnen zu begreifen, dass das VerEins-
Recht eine wesentliche Errungenschaft der buergerlichen Revolution
war und weiterhin ist: was oeffentlich verboten war, konnte
"verEint" geschehen. Auch die "Werbeverbote" fuer derartige
Filmvorfuehrungen zwecks Kleinhaltung der Zuschauerschar
habe ich in deutlicher Erinnerung als Versuch im Rahmen von

"verzoegern - kontrollieren - verhindern - verbieten".


_Im Anfang war das Loch_

Zeitnah zum Orwell-Jahr gelang es mit Hilfe des VerEinsrechts,
das Fernmeldeanlagengesetz zu untergraben als Vorstufe zur
Abschaffung des Postmonopols. Die Gruendung des "Vereins zur
Foerderung der Telekommunikation" VfTK, zusammen mit Guenter
Leue pointierte das Ende des Postmonopols. Denn im Rechtsleben
war das buergerliche Grundrecht auf VerEinigungsfreiheit
hoeherwertiger als das Fernmeldemonopol des schwarzen Schlingels.
Deshalb durften "nur" VfTK-Mitglieder ihre E-Mail per GeoNET
weltweit austauschen und kommunizieren, andere Deutsche durften
das nur mit dem staatlichen Monopolsystem TELEBOX.
Da aber jeder - auch Firmen, die dieses Detail begriffen hatten -
VfTK-Mitglied werden konnte, war das Postmonopol zwar noch nicht
ausgehebelt, aber mit einem so grossen Schlupfloch versehen,
dass jedes Individuum und jeder Konzern durch dieses Loch
schluepfen konnte.

Wer diesen "Hack" eines gesellschaftlichen Strukturbug begriffen
hatte, wusste, dass das Postmonopol ein paar Jahre spaeter "weg"
sein wuerde. Die Kunst des Rueckzuges, die Gorbi in der UdSSR
vorfuehrte, um den kalten Krieg zu beenden, beherrschte der
Grundgesetzfeind und Postminister Schwarz-Schilling nicht so gut.
Das Postrecht war eine Antiquitaet im Rechtsleben: verboten war
alles, was nicht ausdruecklich erlaubt war. Der Regelfall des Rechts
ist, dass alles erlaubt ist, was nicht ausdruecklich verboten ist.
Der Antiquar Schwarz-Schilling brauchte viel Zeit zum Lernen, um die
Jagd auf Hacker abzublasen und arbeitete erst spaeter freiwillig
am Ende des Postmonopols mit. Boetsch war auf seine Art vielleicht
der Krenz oder der Gysi der Post.

Die Aufgabe der Hacker bestand in der Beschleunigung des Geschehens
frei nach dem Motto "wir praktizieren die Zukunft schon heute". Im
Schockwellenreiter von John Brunner steht das aehnlich formuliert.

Ein aehnlicher "Hack" wie beim Postrecht kam fuenf Jahre spaeter
von der Buergerrechtsbewegung in der DDR. Auch dort wurde die
buergerliche Vereinigungsfreiheit, eine demokratische Errungenschaft,
zum entscheidenden Hebel gegen morsche Machtstrukturen. Dabei fiel
nicht nur das Postmonopol, sondern gleich der ganze Staat um. Den
"Helden des Rueckzuges" an der Spitze des Staates ist zu verdanken,
dass dies friedlich ablief.

Die Folgen derartiger "Hacks" sind jedoch nicht nur positiv.
Was die "Verordnung ueber Verbringungsverbote" fuer das vor
dem Fernsehen und dem Internet modernste und deshalb
"kontrollrelevante" Medium "Film" war, sind heute
entsprechende Regelungen im Bereich der Telekommunikation.

"1998 wird das Jahr der Freiwilligen Selbstkontrolle" war der
Versuch eines Ausblicks auf der Mitgliederversammlung von fitug
eV. Ein wichtiges Thema auf der MV waren Berichte zu GILC, der
Global Internet Liberty Campaign.
Denn bei GILC war zumindest ein Stueck weit gelungen, was fuer
Gewerkschaften "utopisch" ist: bei GILC gelang es, international
eine Reihe von verschiedensten Gruppen zusammen zu bringen und
zu gemeinsam abgestimmtem Vorgehen zu bringen - noch bevor die
internationalen Konzerne vergleichbares auf die Beine brachten.

Eine Erwaehnung von GILC-Aktivitaeten in der NZZ ist als Hinweis
zu werten, dass der Hebel an einer "relevanten" Stelle angesetzt
wurde. Berichtet auf der MV wurde nicht nur der Brief an Helmut Kohl.
Der Unterschied von GILC zu Gewerkschaften wurde damit illustriert,
dass es denen eben nicht gelungen ist, einen "Konzernbetriebsrat"
zeitlich eher auf die Beine zu stellen als das Buendnis der
Konzern-Vorstaende. In diesem Geschwindigkeits-Vorlauf, also zu
leben mit Hilfe einer Zeitmaschine im Kopf, geht es darum,
weiterhin effektiv zusammen zu arbeiten, weltweit.

Der Umgang mit PICS, die mit "sanftem Druck" eingefuehrte
"Selbstbewertung" von Inhalten im WWW ist da nur ein Aspekt,
aber ein wichtiger.
In Frankreich ist letztes Jahr ein engagierter Verein dort an
dieser Frage zerbrochen: die einen treten grundsaetzlich gegen
solche Bewertungssysteme ein und die anderen meinen, man koenne
sie nicht vermeiden. Wir muessen uns bemuehen, diese Debatte
in Deutschland zu fuehren, ohne uns zu zerfleischen wie in .fr.
Nur dann kann der "GILC-Schnellvorlaufmodus" erhalten bleiben.

Bei den 0190er Diensten ist die "Freiwillige Selbstkontrolle" in
..de bereits in Paragraphen gegossen und der entsprechende "Verein"
ist nicht als "Kann-", sondern als "Soll-Vorschrift" genannt.

Das tendiert - aehnlich wie bei der Film-FSK - hin zu einer
gefaehrlichen Einschraenkung der buergerlichen Grundrechte, wie
sie in den ersten Artikeln des Grundgesetzes festgeschrieben sind.

Denn die Beauftragung eines privatrechtlichen Vereins mit
oeffentlichen Kontrollaufgaben nimmt den BuergerInnen die
Moeglichkeit, sich mit den tradierten Mitteln des Verwaltungsrechts
gegen Grundrechtsverletzungen und gegen Behoerdenwillkuer zu wehren.
Was frueher staatliche Zensur war, wird zu einer privatrechtlichen
Veranstaltung auf der Ebene allgemeiner Geschaeftsbedingungen.
Wenn erst MSNBCZDF.eV fuer "Content Control" zustaendig wuerde,
blieben als "Wiese der Freiheit" nur noch NewsGroups uebrig.
Und dort sind es ausgerechnet die "Linken", die in der
NewsGroup-TopLevelHierarchie cl.ALL eine "politisch korrekte"
Willkuerherrschaft durchzusetzen versuchen. So werden dort
beispielsweise Artikel von "politisch unerwuenschten" Absendern
pauschal weggefiltert und das als "SPAM-Abwehr" getarnt.

Was bleiben wird, ist das UseNet mit seinen NetNews.
Das ist auf jeden Fall zu wenig.
Es gilt, ein "Kindernet" zu verhindern und das "Internet" zu
bewahren samt allen Grauzonen, die zum Leben gehoeren wie das
Salz an der Suppe. Gegen die Entwicklung zum "Kindernet" und die
totale PICS-Kontrolle Pfloecke zu setzen, das ist eine Aufgabe
fuer 1998.

Damit 1998 nicht zum "Jahr der Freiwilligen Selbstkastration" wird.

(c) 20.01.1998 Wau Holland wau@ccc.de - ENTWURF - INTERN.
Verbatim copying and distribution OK if this notice is provided.
--
Wahrscheinlich bist du so ein Opfer einer antiautoritaeren Erziehung.
Ich schaetze mal du bist so zwischen '67 und '78 geboren. Was wuerdest
du denn mit 1 ueberfuehrten Spammer tun? Mit Wattebaellchen bewerfen
bis er blutet? (Mike Heuser, lustiger Thread, de.admin.net-abuse.news)