- To: fiff-l@dia.informatik.uni-stuttgart.de
- Subject: Internet-Ueberwachung als politisches Lehrstueck
- From: Manuel Kiper <manuel@kiper.bn.eunet.de>
- Date: Wed, 21 Jan 1998 10:09:57 +0200
- Reply-To: manuel@kiper.bn.eunet.de
Hallo Leute, selten kann man verschiedene Ebenen der Beeinflussung von Politik und Oeffentlicher Meinung durch die Sicherheitsbehoerden so deutlich sehen wie derzeit. Mit dem Argument des Internets als Hort des Extremismus geht es dem BMI wieder mal um die Daten von Internet-NutzerInnen. Aber im Einzelnen: Hamburg (Reuters) - Der Bundesverfassungschutz warnt nach Informationen der Bild-Zeitung vor einer zunehmenden Aktivitaet von Extremisten im Internet. In einem Bericht der Behoerde wuerden konkret 52 derartige Adressen von Internet- Seiten genannt. Darunter befaenden sich Anleitungen zum Bombenbau, Hinweise fuer die Sabotage von Bahnstrecken sowie antisemitische Hetze, berichtet das Blatt am Mittwoch. Neben Links- und Rechtsextremisten aus Deutschland seien auch Organisationen wie die algerische Islamische Heilsfront und die tuerkische Revolutionaere Linke vertreten. Die Gefahr ist also umfassend, weshalb nur logisch ist, dem Verfassungschutz mehr Kontrollmoeglichkeiten einzuraeumen: Bonn (AP) Der Verfassungsschutz soll nach dem Willen der zustaendigen Abteilung im Bundesinnenministerium Zugriff auf die Daten von Internet-Usern bekommen, wie sie bei den Providern gespeichert sind. In einem `Argumentationspapier, das der Nachrichtenagentur AP vorliegt, verlangte der Leiter der Abteilung Innere Sicherheit im Bonner Ministerium, Reinhard Rupprecht, eine entsprechende Aenderung des Teledienste-Datenschutzgesetzes. Das Gesetz war erst im August vergangenen Jahres als Teil des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes in Kraft getreten. Ein zunaechst vorgeschlagener Absatz, der genau die von Rupprecht geforderten Zugriffsrechte der Sicherheitsbehoerden enthielt, war im parlamentarischen Verfahren wieder gestrichen worden. Rupprecht argumentierte, ein Pseudonym als Internet- oder E-Mail-Adresse lasse `eine Identifikation des Verantwortlichen nur mit Hilfe der beim jeweiligen Diensteanbieter vorhandenen Bestandsdaten zu. Da der Verfassungsschutz bei Internet-Angeboten mit verfassungswidrigem Inhalt nicht wie Polizei oder Staatsanwaltschaft die Auskunft mit Hilfe der Strafprozessordnung bekommen oder beschlagnahmen koenne, brauche er ein gesondertes Zugriffsrecht. Beim Bundesbeauftragten fuer den Datenschutz wurde der Vorschlag aus dem Innenministerium rundweg zurueckgewiesen. Die `eindeutige Position sei, dass eine solche Auskunftsverpflichtung fuer den Verfassungsschutz etwas sei, `das wir in unserer Rechtsordnung bisher nicht hatten. AP Abgesehen davon, dass hier das politische Ziel von Publicity netterweise einmal zeitnah aufgedeckt wurde, sind hier ein paar Kommentare noetig. Immerhin ist nun klar, wohin die Reise gehen soll. Die technische Spezifikation einer Schnittstelle fuer den Datenabruf nach §90 TKG enthaelt ja bereits ein entsprechend definiertes Datenfeld fuer Mailnummern. Dass die fuer einen Abruf von Mailnummern gedacht ist, wurde bisher aber abgestritten. Nun sollte das BMI auch dazu offen stehen - ein bisschen Glasnost kann dem BMI auch nicht schaden. Dass dem BMI in seiner Ueberwachungswut offensichtlich egal ist, wie kleine Mailboxbetreiber - erst recht, wenn sie nicht gewinnorientiert arbeiten - die Kosten fuer die Einrichtungen zum Datenabruf auftreiben sollen, ist bekannt. Ein wenig Marktbereinigung haelt das BMI wohl fuer angebracht, da ihm der Markt offenbar ohnehin zu unuebersichtlich ist. Nur hat sich im BMI wohl noch niemand klargemacht, dass bei den Abrufwuenschen von Mailnummern nach dem TK-Begleitgesetz auch interne Firmennetze betroffen sind. Ueber potentiell jedem firmeninternen Netz haengt nun das Damoklesschwert des Datenabrufs - Zuwiderhandlungen sind mit Bussgeld bewehrt. Im April will das BMI eine Liste der Ueberwachungsvorschriften vorlegen, die (wie die Vorschrift im IuKDG) gefordert, aber nicht umgesetzt wurden. Dann wird deutlich, wie weit die Telekommunikation und damit auch das Internet unter den Primat der Ueberwachung gestellt werden soll. Trotzdem die Ausdehnung der UEberwachung konservatives Wahlkampfthema ist, sollte auch im BMI noch soviel Augenmass uebriggeblieben sein, diese Idee aufzugeben. Andernfalls wird das BMI auf diese Weise der elektronischen Kommunikation in der Bundesrepublik weitgehend den Garaus machen. Ingo Ruhmann * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Ingo Ruhmann Dr. Manuel Kiper Mdb Wissenschaftlicher Mitarbeiter Buendnis 90/Die Gruenen Bundeshaus HT 404 D-53113 Bonn Tel:xx49-228-16 81547, Fax:xx49-228-16 86515 E-Mail: manuel@kiper.bn.eunet.de * * * * * * * * * * PGP Key on request * * * * * * * * * *