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Re: Artikel: Gefangen im Internet



At 23:30 25.05.98 +0200, PILCH Hartmut wrote:
>> Der Fehler liegt in zwei unzulässigen Verallgemeinerungen in den ersten
>> beiden Schritten. Nur weil es für einen Fall geht, muss es nicht für alle
>> klappen. Umgekehrt sollte man sich aber auch nicht drücken, wenn es in
>> einem Fall geht: Sonst bietet man sich eine Blösse, die durch geelchte oder
>> getrollte Argumente ausgenutzt werden kann - und zwar auf eine für den
>> unbedarften Zuhörer nicht transparenten Weise.
> 
>> Können wir jetzt bitte wieder zur Sache kommen?
>
>Ja, wir sind wieder genau bei der Sache, die ich anfangs aufgriff:  wenn
>man dort, wo wirklich Einflussmoeglichkeiten bestehen, Flexibilitaet
>signalisiert, laesst man die Sicherheitspolitiker auflaufen.  Waehlt man
>hingegen die ideologische Konfrontation ("Mein Liberalismus war schon
>immer die einzig richtige Denkweise und mit dem Internet ist dein
>Etatismus Schnee von gestern"), hat man vielleicht ein gutes Gefuehl
>innerhalb der Lobby, rennt dan aber mit dem Kopf gegen die Wand der
>realen Welt, deren Einstellung bekanntlich "Sie wissen doch gar nicht, ob
>wir das wollen" lautet. 

Die reale Welt in Deutschland besteht momentan, übertrieben gesagt, aus
zwei Teilen: Ein Teil besteht in technisch-ökonomischen Realitäten, und die
werden hier auf der Liste gewälzt. Der andere Teil ist die Einstellung
derer, die derzeit unsere Gesellschaft leiten, also auf dem hohen Level
Politiker, Gerichte usw. oder auch der von Dir zitierte Schulleiter. Ich
nehme jetzt einmal den Schulleiter als Beispiel, weil er sich ausgesprochen
unklug geäussert hat und mir so die Argumentation vereinfacht. Jeder andere
Vertreter dieser Klasse kann ausführlicher auf den gleichen Holzweg geführt
werden.

Es spielt keine Rolle, ob der Schulleiter anständigen Internet-Anschluss
für seine Schüler will oder nicht: ein Teil seiner Schüler macht's halt
dann einfach ausserhalb des von ihm kontrollierten Bereichs, von zu Hause
aus, aus einem Internet-Café oder sonstwie. Der Effekt, den er bewirkt ist,
dass eine soziale Schere aufgeht: Anstatt allen Schülern gleichmässige
Chancen zum Umgang mit dem Kommunikationsmedium der Zukunft zu bieten,
bewirkt er eine Trennung in Informations-Reiche (also Internet-Café-Kunden,
typischerweise Kinder besser situierter Eltern) und Informations-Arme
(normalerweise Kinder ärmerer Eltern). Das Ganze wiederholt sich auf jeder
Stufe, ob Schule, Land Bayern oder Bundesrepublik. Wer Statistik kennt,
findet dahinter irgendwo das Prinzip der grossen Zahlen wieder.

Bewusster Umgang mit dem Internet ist die einzige Möglichkeit,
_im_Internet_ wirklich Sicherheit zu erreichen. Die Alternative ist, das
Internet komplett abzuschalten.

Wenn Du mir nicht glaubst, dann arbeite eine dritte Alternative aus und
lege sie der Liste zur Diskussion vor. Als "ausgearbeitet" gilt es, wenn
für jeden einzelnen Schritt Skalierbarkeit und Robustheit von technischer
Seite belegt und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden. Ich erwarte
keine Beweise und keine demokratische Kontrolle - die demokratische
Kontrolle übernehmen dann schon andere :-)

Bis denne

Josef
-- 
Josef Dietl
W3C/INRIA
BP 93
F-06902 Sophia-Antipolis Cedex
France