[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Versuch einer Analyse



Holger wrote 
> Kristian:
> > In einer Welt, in der Kommunikation keine Grenzen mehr kennt, kennen auch
> > Inhalte keine Grenzen mehr.
> 
> Folgerung auf Bayerisch: Beschraenken wir die Kommunikation.

Warum genau das fatal ist für die zukünftige Entwicklung, ahnen wir,
und noch konkreter ist es in "Engines of Creation" 
http://www.foresight.org/EOC/index.html
formuliert: Weil zukünftige, nicht aufhaltbare, technologische 
Entwicklungen unsere gesamten Kommunikationsmöglichkeiten erfordern,
um nicht in einer Katastrophe zu resultieren.  Das gilt aber natürlich,
nicht ganz so kraß, auch schon für die jetzige Situation.

Der Ansatz, die Situation in Deutschland als Kulturk(r)ampf zu betrachten,
als Ergebnis zu langer Jahre mit einlullenden Medien, und daraus
resultierender Denk- und Kommunikationsfaulheit, hat den Vorteil, die
Situation als noch änderbar zu betrachten, was realiter nicht unbedingt
der Fall sein muß.  Aber was bleibt uns übrig.

Der ökonomische Ansatz ist auch interessant, wie die Zeit natürlich
insgesamt:  Deutschland als einigermaßen florierende Warenwirtschaft hat
erstmal überhaupt keinen Grund, sich auf das Glatteis des Weges zur
ausgeprägten Informationswirtschaft zu begeben.  Never change a winning
team, so denkt man wohl an vielen entscheidenden Positionen.  Warum nun
tun es andere Staaten?  Dazu ein älterer Wired-Artikel:

   9:17am  28.Apr.98.PDT
   Large English-speaking countries are leading the world in making the
   best use of high technology because they have focused on using it
   rather than just developing it, the Organization for Economic
   Cooperation and Development says in a report.
   
   The United States, Britain, Canada, and Australia all ranked higher
   than other OECD countries in a study of technology and job creation
   presented at the Paris-based agency's annual meeting, which ends
   today.
   
   Finland's equally strong track record showed that the reasons behind
   the trend were not cultural, but rooted in the urgent need to adjust
   to globalization, said OECD economist Risaburo Nezu, the study's
   author.
   
   Other OECD states, ranging from advanced economies such as France and
   Germany to new members including Poland and Korea, still have problems
   putting the fruits of their high-tech research policies into practice,
   the study found.
   
   "In most OECD countries, current policies focus too much on developing
   new technologies in the small, high-tech part of the manufacturing
   sector and too little on fostering innovation and technology diffusion
   throughout the economy," the study said.
   
   The English-speaking countries and Finland were forced by recession
   and changing markets to adjust earlier than other OECD states, Nezu
   said.
   
   Nezu said computers and the Internet are now so widespread that
   broadening skills in using them are more important than developing new
   technologies.
   ...

Diejenigen Staaten, die also vor 5 Jahren in einer Rezession steckten,
konnten vom Aufkommen des Web in der Zeit profitieren, gerade weil sie
zum richtigen Zeitpunkt nach einem Strohhalm greifen mußten.

Jetzt nochmal zurück: ist Deutschland wirklich eine so florierende
Wirtschaft, daß das so gewinnende Team zu schade ist, um es aufzugeben?
Das ist doch gar nicht der Fall, es wird nur immer so hingestellt.  Als
kleine Anekdote, ein guter Bekannter beim Arbeitsamt (aus dem Fränkischen
übersetzt):

X: Welche Qualifikationen haben Sie denn?
Y: Zuletzt war ich als Netzwerk- und Kommunikationssystemadministrator
   (Sat-Leitungen) tätig.
X: Ich fürchte, da haben wir nichts, was können Sie denn noch?
Y: Ich habe CAD-Erfahrung mit xyz bei Firma X.
X: Hm, leider auch nichts.  Noch etwas?
Y: Mein ursprünglicher Beruf, Kfz-Mechaniker?
X: Sieht ganz schlecht aus.  Wären Sie bereit, umzuschulen?
Y: ??? Na hören Sie, was soll ich denn noch alles machen?
X: Sehen Sie, wir müssen bis zum Herbst unbedingt die Zahlen senken, unter
   allen Umständen.  Wir könnten Ihnen folgendes anbieten: Firma Y macht mit
   Ihnen einen Vertrag, pro forma, daß Sie umgeschult und möglicherweise 
   nach einem halben Jahr angestellt werden.  Sie bekommen ganz normal 
   Arbeitslosengeld, gelten aber als vermittelt.  Na?
Y: @!?%#...

Beim Versuch, Deutschlands Probleme mit der Informationsgesellschaft zu
verstehen, komme ich also nicht umhin, die Beschäftigungspolitik der
jetzigen Regierung mit einzubeziehen.  Ebenso sind viele andere Äußerungen
nur im Licht des Wahlkampfs nachzuvollziehen, Bayern selbst hat Landtagswahl
kurz vor der BTW.  Nehmen wir noch den Medien- und Kulturkampf dazu, und
eine gute Basis mit Generationenkonflikten, dann befindet sich das Internet
in Deutschland mitten in der dicksten Suppe, die seit langem am Brodeln ist. 
Genießer erkennen einander daran, wenn sie pusten, und kommende
Führungskräfte sollten an dieser Fähigkeit gemessen werden, genauso wie an
ihren Fähigkeiten, im Internet zu kommunizieren und zu publizieren.

ralf
-- 
http://rws.home.pages.de/