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Re: Dem Internet ist es egal, wie man es speichert



> 
> Holger Veit schrob:
> 
> > Welches Buch gehoert in eine Bibliothek? Jedes?
> 
> Ja. 

Rhetorische Frage verstanden. Danke.

>     Die Deutsche Bibliothek (http://www.ddb.de) hat z.B. den Auftrag,
> alle deutschsprachigen Buecher zu sammeln und zu archivieren. Mit der
> Archivierung von "Netzpublikationen" wird dort bereits angefangen.

Aehnliche Aktivitaeten betreiben auch die US Library of Congress und diverse
andere nationale Einrichtungen.

> Institutionen wie die Deutsche Bibliothek und das Bundesarchiv sind auch
> von dem Kaliber, das es fuer Wau's NetzKulturArchiv braucht.
> 
> Problem sind tatsaechlich die technischen Formate der Archive
> (physikalische Datentraeger und Speicherformate). Hier koennte sich aber
> auch eine kleine Organisation einen Namen machen.

Kleinere Organisationen haben kein technisches, sondern ein rechtliches
Problem. Wenn Projekt Gutenberg aufgrund von "Verwertungsrechten" zwar noch
die Gebrueder Grimm einscannen kann, aber Henry Miller nicht, weil der
noch nicht 70 Jahre tot ist, bzw. es auch nach Ablauf der Frist noch
immer noch gierige Erben gibt, die ungestraft den Daumen draufhalten koennen,
dann ist jegliche Verdatung bis zum Zusammenbruch der Zivilisation effektiv
blockiert. Keine Frage der Lingua Franca, sondern der gesellschaftlichen
Einstellung. Die Deutsche Bibliothek hat einen oeffentlichen Auftrag, ein
Freelancer-Verein, wenn er erfolgreich ist, vor allen Dingen Neider.
Wer das Word-Format knackt und dokumentiert, so dass irgendjemand einen
Konverter ins Zielformat eines Konkurrenzproduktes schreiben kann, wird 
mit einem inkompatiblen Word{Jahr+1}-Format bestraft.

> Ziel: Einige ausgewaehlte Daten in moeglichst vielen Formaten
> abspeichern, dazu eine Dokumentation der Formate. Damit spaetere

Das Interessante an einer Bibel, die von Moenchen im Mittelalter handkopiert
wurde, ist nicht der Inhalt, sondern die Form.

Davon abgesehen: das Soft-Format laesst sich noch nach Jahrzehnten zurueck-
verfolgen, sofern nicht Daten verschluesselt wurden. Ein Word-Dokument ist
zum Glueck kein Voynich-Dokument. Beim Datenmedium selbst muss der Player 
konserviert werden. Die Pioneer-Sonde, die derzeit unser Sonnensystem
verlaesst, enthaelt eine Schallplatte mit Tondokumenten aus der Zeit des 
Starts der Rakete, und es liegt ein Abspielgeraet dabei. Aber ich moechte
keine Garantie uebernehmen, dass der glueckliche Finder dieser Flaschenpost
nach Jahrzehntausenden noch in der Lage sein wird, die Botschaft zu hoeren
(vom Verstehen ganz zu schweigen).

Kann jemand noch eine Drahtaufzeichnung (Vorlaeufer des "Tonbandes" ==
Vorlaeufer der "Kompaktcassette" == Vorlaeufer der "DCC" (die auch nur eine
kurzlebige Episode war)) lesen? Ich glaube, im Deutschen Museum steht noch
ein solches Geraet, aber ob es noch so funktioniert? Und wenn, ist die Magneti-
sierung des Eisendrahts noch ausreichend? CD-Roms haben nach derzeitigem
Wissensstand auch nicht die Lebensdauer von babylonischen Keilschrifttafeln
oder Rosettas Stein.

Willkommen zum permanenten umkopieren des Wissens der Welt in jeder
Generation. Nur ein paar Zehnerpotenzen mehr, aber prinzipiell dasselbe,
wie wenn eine Mutter ihrem Kind abends eine Gutenachtgeschichte erzaehlt
(nicht vorliest).

> Generationen sich die Sachen nicht lange zusammensuchen muessen, und die
> Chance haben, Konvertierer und Browser fuer laengst vergessene Formate
> zu schreiben.

-- 
         Dr.-Ing. Holger Veit             | INTERNET: Holger.Veit"at"gmd.de
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