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EVAlutions-Theorie 0.03



Im Trueben gefischt:
Eine Vermessung des Apfelbaums
Von Wau Holland, Juli 1998


Im Grunde genommen ist eine Perle nichts
weiter als Dreck, huebsch verpackt wie
dieser Text. Da schwappt eine Muschel so
vor sich hin in den Weiten des Meeres.
Ploetzlich wird die Muschelprinzessin
von einer Minierbse gestoert und setzt
sich zur Wehr: sie umhuellt den Fremdkoerper
mit einer kugelaehnlichen Kalkleiste de Luxe.
Das ist eine Facette der Evolution von der
Bakterie und Einzellerinnen ueber den
Menschen zum Weltarchivwesen Internet,
dazwischen die Walgesaenge.
Ein Ende der Welt des Wissens ist auch dann
nicht absehbar, wenn man das Weltgesamtwissen
fuer messbar haelt und es irgendwann in naeherer
Zukunft nur ein paar Mausklicks entfernt ist.

Was weiss schon eine Einzellerin.
Sie hat zwar einen lichtempfindlichen Fleck,
aber ein Gehirn ist auch ansatzweise eher nicht
zu erkennen. Doch das weibliche EVA-Prinzip,
also Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe sowie die
Kopierfaehigkeit ist gegeben.
Von Adam ist hier noch nicht die Schreibe.

Die Muschel beherrscht bereits den aufrechten Gang.
Wenn sie gestrandet ist und es ebbt,
laeuft das Meer vor ihr weg.
Dann richtet sie sich auf ihre beiden Schalenhaelften
und watschelt dem Meer hinterher.
Das Hirn der Muschel ist der Muskel.
Die evolutionaer etwas spaeteren Nervenzellen (1)
funktionieren irgendwie elektrisch aehnlich den
Muskeln mit dem Unterschied,
dass sie sich nicht zusammenziehen.

Wuestenameisen waren fuer Hacker interessant,
weil sie so etwas aehnliches wie eine CPU haben
mit einer relativ ueberschaubaren Zahl von
vielleicht einer Million Schaltelementen.
Da gegenwaertig uebliche CPUs zig Millionen auf
Sand gebaute Transistorfunktionen "inside" enthalten,
laesst sich eine Ameise damit tendenziell emulieren.
Die Leistung einer Ameise besteht nicht nur im
aufrechten, sondern im zielgerichteten Gang.
Sie laeuft nicht der feuchten Gischt des Meeres
hinterher, sondern findet aus dem Gedaechtnis
ohne derartige Sensorik (was soll da noch gehen
bei 80 Grad Celsius) zurueck zum Bau.
Die Futtersuche erfolgt auf heissem Wuestensand
chaotisch im Zickzack und der Rueckweg zum Bau
ist schnurstracks geradeaus.
Jeder Informatiker aus der Klasse der Sandbauern
wuerde erstmal behaupten, mit dem von der Natur
betriebenen Aufwand sei so ein Projekt
unmoeglich zu realisieren.

Doch das Wissen der Menschheit waechst
und auch dieses Rätsel wurde geloest.
Die Erkenntnis des Wachstums von Wissen ist so alt
wie der Kampf um Macht mit dem Bilder- und
Bildungsverbot und dem abendlaendischen
Angstmacher, der Schlange im Apfelbaum.

Wie misst man Wissen?
Wer so eine Frage stellt, riskiert irgendetwas
zwischen Buecherverbrennung und Leben.
JF Kennedy bestellte den Weinberg-Report.
Darin wurde die Informationsmenge der Library
of Congress aehnlich ermittelt, wie es in der
schwarzen Kunst ueblich war: man zaehlte Zeichen
und schlug aus Erfahrung etwas fuer Steuerzeichen
bei komplexen Texten drauf - also fuer Tabellen
oder geschnoerkelte Buchstaben am Absatzanfang.
Das Ergebnis war 10 hoch 13  Bits.

Natuerlich war dieser Wert mit einem Messfehler
behaftet, da fehlten vielleicht ein paar Nullen.
Zum einen kann man Texte komprimieren.
Zum andern fehlten die Bilder.
Am 10. Januar 1963 war der Report fertig.
Aus Protest hat ein Bibliothekar ihn oeffentlich
verbrannt. Doch das Wissen um die Existenz von
Wissen ueber Wissen liess sich damals ebensowenig
verbrennen wie heute das Internet:
dort entstehen beim Versuch von Zensur und
Abklemmen neue Umleitungen wie Koepfe einer Hydra.

Es sind 35 Jahre vergangen seit Kennedys Wissensmessung.
Die Datenmenge von 10 hoch 13 Bit gibt es zwar noch nicht
im Karton für ALDI, aber in die Richtung geht es.
Zumindest ist die komplette klassische Musik des
Mittelalters als wohnzimmertauglicher Stapel CDs
erhaeltlich. Hobby-Jazzmusiker wie Clinton kennen
einiges von Kraft und Geschichte der Musik.

Es gibt einen Unterschied zwischen Menge und
Bedeutung von Information, von Qualitaet und Quantitaet.
Ich bezeichne die Maszeinheit der Qualitaet "Deut",
als Komplement des Bit.
Das ist nicht trivial, weil sich die Bedeutung durch
blosse Aenderung des Blickwinkels aendern kann.
So ist im Musem in Arnstadt/Thueringen als amtliches
Dokument ueber eine Person der Zeitgeschichte ein
Strafzettel ueber eine Kneipenpruegelei ausgestellt.
Ich frage mich, was der Musiker Bach am Stammtisch
zum Umgang mit seinem Andenken gesagt haette,
wenn er das geahnt haette.

Doch 1998 kam der Jazzer Bill Clinton nach Eisenach
und erzaehlte in seiner Rede, dass Bach mit einer nicht
mehr rueckholbaren musikalischen Erfindung den Klerus
geaergert hatte. Das war subtil subversiv.
In dem Zusammenhang haette Bach ueber seinen der
Oeffentlichkeit praesentierten Strafzettel im Museum
vermutlich einfach gegrinst.
Daraus folgt, dass ein Deut nicht isoliert betrachtet
werden kann wie ein Bit auf einer Festplatte oder CD.
Deuts lassen sich einem Dokument nicht durch
Buchstabenzaehlen entnehmen. Lesen ist Sinnentnahme.

Wenn man grob vereinfacht die Library of Congress
als einen Teil der Weltkultur betrachtet und die
Erhoehung des Wissens in den letzten 35 Jahren
mit einem Relevanzdetektor filtert, um das
ME TOO wegzulassen, koennte man nochmal
drei Nullen dranhaengen, 10 hoch 16.

In der Entwicklung der DV ist grob gerechnet bei
Verdoppelung alle 18 Monate der Faktor 1000
in 15 Jahren erreicht.
Damit ergibt sich eine Schere: der Fortschritt
in der Verbreitbarkeit von Wissen ist so hoch,
dass Wissbegierige bald alles auf Knopfdruck
bekommen koennten.

Angesichts der Tatsache, dass der Umfang an
DNS-Information sich  fuer alles zwischen
Bakterium und Mensch mit dem Faktor 1000
darstellen laesst, sollten diese drei Nullen
eine gewisse Zeit reichen.

Die Ameise weiss noch nicht, was Wissen ist.
Aber sie weiss, wo sie ist und wo sie hin will.
Auf Billdeutsch: where do you want to go today.
Der weise Satz von Joseph Beuys
"ich denke sowieso mit dem Knie"
war die Loesung des Ameisenraetsels:
Orientierung mit der Rechenkapazitaet einer
Ameise war moeglich durch dezentrale
Verknuepfung von Beinen und Augen.
Beim Menschen hilft ein Hammer,
der auf das Knie schlaegt und eine Uhr.
So laesst sich feststellen, dass der
Kniereflex schneller ist als die
Signallaufzeit vom Knie zum Rueckenmark.
Das Knie "tut" autonom und meldet,
was los ist.
Die Augen koennen Muster bilden,
die spaeter steuernd wirken.

Der Soldat braucht kein Gehirn,
spottete Einstein;
dem genuegt das Rueckenmark.
Der "Termitenstaat" als Vorbild fuer
das 1000jaehrige Reich versuchte das
auf ueble Weise umzusetzen und setzte
einen bitteren historischen Meilenstein
beim Beweis, in wie kurzer Zeit die
Evolution zurueckgedreht werden kann
bei der Affenwerdung des Menschen.

Es genuegt nicht, ein Gehirn oder
datenmaschinesisch einen Errorstack
zu haben fuer alle nicht dezentral
klaerbaren Fragen und das,
was nicht dringlich ist.
Dazu gehoeren Betrachtungen,
Erinnerungen und Fragen,
warum denn eine Perle schoen ist
und nach dem Sinn des Lebens,
des Universums und ueberhaupt.

Damit das alles klappt, muss man
das Gehirn jedoch benutzen und trainieren
wie einen Muskel.
Man kann jedoch auch "ohne" leben,
wie eine moderne Ameise, die heute
nicht mehr im Kopf rechnen kann,
sondern Taschenrechner benutzt.

Da stellt sich die Frage,
wie es in der Evolution ueberhaupt
zu Adam gekommen ist und warum:
das Leben und die Fortpflanzung
funktionierte doch schon bei der
Bakterie ohne Maennchen.

Es war professionelle Desinformation
maennlicher Machthaber, das exakte
Gegenteil grob vereinfachter Wahrheit
als Heilslehre zu verkuenden.
Denn evolutionaer entstanden maennliche
Wesen erst nach den weiblichen und das
waere die Geschichte von Evas Rippchen,
aus der Adam entsprang.

Das war den Gemuetern vor 2000 Jahren
schon klar und deshalb gab es eine Art
Ideologie-Update, die Jungfrauengeburt.
Das war zwar etwas Vernuenftiges,
aber wieder fehlte ein wichtiges Detail,
die Datierung.

Denn die Sexualitaet war nicht mit dem
Menschen in die Welt gekommen,
sondern mit der Aufteilung in Geschlechter.
Und die Aufteilung in Geschlechter
entstand durch das erste weibliche Wesen,
das einen maennlichen Nachkommen in die
Welt setzte.
Insofern ist die Jungfrau zum Kind
gekommen wie die Muschel zur Perle:
der erste Junge war eine Art evolutionaerer
Dreck ohne erkennbaren Zweck,
eine Laune von Mutter Natur.

Wenn die komplex gefaltete Erbinformation
nur einen Faktor 1000 hat zwischen Bakterie
und Mensch, dann muss es irgendwie Verfahren
zur Ermoeglichung von Fortschritt gegeben haben.
Dieses Prinzip heißt Chaos und ist maennlich.
Die externe Zufuhr von Information beeinflusst
die gegebene weibliche Erbinformation um einen
nicht berechenbaren Faktor, der der Frau zufaellt,
der Zufall.
Die Kirche machte daraus Brimborium
und nannte es Suendenfall.
Dabei hat die Natur es so eingerichtet,
dass es mit Lust verbunden ist und Freude bereitet.

"Und er erkannte sein Weib" wird Sex kryptisch
in der Bibel umschrieben.
Die alten Aegypter verwandten einen Begriff
in der Art "raunen", was auch eine schoene
Umschreibung fuer den wohl innigsten
kommunikativen Akt ist, den Liebesakt.

Es wird gesagt, dass die Liebe die groesste
Kraft ist und sie ist weiblich.
Herabsetzend heisst es, der aelteste Beruf
der Frau sei die kaeufliche Liebe.
Zumindest im roemischen Abendland gibt
es auch einen aeltesten Beruf des Mannes.
Das erste roemische Geldstueck war der solidus.
Und so entstand der Soldat mit dem Beruf:
kaeuflicher Hass. Das kann man begreifen
und dem sich verweigern:
Frieden schaffen ohne Waffen.

Man kann Erkenntnis nicht anschalten wie
einen Lichtschalter, aber ich hoffe, ein paar
Denkanstoessigkeiten gegeben zu haben.
Denken ist schmutzig, bleibt schmutzig,
macht schmutzig.
Die Perle ist die verpackte Version von
Dreck und das Internet der Platz,
um sie vor die Saeue zu werfen.

Und jetzt einen schoenen Apfel essen,
mit der Liebe einer Schlange.
Besser noch eine saftige frische Feige
beim Kuessen tauschen, denn vielleicht
war es gar kein Apfelbaum.
Prost Mahlzeit.
Heil Eris.

Pfotennoten
(1) Thread zu Nerven/Muskelfasern Mai/Juni
1998 in de.sci.electronics

evatheo.txt 0.03

--
Mir scheint, als wuerde $cientology nach einer Weile dafuer
sorgen, dass man nur noch im Moment, aber nicht mehr
in der Zeit denken kann. (1998-03-05 fido.ger.hardware,
Re: Frequently Avoided Questions, Reflexions)