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SZ



Hi,

FYI, SZ vom 24.08.98

\Thomas\bye

   
   _Interview mit Präsident Roland Koller zur Kriminalität in den
   internationalen Computernetzen _
   
Münchner Polizei empfiehlt sich als Internet-FBI

   _Langjährige Erfahrung und Erfolge als Referenz vorzuweisen /
   Bundesländer müßten sich finanziell beteiligen _
   
   Das Internet ist ein gefragtes und zukunftsorientiertes Medium. Es
   darf aber nicht zum rechtsfreien Raum für Kriminelle werden. Die
   Aufdeckung des Kinderpornoringes in Zandvoort hat in dieser Beziehung
   nur die Spitze des Eisberges sichtbar gemacht. Münchens
   Polizeipräsident Roland Koller kann sich vorstellen, sein
   Spezial-Kommissariat 343 zu einer Art Bundespolizei für die Jagd auf
   Internet-Gangster zu machen.
   
   SZ: Das Internet ist ein neues Kommunikationsmedium, das sich geradezu
   rasant entwickelt. Die Polizei hat da nicht bremsend einzugreifen
   – ganz abgesehen davon, daß sich die Ordnungshüter damit
   überheben würden . . .
   
   Koller: . . . aber, wie andere Medien auch, wird das Internet für
   kriminelle Handlungen mißbraucht. Hier hat die Polizei einzuschreiten.
   Sie muß sofort damit beginnen und kann nicht abwarten, obwohl viele
   rechtliche und faktische Fragen noch ungelöst sind und immer wieder
   neue auftauchen.
   
   SZ: Das Polizeipräsidium München hat die Gefahrenseite dieses Mediums
   sehr früh erkannt und kann schon achtbare Erfolge vorweisen.
   
   Koller: Bereits 1989 regten wir die zentrale Auswertung des damaligen
   btx-Systems auf Kinderpornographie an und waren dann maßgeblich an der
   Planung eines Pilotprojektes für verdachts- beziehungsweise
   anlaßunabhängige Recherchen beteiligt, das im Auftrag des bayerischen
   Innenministeriums gemeinsam mit dem LKA durchgeführt wird. Bayern hat
   damit als einziges Bundesland auf diesem Sektor konkrete polizeiliche
   Maßnahmen und Ergebnisse vorzuweisen.
   
   SZ: Wievielen Tätern konnten sie schon mit der Maus auf die Spur
   kommen?
   
   Koller: In rund 600 Fällen haben unsere Beamten Ermittlungen
   eingeleitet – zum größten Teil ging es um Pornographie, auch mit
   Tieren, insbesondere aber um Kinderpornos. Wir stoßen natürlich auch
   auf andere Straftaten, etwa die Verbreitung extremistischen
   Gedankenguts, Glücksspiel, Waffen- und Rauschgifthandel.
   
   SZ: Sind ihre Beamten speziell ausgebildet oder autodidaktische
   Seiteneinsteiger?
   
   Koller: 2000 Stunden Recherche und 358 Ermittlungsverfahren allein im
   letzten Jahr haben unsere Leute zu Internet-Experten gemacht. Wegen
   unserer Vorreiterstellung auf diesem Gebiet werden unsere Beamten
   national und international für Fachfragen herangezogen und sind auch
   als Referenten sehr gefragt. Der Leiter des Kommissariats 343 und sein
   Stellvertreter haben außerdem in ihrer Freizeit ein Fernstudium für
   Informatik und Kommunikation an der TU Chemnitz erfolgreich
   absolviert. Vor kurzem haben sie ihre Anerkennung als polizeiliche
   EDV-Sachverständige beantragt, weil sie dann ihr Expertenwissen auch
   als Gutachter vor Gericht einbringen können. Vergleichbare
   fachspezifische Erfahrungen dürften Sie derzeit bei kaum einer anderen
   Polizeidienststelle vorfinden.
   
   SZ: Bei so viel Fachkompetenz würde es sich doch anbieten, daß das
   Polizeipräsidium München die Funktion einer zentralen
   Auswertungsstelle übernimmt. Denn müßten Dienststellen mehr oder
   weniger auf eigene Faust und unkoordiniert durch das World Wide Web
   jagen, könnte es doch leicht passieren, daß Beamte, ohne von einander
   zu ahnen, an ein und demselben Fall recherchieren?
   
   Koller: Ganz klar, es besteht ein Bedürfnis nach zentraler
   ,Surfarbeit’. Die Ermittlungen an Ort und Stelle müssen dann
   selbstverständlich wieder weitgehend dezentral durchgeführt werden.
   Aber es gilt, Maßnahmen diverser Polizeibehörden in denselben Fällen
   zu verhindern beziehungsweise zu koordinieren. Für die zentrale
   Kriminalitätsbekämpfung bestehen jedoch gesetzliche
   Zuständigkeitszuweisungen für das Bundeskriminalamt und die
   Landeskriminalämter. Erforderliche Organisationsänderungen dieser
   Größenordnung liegen in den Händen der politischen
   Entscheidungsträger. Zudem hätten wir noch einiges mehr an Personal
   und Ausstattung in unsere Dienststelle zu investieren. Eine bundesweit
   zuständige Dienststelle müßte wohl auch teilweise von den anderen
   Bundesländern mitfinanziert werden. Um Ihre Frage konkret zu
   beantworten: Ja, wir würden so eine Zentralfunktion bei entsprechender
   ,Aufrüstung’ als Herausforderung sehen und keinesfalls ablehnen.
   
   ––––––&#15 ––
   
   Interview: Ekkehard Müller-Jentsch
   
   Photo: Andreas Heddergott / SV-Archiv
   
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   23.08.98 um 19:58 Uhr erstellt. SZonNet 3.1
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