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Re: Nochmal "oeffentlich"/"privat".........




Adrian: 
> On Mon, 7 Sep 1998, Holger Veit wrote:
> 
> > Es ist, sowohl bei BILD als
> > auch der Schuelerzeitung, die Moeglichkeit, dass jeder prinzipiell Zugang 
> > hat, das Entscheidende.
> 
> Soweit einverstanden.
> 
> > Das gleiche gilt fuer den Mensa-Talk.
> 
> Nein, da besteht ein Unterschied. Beim Mensa-Talk werfe ich einen kurzen
> Blick in die Runde und weiss dann, wer potentieller Mithoerer ist und wer
> nicht. Bei einer Veroeffentlichung in der Zeitung weiss ich das von
> vornherein nicht.
>
> Die Tatsache, dass Mithoerer beim Mensa-Talk dies ja weitererzaehlen
> koennen, zaehlt IMHO nicht, denn dabei handelt es sich grundsaetzlich um
> eine neue Veroeffentlicheung. Etwa so, wie wenn jemand in der Firma etwas

Weisst Du, ob da am Nachbartisch jemand, den Du nicht kennst, in Stasi-Manier
mithoert? Der Kreis ist kleiner, aber Du kannst im Prinzip nicht aus-
schliessen, dass jemand, von dem Du nicht moechtest, dass er das mitbekommt,
davon doch, vielleicht ueber 27 Ecken, was erfaehrt. Nichts verbreitet sich
bekanntlich so schnell wie ein Geruecht. Das macht bereits den Charakter
"oeffentlich". Hingegen: solange meine Angebetete meinen Liebesbrief nicht
weitergibt, bleibt das eine Sache zwischen zwei Personen. Wenn nicht:
der Verb "veroeffentlichen" gibt bereits an, was passiert. Das geht mit
demselben Informationsobjekt nur einmal - danach ist es oeffentlich, und 
nicht viertel-oeffentlich, 5/8-oeffentlich, etc. Ich klammere bewusst die
Redewendung "halboeffentlich" aus: das ist ein Stilmittel zur Aufwertung
der Informationsqualitaet: "das ist wahr, aber sage es bitte nicht weiter" -
wieder der Mechanismus, um Geruechte zu lancieren.

Den Schlenker "Neue Veroeffentlichung" lasse ich nicht gelten. Wenn ich
jemandem erzaehle, dass in der Bildzeitung eine Aussage gemacht wurde,
ist das Second-Hand-Information, die vielleicht von mir verfaelscht 
wiedergegeben wurde, aber sie immer noch den urspruenglichen Kern in sich.

> ans interne schwarze Brett haengt (=eingeschraenkte Oeffentlichkeit) und

Wenn das Brett nicht in gerade Fort Knox haengt, dann ist es oeffentlich.
Du vergisst den Wert der Information dabei. Wieder Schuelerzeitung: davon
werden ein paar 100 Exemplare gedruckt, die dann z.B. in irgendeiner Pause
auf dem Schulhof verkauft werden. Wenn fuer mich die dort vermittelte
Information hinreichend wertvoll ist, dann werde ich auch tagelang um die
Schule herumlungern, bis ich an das Objekt der Begierde herankomme. Oder
wenn die Information am Schwarzen Brett von Daimler-Benz so wichtig ist,
werde ich auch nachts in das bewachte Gelaende eindringen. 

Nur: in den weitaus meisten Faellen ist der Aufwand der Informations-
beschaffung wesentlich hoeher als der potentielle Nutzen. Das ist genau-
genommen auch der Witz bei der ganzen Kryptographie. Ein PGP-Paket, 
welches ueber 20 hops durch das Internet wandert, ist quasi - im Kontrast 
zum zweiten 'P' im Namen - oeffentlich; allerdings ist der Aufwand, an die
enthaltene Nutzinformation zu gelangen, unangemessen hoch. 

Dazu kommt sogar noch, dass man nicht von vorneherein auf den vorhandenen 
Informationsgehalt schliessen kann. Der herrlich parfumierte Liebesbrief,
wo ich nur den blassrosa Umschlag gesehen habe, kann eine Ode enthalten,
aber auch eine getarnte Aufforderung zum Bankraub an meine Komplizin 
(auch dieser Text hier enthaelt einige Schluesselworte, ueber die dejanews 
mich problemlos in die Terroristenschublade einsortieren kann - das geht
vom Kontext jedoch voll in die Hose - eine Informationsfalle).

Damit stellt sich aber Privat vs Oeffentlich wie folgt dar: private Kommuni-
kation richtet sich an spezifische, vorher festgelegte Empfaenger und benutzt
einen Informationskanal, der abhaengig vom Wert der Information, hinreichend
abhoersicher ist. Alles andere ist oeffentlich, oder wird dadurch oeffentlich,
dass sich der Absender nicht hinreichend um die Einschraenkung der Empfaenger
kuemmert, bewusst oder unwissend einen ungeeigneten Kanal benutzt, oder 
der Wert der Information gering ist oder vom Absender (vielleicht auch nur
faelschlich) als gering eingeschaetzt wurde. Veroeffentlichen ist dann eine
Neubewertung der Informations: der Veroeffentlichende besitzt eine
unterschiedliche Auffassung ueber die Empfaenger, den Kanal oder den 
Informationswert. Das bedeutet aber nicht, dass der Informationsgehalt selbst
(etwa seine Entropie) sich veraendert.

> ein anderer das dann in einem allgemein zugaenglichen Medium
> veroeffentlicht.

-- 
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