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Re: [FYI] Prozessbericht aus Oesterreich



On 14 Sep 98 at 20:17, I wrote:

> http://www.derstandard.at/Aktuell/article1.asp?9506
> 
>      Kinderporno-Prozeß gegen Provider vertagt 
> 
>      Angeklagte bestreiten schuldhaftes Verhalten 


Siehe dazu auch z.B:

http://www1.oon.at:81/public/wrapper/dcaktuellln.html?query=-shlyc:cli
ent/online/ooen/text/online/j1998/m09/t14/003800.dcs

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Grenzen für das Internet

Provider-Prozeß wirft alte Anarchie-Frage neu auf

Seit das Internet mit steigender PC-Dichte in den Haushalten zu einem
vieldiskutierten Thema geworden ist, empfinden viele beim Gedanken an
die weltweiten Datenströme auch ein diffuses, schwer in Worte faßbares
Unbehagen: Darf denn das sein, daß hier völlig unkontrolliert weltweit
praktisch alles verbreitet werden kann?

Im Wiener Prozeß geht es - siehe Bericht auf Seite 18 - um zwei
Aspekte der Internet-Nutzung. Einmal die Seite der Dienstleister, die
im Netz kostenpflichtig Inhalte anbieten und dafür auch verantwortlich
sind. Zum anderen die Seite der Provider, die lediglich die technische
Infrastruktur für das Netz zur Verfügung stellen.

Damit sind aber nur zwei kleine Segmente des Internet erfaßt: Wer
sollte zum Beispiel in den unendlich vielen Diskussionsforen, in
Newsgroups oder in den Abermillionen privater Homepages nach
strafbaren Inhalten suchen?

Sogar die Sexaffäre von US-Präsident Clinton rückt das Internet in den
Mittelpunkt des Interesses: Welchen Sinn hat es, die intimen
Ermittlungsberichte weltweit offenzulegen? Wohl nur den, noch größeren
Schaden durch eine Welle wilder Gerüchte und Fälschungen zu
verhindern, indem man gleich mit einem eigentlich vertraulichen
Prozeßakt herausrückt.

Mit den bisher gängigen Methoden von Polizei und Justiz oder auch nur
mit Rechtsmitteln wie Klagen oder Einstweiligen Verfügungen ist dem
Internet nicht beizukommen: Inhalte können unter falschen
Quellenangaben veröffentlicht werden oder auf Umwegen, die ein
Aufspüren des Urhebers praktisch unmöglich machen. Wüste
Beschimpfungen, Verschwörungstheorien oder auch "nur" schmutzige
Kinderpornos können im einen Moment dasein, im nächsten wieder
gelöscht, nur um unter einer anderen Adresse wieder aufzutauchen.

Es hat auch aus diesem Grund wenig Sinn, die Provider für das bloße
Weiterleiten von Information haftbar zu machen: Sie könnten nie alle
Inhalte erfassen, die über ihre Rechner gehen - geschweige denn darauf
reagieren oder eine qualitative Auslese treffen. Sehr viel besser
macht sich dagegen der Ansatz, an das ethische Bewußtsein der
Internet-Nutzer selbst zu appellieren und auf diesem Weg zum Beispiel
Jagd auf Kinderpornoanbieter zu machen: Dieser Weg wird von der
Exekutive bereits mit Erfolg begangen. Dem Internet aber so etwas wie
Vorschriften aufzwingen zu wollen, wäre illusorisch: Wo ein
Zugriffscode, da auch ein Hacker, der ihn binnen 24 Stunden knackt.

Auch noch aus anderen Gründen spießt es sich mit gängigen Regulativen:
Eine ernsthaft weltweit angelegte Internet-Überwachungsbehörde wäre im
Handumdrehen durch die Kontrolle von Informationsströmen ein so
mächtiger Apparat, daß George Orwells "Big Brother" daneben wie ein
Gartenzwerg aussehen würde. Bei verbreiteter Nutzung des Internets für
Bankgeschäfte oder private Korrespondenz wäre der "gläserne Mensch"
Realität.

Man sollte sich daher damit zufriedengeben, einen akzeptablen
Sicherheitsstandard für vertrauliche Dokumente und den elektronischen
Zahlungsverkehr zu etablieren und tolerieren, daß der Rest des Net
sich unserer Regulierungswut entzieht.  

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Dazu auch:

  http://www.diepresse.at/aktuell/wienjournal-0.html

  http://DerStandard.at/19980915/59.htm

  http://DerStandard.at/19980915/63.htm