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Re: [FYI] Der Kinderschutzbund vermeldet und fordert



> In schulung.lists.fitug-debate you write:
> >In diesem Punkt muss ich Dir widersprechen. Der WMF-Laden schliesst mit
> >dem Kunden einen Kaufvertrag. Dieser wird mit gegenseitiger Uebergabe
> >von Geld und Ware erfuellt und fertig.

Es waere uebrigens auch nicht gegen die Prinzipien des Datenschutzes, wenn
jeder Verkaeufer von Schusswaffen alle Kauefer registrieren und das
Register fuer eventuelle vom Ermittlungsrichter angeordnete polizieilichen
Einsichtnahmen bereithalten muesste. 
 
> Genau das tue ich auch, wenn ich mir eine barbezahlte
> Prepaid-Karte fuer ein Handy oder einen Baraccount bei einem
> Provider hole. Und wenn ich auf der CeBit eine Telefonkarte oder
> eine AOL-CD geschenkt bekomme, befinde ich mich jeweils in genau
> derselben Situation. Es besteht faktisch kein Unterschied - ich
> koennte die Telefonkarte auch benutzen, um "Die Aerzte - live"
> zu spielen ("2000 Maedchen, ich ruf sie an..."), so wie ich
> anders herum einen Baraccount bei einem Provider oder einen
> AOL-Bierdeckel vollkommen legal nutzen kann. Tatsaechlich tut
> dies die ueberwiegende Mehrheit der Nutzer auch.

Der Vergleich stimmt.  Der derzeitige weitverbreitete Eindruck ist jedoch,
dass das Internet dem Missbraucher so viele Moeglichkeiten bietet, dass
die Strafverfolger fuer sich auch mehr Moeglichkeiten fordern zu muessen
glauben.
 
> Und wie Du selbst schreibst, handelt es sich bei den veruebten
> Delikten weitaus ueberwiegend um "Spam und andere Formen" der
> Belaestigung und nicht um schwere Verbrechen. Es gibt wenig
> Grund, hier grundsaetzliche Dinge wie das Recht auf Anonymitaet
> auszuhebeln, wenn es auch andere Mittel und Wege gibt, wie man
> dem Problem beikommen kann. Gerade Spam zum Beispiel macht nur
> Sinn, wenn darin fuer jemanden oder in jemandes Auftrag geworben
> wird. Es reicht also aus, Spam zu verbieten oder auch nur
> abmahnbar zu machen; den Rest besorgt Gravenreuth oder ein
> anderer aus seiner Zunft...

Das funktioniert bisher in der Praxis so nicht, und auch in der Theorie
faellt es mir schwer zu verstehen, wie man eine Firma belangen soll,
fuer die anonyme Spammer werben und die behauptet, nie etwas davon gewusst
zu haben.  Vielleicht wollen die Spammer ja absichtlich diese Firma in
Schwierigkeiten bringen.  Man kann also nicht den Nutzniesser der Handlung
verurteilen, ohne zu beweisen, dass er auch verantwortlich ist.

> Das ist eine Ansicht, die in dem derzeitigen politischen Klima
> illusorisch ist. Alle grossen Parteien haben in Deutschland
> derzeit ein gestoertes Verhaeltnis zu den Grund- und
> Freiheitsrechten und fahren Salamitaktik. Wenn Daten anfallen,
> ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie im Rahmen populistischen
> Aktionismus zu ganz anderen Zwecken weiterverwendet werden. Wenn
> Verantwortlichkeiten konstruierbar sind, ist es nur eine Frage
> der Zeit, bis sie im Rahmen desselben Populismus gesetzlich
> verpflichtend werden... Eine Politik zu fahren, die der
> technisch rueckstaendigen, politisch gerade abtretenden
> Nachkriegsgeneration hier noch Ansatzpunkte gibt, ist
> strategisch falsch, weil dadurch Schaeden entstehen, die auch
> mit drei oder vier folgenden Legislaturperioden sinnvoller
> Gesetzgebung nicht korrigierbar sind.

M.a.W. man kann im Moment nur eine Blockierpolitik versuchen, da sowieso
keine vernuenftige Reform moeglich ist.   Bloss keine Bewegung zulassen,
denn die geht sowieso in die falsche Richtung?

Mein Eindruck ist auch, dass in der juengeren, nur teilweise technisch
versierteren Generation, es an Erfahrung Urteilsvermoegen in Fragen des
Rechts und des Funktionierens von Institutionen mangelt, so dass oft
uebertriebene Aengste verbreitet werden. 

> Ich fordere keine totale Anoymitaet. Ich forder die Moeglichkeit
> des anonymen Zugangs zur Nutzung von Diensten des taeglichen
> Lebens zur Erhaltung von gesellschaftlichen Freiraeumen und zur
> Herstellung eines psychologisch lebensnotwendigen Klimas der
> Unbeobachtetheit. Dazu gehoert das Bezahlen mit Bargeld genauso
> wie das Telefonieren mit Muenzen oder Prepaid-Karten und eben
> auch die Netznutzung mit Prepaid-Accounts. Und dazu gehoert,
> dass der dieser Staat hier endlich seinen Vaterkomplex
> bewaeltigt, den er seit der RAF (*1) staendig staerker werdend
> mit sich herumtraegt.

Es geht also um das Gefuehl der Sicherheit, nicht von allen moeglichen
neugierigen Beamtenaugen beobachtet zu werden.  Die bisherige
Rechtsordnung sorgt dafuer, dass sie Telefonabhoeren, Hausdurchsuchungen
(und vermutlich auch dem Abruf von Logdateien) einige behoerdliche
Hindernisse in den Weg legt: Strafanzeige, Annahme durch
Staatsanwalt, Ermittlungsverfahren, Beschluss des Ermittlungsrichters usw
mit diversen Anfechtungsmoeglichkeiten.  Etwas besseres hat auch die
junge Generation nicht.  Anarchie bringt nicht ein besseres Gefuehl
der Sicherheit.

--
Hartmut Pilch <phm@a2e.de>
a2e Ostasien-Sprachendienste Pilch, Wang, Fujita & Co
Bessere Kommunikation dank Sprachenvielfalt
http://www.a2e.de/oas/, Tel +49891278960-8