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Wassenaar-Presseerklaerung des FITUG eV



Ansprechpartner:                                       BONN/Saarbrücken,
8.12.1998
- Thomas Roessler <roessler@guug.de>
- Rigo Wenning <rigo@fitug.de>




	       FITUG: Beschränkung von Kryptoexporten
		       sinnlos und gefährlich



Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) wendet
sich gegen sinnlose und gefährliche Beschränkungen des Exports von
kryptographischer Software.

Laut einer Pressemitteilung des amerikanischen
Krypto-Sonderbotschafters David Aaron ist bei den Verhandlungen der
33 Teilnehmerstaaten zum Wassenaar-Übereinkommen Einigung darüber
erzielt worden, kryptographische Produkte mit einer Schlüssellänge
von über 64 Bit (symmetrisch) einer Exportkontrolle zu unterwerfen.

Die praktische Umsetzung dieser Exportkontrollen in nationalen
Regelungen darf nicht dazu führen, daß die europäischen Staaten und
insbesondere die Bundesrepublik Deutschland Exportbeschränkungen
ähnlich denen einführen, die in den Vereinigten Staaten in Kraft
sind.


Beschränkungen der Exportierbarkeit kryptographischer
Massenmarktsoftware fordern einen hohen Preis: Die Verteilung
derartiger Software per Internet auch im Inland würde eingeschränkt.
Der weltweite Einsatz offener Standards zur Datenverschlüsselung und
Authentitätssicherung würde verzögert und erschwert.  In der
Konsequenz beschneiden jegliche Beschränkungen des freien,
weltweiten Zugangs zu Verschlüsselungssoftware die Möglichkeiten des
Bürgers, seine Privatsphäre zu schützen.  Die Kommunikation des
gesetzestreuen Bürgers wird schutzlos den Abhörbegehrlichkeiten der
Dienste "befreundeter Staaten" wie auch den Angriffen krimineller
Organisationen ausgeliefert.

Diesem Preis steht keinerlei Nutzen gegenüber:  Den Zugriff
verbrecherischer Staaten auf Verschlüsselungstechnologien dadurch
einschränken zu wollen, daß die Exportierbarkeit von frei
kopierbarer oder frei verkäuflicher Software eingeschränkt wird,
grenzt ans Lächerliche.  Gleiches gilt für verbrecherische
Organisationen gleich welcher Couleur, die sich durch staatliche
Beschränkungen sicherlich nicht davon werden abhalten lassen, starke
kryptographische Verfahren zum Schutze ihrer Kommunikationswege zu
nutzen.

Im Ergebnis führt jede Beschränkung des Zugangs zu kryptographischer
Software für Endnutzer zum gleichen Ergebnis: Der Schutz von
Telekommunikation gegen Lauscher wird zum Privileg Krimineller, der
rechtschaffene Bürger wird der Datensammelwut schutzlos
ausgeliefert.

Angesichts einer solchen Entwicklung verkäme der hochgelobte
Datenschutz europäischer Prägung zu seiner eigenen Karikatur.


Wie Mosaiksteine passen die verschiedenen Aktivitäten der jüngsten
Zeit zusammen: Zu den Exportrestriktionen, die auch eine interne
Verteilung hindern, kommt die Forderung der "ermächtigten Behörden",
also von Polizei und Geheimdiensten, nach einer möglichst leichten
und umfassenden Ürwachung der Kommunikation. 

Zu einer heftigen Kontroverse innerhalb des Europaparlaments führte
die Aufdeckung von Überwachungseinrichtungen, die von den USA und
Großbritannien unter dem Namen ECHELON einerseits und von Frankreich
andererseits betrieben werden. Diese Einrichtungen dienen der
Totalüberwachung jeglicher satellitengestüzter Kommunikation und
praktisch des gesamten Internetverkehrs.

Bei diesen Aktivitäten geht es nicht nur um gerichtlich genehmigte
Überwachungsmaßnahmen, sondern um eine Totalüberwachung jeglicher
Kommunikation durch Geheimdienste.

Es ist nicht verwunderlich, daß die Vereinigten Staaten,
Großbritannien und Frankreich als Nutznießer dieser Systeme Motor
einer Behinderung von Verschlüsselung sind.


Das Bundesverfassungsgericht spricht im Volkszählungsurteil von
einer Gefahr für die Demokratie, wenn niemand mehr sich äußern kann,
weil er letztlich nicht mehr weiß, was über ihn gespeichert ist, und
Repressalien fürchtet. Zukünftig braucht man sich vielleicht keine
Sorgen mehr zu machen: Jedes Telefonat, jede E-Mail und jede
elektronisch übertragene Information könnte staatlichen Stellen zur
Verfügung stehen.

Der FITUG e.V. fordert daher die Bundesregierung und alle
Datenschützer auf, sich der öffentlichen Diskussion zu stellen und
von einer "amerikanischen" Lösung der Kryptofrage Abstand zu nehmen.


			     Über FITUG

Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft FITUG e. V.
(FITUG) schafft Verbindungen zur virtuellen Welt der Neuen Medien
und der Datennetze. In unserer Satzung heißt es dazu: "Zwecke des
Vereins sind die Förderung der Integration der neuen Medien in die
Gesellschaft, die Aufklärung über Techniken, Risiken und Gefahren
dieser Medien, sowie die Wahrung der Menschenrechte und der
Verbraucherschutz in Computernetzen. Durch die genannten Zwecke
sollen Kultur, Bildung und Wissenschaft gefördert werden."



			     Hintergrund

- Zu FITUG: http://www.fitug.de/

- Erklärung der Global Internet Liberty Campaign (GILC) zum
  Wassenaar-Abkommen:
  http://www.gilc.nl/crypto/wassenaar/gilc-statement-998.html

- Zur Electronic Frontiers Foundation und der Schwäche von 56 Bit
  DES: http://www.eff.org/pub/Privacy/Crypto_misc/DESCracker/

- Zur US-amerikanischen Krypto-Exportpolitik:
  http://www.bxa.doc.gov/Encryption/EncrypolicyUpdate.htm

- Der Bericht des Europäischen Parlaments zu den
  Überwachungsaktivitäten der USA und anderer Staaten:
  http://www.europarl.eu.int/dg4/stoa/de/publi/166499/execsum.htm

- Zu den Begehrlichkeiten der europäischen Sicherheitsbehörden in
  Sachen Fernmeldeüberwachung:
  http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/default.html