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Re: [FYI] UNESCO: Provider sollen zensurieren



Djenia:
> On Thu, 21 Jan 1999, Holger Veit wrote:
> 
> > > Uebrigens: auch viele Porno-Bilder entstehen unter sehr dubiosen
> > > Umstaenden.  Rotlichtviertel sind bekanntlich Brutstaetten fuer mehr als
> > > nur ein paar Bilder.  Die liberale Antwort darauf heisst dennoch:  nichts
> > > verbieten, solange nicht Verbrechen von Individuen an Individuen im aller
> > > engsten Sinne nachzuweisen sind.
> > 
> > Unsere Gesellschaft geht von der Idee des Erwachsenen Menschen aus, d.h.
> > einer Person, die in der Lage ist, *eigenverantwortlich* zu handeln, und
> > ueber eigene Belange entscheiden zu koennen. Wer im Rotlichtviertel arbeitet,
> >
> 
> Nach dieser Theorie sollte sich jeder in unserer Gesellschaft der
> Konsequenzen seines Handelns bewußt sein und folglich von moralisch,
> ethisch und gesetzlich falschen Taten Abstand nehmen. Soweit die Theorie
> leben wir doch in einer perfekten Gesellschaft, denn jeder tut das, was er
> verantworten kann und nur das. Etwas "falsches" tut man, nimmt
> aber die Konsequenzen eben mit diesem Bewußtsein in Kauf, meldet sich
> selbst bei der Polizei an und weiß, daß man etwas "falsches" getan hat.
> Dann wäre solch eine Diskussion garnicht nötig.

Das ist eine verzerrte Utopie, die nicht weiterhilft und die auch niemand
so uebertrieben betrachtet; das ist gleich das andere Extrem. Gesellschaft-
liche Konventionen, Regeln, Gesetze, Traditionen, etc. sind bereits 
der implizite Umgang mit der Nichtperfektheit der Mitglieder der Gruppe.
Worueber wir hier debattieren, ist der Grad der Unperfektheit, bezogen
auf eine konkrete Situation. Wie viele Menschen sind nach Erreichen
der Volljaehrigkeit denn i.S. obiger Vorstellung denn *in jeder Beziehung*
"erwachsen"? Wieviele werden es ihr Leben lang nicht? Und wir sprechen in
jedem Falle von statistischen Aussagen. Wenn man etwa ein missbrauchtes
Kind herbeizitiert, welches nach allen Regeln der Kunst psychoanalytisch
ausgewertet, keinerlei Fehlverhalten aufweist - mag durchaus vorkommen -
dann darf man dabei noch lange nicht die Verallgemeinerung treffen, dass
dies immer und ueberall so gilt. Ebensowenig taugt eine einzelne arme, 
verpruegelte, zur Prostitution gezwungene Frau als Gegenbeispiel dafuer,
dass im Rotlichtmilieu nicht doch sowohl Freier als auch Huren durchaus
wissen, was sie da in vollem Bewusstsein treiben (irgendwie ist der
letzte Satz sprachlich verkorkst, aber der Sinn sollte klar sein <g>).

> Da aber der Gesetzgeber gerade in den Mediengesetzen nicht von einem
> Erwachsenen Menschen ausgeht sondern von Menschen, die nicht im Klaren
> sind, was sie tun, humpelt deine Begründung stark. Wofür wäre sonst der
> Präzedenzfall CompuServe gewesen, wo doch jeder weiß, was er tut und es
> auch selbst verantwortet. Wofür brauchen wir dann Zensur ? 

Der Fall Compuserve ist nur deswegen ein Fall geworden, weil da die radikale
Weltanschauung eines egoistischen Weltverbesserers publikumswirksam
ein Exempel statuieren wollte.

> Die Begründung des "Jugenschutzes" humpelt auch an einer wichtigen Stelle,
> und zwar: Wenn die Erwachsenen "Eigenverantwortlich" handeln, dann
> erziehen sie ihre Kinder so, daß diese keinen Jugendschutz durch Staat 
> mehr brauchen und schon früh selbst eigenverantwortlich handeln. 

ACK.

> Folglich - Unsere Gesellschaft geht davon aus, daß die Bürger sich zwar
> "Erwachsen" und "eigenverantwortlich" fühlen dürfen, dieser
> "eigenverantwortlichkeit" aber trotzdem per Gesetz nachgeholfen wird - zur
> Sicherheit. Damit die Eigenverantwortlichen Erwachsenen auch bloß nichts
> falsch machen. Das erinnert mich an Kindergarten ;)

s.o. Gesellschaftliche Normen muessen permanent an die Gesellschaft
angepasst werden. Dass dieses diametral entgegengesetzt laeuft zum Versuch,
andererseits etwas wie Sicherheit und Verlaesslichkeit - etwa Rechtssicherheit
- zu schaffen, fuehrt genau zu dem Interessenkonflikt, den Du beobachtest.

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