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Re: [FYI] UNESCO: Provider sollen zensurieren



On Fri, 22 Jan 1999, Boris Groendahl wrote:

> >Meistens legitimiert sich ein Gesellschaftssystem durch seinen
> >organisatorischen Erfolg.
> 
> Eine Sichtweise wird durch Erfolg legitim? Finde ich nicht. Der Erfolg
> mag ein notwendiges Kriterium fuer Legitimitaet sein, ein hinreichendes
> ist er ganz Gewiss nicht. 

Wenn man Erfolg sehr weit auslegt, so dass nicht nur leicht messbare
Indikatoren wie das Bruttosozialprodukt sondern auch Glueck und
Schaffenskraft der Menschen darunter zu verstehen ist, dann vielleicht
doch.  Natuerlich wird man sich dann nicht so schnell einigen koennen.
 
> >Ihre Mentoren, die chinesischen
> >Kommunisten, haben immerhin, aehnlich wie die Taliban und die Vietkong,
> 
 
> Wie kannst Du die Taliban und die chinesischen oder vietnamesischen
> Kommunisten miteinander vergleichen? 

Ich weiss zu wenig ueber die Taliban.  Immerhin glaube ich, dass die
Ideologien auswechselbar sind.  Lenin haette vermutlich den Koran
geschwenkt, wenn er auf anderem Boden zu anderer Zeit operiert haette.
Auch die Erfolge der Ideologien haengen von anderen Faktoren ab als von
denen, die im Buch stehen:  naemlich die, ob die Ideologie zur gegebenen
Zeit praktische Probleme loest wie z.B. die Einigung eines
geschwaechten Landes, die Aktivierung der Unterschicht etc. 

> >eigentlich nicht zu kritisieren ist, so z.B. harsche Mittel bei der
> >Kriminalitaetsbekaempfung.
> 
> Wieso sind sog. "harsche Mittel bei der Kriminalitaetsbekaempfung" nicht
> zu kritisieren? Wer sagt das? 

In einer hochentwickelten zivilen Gesellschaft genuegen schwache Mittel. 
In einem Land, wo die meisten Leute materiell wenig zu verlieren haben und
dazu von einer rauhen Lebenseinstellung gepraegt sind, die sie schnell zu
Raeubern werden laesst, sind staerkere Mittel geboten.  Das muss
vielleicht nicht die Todesstrafe sein.  Aber ich bin froh, dass ich die
Situation wie etwa im Nordosten oder Nordwesten Chinas nicht in den Griff
kriegen muss.  Was passieren kann, wenn gutmuetige Politiker das Ruder
fuehren, sieht man an Russland.
  
> >Singapur ist ja gerade deshalb ein Reizwort, weil es organisatorische
> >Erfolge aufzuweisen hat
> 
> Nein, verdammt noch mal. Singapur ist ein Reizwort, weil es Dich wegen
> ein paar Gramm Drogen zum Tode verurteilt und weil Du Deinen Muell nicht
> auf der Strasse fallen lassen darfst! Weil es eine gottverdammte
> Diktatur ist, Pseudoparlament notwithstanding. 

Zumindest geht, wie ich vorher schrieb der Migrationssog nach innen, nicht
von Singapur weg.  Das drueckt Zustimmung aus.
  
Wenn ein armes Land zehn mal so diktatorisch ist wie Singapur, sagt
niemand etwas.  Z.B. zog Mao zu Lebzeiten voellig wenig Kritik und viel
Begeisterung auf sich. Wenn man westliche Kritik vermeiden will, muss man
(a) richtig die Sau rauslassen und dabei die Werte verkuenden, die Westler
gerne hoeren, (b) sein Land arm und uninteressant oder bemitleidenswert
machen.

Singapur fordert die Waechter der Fundamente des westlichen Systems
deshalb zur Kritik raus, weil sein Erfolg Sympathien und damit Zweifel am
eigenen Fundament wecken koennte.

Die meisten Missionare sind sich ihrer Sache unsicher und wollen sich
dadurch bestaetigt sehen, dass sie ein starkes Gegenueber bekehren.

> Was mich nur interessieren wuerde: Warum spricht das jetzt gegen den
> Liberalismus? 
 
Der Missionsdrang spricht gegen die Missionare.
Gegen den Liberalismus in Amerika oder Deutschland spricht nichts, 
zumindest nichts was man in Singapur oder China beobachten koennte.

-- 
Hartmut Pilch
http://www.a2e.de/phm/