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Urheberrecht: Ganz und gar boese?
- To: "'debate@fitug.de'" <debate@fitug.de>
- Subject: Urheberrecht: Ganz und gar boese?
- From: Johannes Ulbricht <Johannes_Ulbricht@csi.com>
- Date: Mon, 10 May 1999 21:45:44 +0200
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Ich habe neulich das Schricker-Gutachten gelesen. Das ist ein Gutachten,
das die Bundesregierung beim Max-Planck-Institut hinsichtlich des
Problemkomplexes Urheberrecht&Internet in Auftrag gegeben hat. Es enthaelt
eigentlich nicht viel ausser einer Darstellung der gegenwaertigen
internationalen Rechtslage und einige sehr vorsichtige Anpassungen. Auf
phantasievolle Weise ueber diese grundsaetzliche Problematik nachzudenken,
verpassen sie. Wahrscheinlich, weil sie so auf ihren Ruf achten muessen,
dass sie keinen Gedanken zuviel riskieren wollen.
Die Urheberrechtler scheinen sich teils selbst in die Rolle der
buerokratischen, phantasielosen Kassenwarte der Geisteswelt zu setzen;
teils werden sie auch von Leuten in diese Rolle gedraengt, die ihr Geld
nicht mit der Herstellung oder dem Vertrieb von Inhalten verdienen und sich
deshalb keine Gedanken ueber Urheberrecht machen moechten.
Schade eigentlich, denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass das
Urheberrecht eine positive gesellschaftliche Funktion haben kann bzw. auch
hat. Die Notwendigkeit des Urheberrechts zu leugnen klingt so schoen
idealistisch, wie die oekonomische Seite der Kunst zu leugnen, und es ist
meiner Meinung nach genauso falsch. Public Enemy schimpfen werbewirksam ein
bisschen drauf, aber ihre neue Platte verschenken sie nicht, sondern
verkaufen sie. Barlow schimpft ein bisschen drauf, aber als ich ihn mal
gesehen habe, wirkte er eigentlich eher wie ein smarter Yuppie, der sich
bei der IT-Industrie beliebt machen will, indem er versucht, die stoerende
Einflussnahme auf die Netzgestaltung durch die Branche der Inhaltsanbieter
abzuwehren, als wie ein idealistischer Revolutionaer.
Die gegenwaertigen Probleme kommen wohl auch daher, dass die Firmen, die
Urheberrechte vermarkten, die Problematik noch nicht durchdacht haben: Sie
denken, dass Lizenzvertraege Papier sind, das man nur im Notfall liest,
wenn irgendwas schiefgelaufen ist. Deshalb trennen sie die
Vertragsgestaltung von der uebrigen Marketingstrategie und machen sich
keine Gedanken darueber, wieviel vom geistigen Eigentum sinnvollerweise in
die Public Domain sollte und was die Kunden sinnvollerweise mit den Werken
machen duerfen sollten, sondern behalten sich "sicherheitshalber" alle
Rechte vor. Das fuehrt zu einem weltfremden und ultrarigiden Urheberrecht,
das nicht gestaltet, sondern nur Risiken verteilt. Recht sollte nicht
Risikovorsorge fuer den Extremfall vor Gericht sein, sondern die
alltaegliche Gestaltung der sozialen Realitaet. Es sollte deshalb nicht nur
in den Haenden von Juristen monopolisiert sein.
Vielleicht sollte man mal eine oeffentliche Datenbank aufziehen, in der
Kuenstler bekannt geben, welchen Teil ihrer Rechte sie frei geben. Koennte
man mit einer xml-Metasprache benutzerfreundlich machen, so dass es z. B.
moeglich wird, ein Bild von einem stuermischen Meer zu suchen,das man
kostenlos auf eine unkommerzielle Webseite tun darf, u. s. w.