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Re: [FYI] Kunstpreis an Linux
- To: "'maro@maroki.netzservice.de'" <maro@maroki.netzservice.de>
- Subject: Re: [FYI] Kunstpreis an Linux
- From: Johannes Ulbricht <Johannes_Ulbricht@csi.com>
- Date: Mon, 7 Jun 1999 08:08:07 +0200
- Cc: "'debate@fitug.de'" <debate@fitug.de>
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
>Oh no. CSCW und CASE, um nur zwei wirkungsmaechtige Technisierungs-
>paradigmen zu nennen, fungieren als Industrialisierungs-Agenten, weil
>sie a) analog dem von der Dampfmaschine angetriebenen
>Transmissionsriemen...
Dein Posting auf Debate fand auch ich toll.
Ich habe es im Zusammenhang mit unserer kurzen Diskussion ueber
Urheberrecht gesehen.
Ich glaube auch, dass es sehr wichtig waere, diese Gedanken bei der
Gestaltung eines zukunftsfaehigen Urheberrechts umzusetzen.
Deshalb finde ich es schade, dass das Urheberrecht derzeit oft ein Werkzeug
in den Haenden kapitalkraeftiger und hierarchisch-zentralistischer
Organisationen ist. Es koennte auch eine andere gesellschaftliche Funktion
haben, schliesslich berechtigt es zunaechst das einzelne Individuum.
Stellen wir uns mal vor, all die Programmierer, die fuer Microsoft
arbeiten, haetten sich genuegend mit Urheberrecht befasst, um auf eine
Gewinnbeteiligung zu pochen und sich nicht mit einem Werklohn gegen
vollstaendige Uebertragung ihrer Rechte abspeisen zu lassen. Stellen wir
uns weiterhin vor, sie haetten nichts dagegen, den Quellcode offenzulegen
und jeden anderen an ihren Projekten mitarbeiten zu lassen. Wenn man ihre
individuelle Leistung noch aus dem grossen Ganzen herausrechnen und als
einzelnes Produkt vermarkten koennte, koennten sie an einer optimalen
Vernetzung mit allen anderen wirtschaftlich nur gewinnen.
Das Ergebnis waere die Aufloesung der zentralistisch-schwerfaelligen
Machtstruktur des Monopolisten. Urheberrecht kann Machtstrukturen auch
aufloesen, nicht nur zementieren, wenn es von den Kreativen selbst genutzt
wird.
Die Fragen, wie individuelle schoepferische Leistungen in der
Informationsgesellschaft bestimmten Schoepfern zugerechnet und voneinander
abgegrenzt werden koennen, ist zugegebenermassen hochkomplex. Sie muss aber
in jedem Fall geloest werden und man sollte ihre Loesung nicht ein paar
Managern und bei grossen Firmen und Gerichten ueberlassen. Denn diese Frage
stellt sich bei Werbung und Open Source ganz genauso: Noch kann Grateful
Dead vielleicht von seinen Konzerten leben und das Urheberrecht ignorieren,
aber spaetestens in fuenf Jahren sind sie klonbar, dann kommen auch sie
nicht um die Problematik herum. Und auch Grateful Dead sind bereits jetzt
darauf angewiesen, den armen Konzertbesucher, der kein Geld hat, draussen
stehen zu lassen, wenn sie mit den Konzertkarten Geld verdienen wollen.
Weniger polemisch: Geistige bzw. kommunikative Prozesse erreichen durch
Urheberrecht eine oekonomische Verbindlichkeit. Diese Verbindlichkeit wirkt
abschreckend. Aber wer diese Verbindlichkeit scheut, wird meiner Meinung
nach leicht ausgebeutet, weil jemand anders seine Werke als Produkt direkt
oder indirekt (z. B. als Preisaufschlag auf Hardware) vermarktet. Besser
finde ich es, ehrlich zu sein und die oekonomische Seite kommunikativer
Prozesse nicht zu leugnen. Das bringt fuer die einzelnen Individuen meiner
Einschaetzung nach mehr Freiheit und mehr "selbstbestimmte Zeit" als ein
ein praktisch undurchfuerbares Heile-Welt-Ideal, in dem alle alles aus
Nettigkeit kostenlos tun (muessen) und von milden Gaben der Maechtigen
("Sponsoring") abhaengig sind. Die Verbindlichkeit holt einen doch
irgendwann wieder ein. Wenn man sich selbststaendig machen will und sich
fragt, was das eigene Produkt ist, das man vermarkten will, oder wenn man
sich fragt, wer sonst noch zur eigenen Firma gehoert und bei der
betriebsinternen Mitbestimmung mitreden darf, z. B.