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Re: [FYI] Kunstpreis an Linux



>Oh no. CSCW und CASE, um nur zwei wirkungsmaechtige Technisierungs-
>paradigmen zu nennen, fungieren als Industrialisierungs-Agenten, weil
>sie a) analog dem von der Dampfmaschine angetriebenen
>Transmissionsriemen...

Dein Posting auf Debate fand auch ich toll.

Ich habe es im Zusammenhang mit unserer kurzen Diskussion ueber 
Urheberrecht gesehen.

Ich glaube auch, dass es sehr wichtig waere, diese Gedanken bei der 
Gestaltung eines zukunftsfaehigen Urheberrechts umzusetzen.

Deshalb finde ich es schade, dass das Urheberrecht derzeit oft ein Werkzeug 
in den Haenden kapitalkraeftiger und hierarchisch-zentralistischer 
Organisationen ist. Es koennte auch eine andere gesellschaftliche Funktion 
haben, schliesslich berechtigt es zunaechst das einzelne Individuum.

Stellen wir uns mal vor, all die Programmierer, die fuer Microsoft 
arbeiten, haetten sich genuegend mit Urheberrecht befasst, um auf eine 
Gewinnbeteiligung zu pochen und sich nicht mit einem Werklohn gegen 
vollstaendige Uebertragung ihrer Rechte abspeisen zu lassen. Stellen wir 
uns weiterhin vor, sie haetten nichts dagegen, den Quellcode offenzulegen 
und jeden anderen an ihren Projekten mitarbeiten zu lassen. Wenn man ihre 
individuelle Leistung noch aus dem grossen Ganzen herausrechnen und als 
einzelnes Produkt vermarkten koennte, koennten sie an einer optimalen 
Vernetzung mit allen anderen wirtschaftlich nur gewinnen.
Das Ergebnis waere die Aufloesung der zentralistisch-schwerfaelligen 
Machtstruktur des Monopolisten. Urheberrecht kann Machtstrukturen auch 
aufloesen, nicht nur zementieren, wenn es von den Kreativen selbst genutzt 
wird.

Die Fragen, wie individuelle schoepferische Leistungen in der 
Informationsgesellschaft bestimmten Schoepfern zugerechnet und voneinander 
abgegrenzt werden koennen, ist zugegebenermassen hochkomplex. Sie muss aber 
in jedem Fall geloest werden und man sollte ihre Loesung nicht ein paar 
Managern und bei grossen Firmen und Gerichten ueberlassen. Denn diese Frage 
stellt sich bei Werbung und Open Source ganz genauso: Noch kann Grateful 
Dead vielleicht von seinen Konzerten leben und das Urheberrecht ignorieren, 
aber spaetestens in fuenf Jahren sind sie klonbar, dann kommen auch sie 
nicht um die Problematik herum. Und auch Grateful Dead sind bereits jetzt 
darauf angewiesen, den armen Konzertbesucher, der kein Geld hat, draussen 
stehen zu lassen, wenn sie mit den Konzertkarten Geld verdienen wollen. 
Weniger polemisch: Geistige bzw. kommunikative Prozesse erreichen durch 
Urheberrecht eine oekonomische Verbindlichkeit. Diese Verbindlichkeit wirkt 
abschreckend. Aber wer diese Verbindlichkeit scheut, wird meiner Meinung 
nach leicht ausgebeutet, weil jemand anders seine Werke als Produkt direkt 
oder indirekt (z. B. als Preisaufschlag auf Hardware) vermarktet. Besser 
finde ich es, ehrlich zu sein und die oekonomische Seite kommunikativer 
Prozesse nicht zu leugnen. Das bringt fuer die einzelnen Individuen meiner 
Einschaetzung nach mehr Freiheit und mehr "selbstbestimmte Zeit" als ein 
ein praktisch undurchfuerbares Heile-Welt-Ideal, in dem alle alles aus 
Nettigkeit kostenlos tun (muessen) und von milden Gaben der Maechtigen 
("Sponsoring") abhaengig sind. Die Verbindlichkeit holt einen doch 
irgendwann wieder ein. Wenn man sich selbststaendig machen will und sich 
fragt, was das eigene Produkt ist, das man vermarkten will, oder wenn man 
sich fragt, wer sonst noch zur eigenen Firma gehoert und bei der 
betriebsinternen Mitbestimmung mitreden darf, z. B.