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Re: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der französischen Sprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



On Fri, Oct 01, 1999 at 02:28:20PM +0200, THOMAS Frank wrote:
> Die Arroganz des Schreibers ist schon erheblich. Als Deutscher, der in
> Frankreich mit Internetfragen beschäftigt ist, erlebe ich, wie hier es nicht
> nötig ist, jede PC- oder Internetangelegenheit in Englisch auszudrücken, um
> zur Szene dazuzugehören.

Das hat mit Szenezugehoerigkeit nichts zu tun, sondern mit einschlaegigen
Begriffsdefinitionen, die dummerweise zunaechst im englischsprachigen
Raum gepraegt wurden. Was angestrebt ist, ist eine Isolation der betroffenen
Population - sie werden zusaetzliche sprachliche Huerden antreffen, wenn
die dortigen Anwender sich aus dem nationalsprachlichen Raum rauswagen -
die geistige Transferleistung, unter einem "Computer" dasselbe zu
verstehen wie der gewohnte "ordinateur" waere noch harmlos; den gesamten
Vorrat an Lehnworten zu verklausulieren ist fast kriminell zu nennen.

> Die Verteidigung der Anwendung der französischen Sprache ist hier keine
> Angelegenheit einer spinnerten Verwaltung, wie der Scheiber unterstellt.

Doch. Dahinter steckt Regulierungswahn bis zur letzten Silbe. Die Sprache,
die ich schreibe und spreche, ist Deutsch, solange sie von einem Grossteil
der deutschsprachigen Menschen prinzipiell verstanden wird. Wenn der Alm-Oehi
noch nie etwas von einem "Browser" gehoert habt, dann wird er genauso-
wenig etwas mit einem eingedeutschten "Navigationsprogramm" oder einer
"Suchmaschine" anfangen koennen. Das ist das Problem jeglicher Fachtermini -
sie werden nicht dadurch ploetzlich verstaendlich - eher im Gegenteil, sie
werden nicht nur redundant, sondern sogar mehrdeutig - dass man sie von einer
Sprache A in eine andere Sprache B uebersetzt.

> Warum sollte man statt gedankenlos browser zu sagen, nicht von

Du unterstellst Gedankenlosigkeit bei der Benutzung von anglistischen
Fachtermini. Das ist gedankenlos.

> Navigationsprogramm sprechen, statt home page nicht von Empfangsseite ?
> Schliesslich spricht man in Deutschland auch von Suchmaschine und nicht von
> search engine ?
> 
> Der Schreiber vergisst, dass wir uns in der Ausbreitungsphase des Internet
> befinden, in der die anfänglich vorherrschenden technikorientierten Nutzer
> mehr und mehr von der Gruppe der Durchschnittsnutzer überflügelt werden (vgl

Das ist richtig, und im gleichen Masse wird sich auch in dieser Gruppe ein
spezifischer Jargon bilden. Der Begriff "Handy", als Paradebeispiel, war
eine praktikable Wortneuschoepfung, mit einem anglistisch modern klingenden
Ypsilon am Ende. Es existiert kein solches englisches Wort; das Analogon
ist "mobile" oder "mobile phone". Genauso wird die Gruppe der Internetbenutzer
sich ihre gruppenspezifische Sprache bilden und diese verwenden, aehnlich
wie junge Generationen ihre eigene Jugendsprache haben. Wenn das Ding zum
Finden von Webseiten ueberall als "search-engine" bezeichnet wird und jeder,
der am Internet teilnimmt, von Zeit zu Zeit mal auf eine deutschsprachige
Seite stoesst, wo wie selbstverstaendlich (vielleicht auch nur aufgrund des
verwendeten englischen Welt-Weit-Netz-Ansehprogramms) ein "search"-Knopf
zu finden ist, dann wird diese Person diesen Begriff in ihren Wortschatz
aufnehmen und im Kopf auch die synonymen Begriffe wie "Suchmaschine" merken
und verstehen. Der dumme Mensch von der Strasse ist laengst nicht so dumm,
dass man ihm jeden Begriff in deutsch vorkauen muss, wo sich laengst etablierte
Begriffe (nur leider nicht Sprachterroristenkonform) gefunden haben. Wer mit
TCP/IP nichts anfangen kann, wird dies auch mit AvKDUe/WRNAv
(Austauschverfahren zur Kontrolle von Datenuebertragungen/Weltweites Rechner-
netzwerk-Austauschverfahren) nichts anfangen koennen. Und wer es im Jargon-
File nachliest, wird dann zumindest soviel rausbekommen, dass das wohl
irgendsowas ist, mit dem die Webseite von dem fernen Rechner nach Hause kommt.
Mehr braucht er normal auch nicht zu wissen, zumindest aber, dass, wo immer
dieses Kuerzel vorkommt, wohl irgendwas mit Datenaustausch im Busch ist.
Mit neuen Fantasieworten, ausgefurzt von Sprachimperialisten, wird lediglich
Verwirrung gestiftet und ein Nationalismus ueber eine eigene von oben
oktroyierte Sprache zementiert.

> Meldung von gestern: die Soziodemographie neuer Internetnutzer wird dem
> Bevölkerungsdurchscnitt ähnlicher). Für Durchschnittsnutzer steht der
> alltägliche Nutzen der neuen Technik im Vordergrund. Schon aus diesem Grund
> müssen Begriffe und Anleitung in einer für Nichttechniker verständlichen

Muessen? D.h. die Nichttechniker sind so bloed, dass man ihnen Sprachplazebos
vorschreiben muss, oder sie sind unfaehig oder gar unwillig, Deutsch
(oder auch Franzoesisch) zu sprechen, wie es der Souveraen seinem Volksvieh
vorschreiben moechte.

> Alltagsssprache, d.h. in Deutsch, verfasst werden. Es ist also funktional,
> in der jeweiligen Landessprache zu veröffentlichen.

Nicht stichhaltig, s.o.

> Und verfassungsmässige Aufgabe der Regierung ist es hier, die eigene Sprache
> als Umgangssprache durchzusetzen.

Wenn die Regierung darin ihre Aufgabe sieht, dann gehoert sie auf den Muell-
haufen der Geschichte. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter - das ist
den Sprachkonservierern ein fuerchterlicher Dorn im Auge. Zurueck zur
franzoesischen Revolution!

Holger

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