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Re: Herr H.





Hallo Holger,

On 21.10.1999 to subject "Re: Herr H.", you wrote:

>> O.K. als ich mit dem Netz anfing habe ich mir auch erst mal "Die Welt
des
>> Internets" und andere FAQ's (dauerte auch erst mal, bis ich wusste, was
>> FAQ's sind ;-)) durchgelesen, zig Magazine verschlungen und in den
>> Newsgroups den Zaunkönig gemacht - das scheint heutzutage allerdings
>> nicht mehr so in Mode zu sein, die Groups ähneln manchmal
>> "Hau-Drauf"-Rollenspielen.

>Aber hallo! Warum soll jetzt auf einmal nicht mehr die Pflicht zur
Information
>bestehen?

Nur weil ich den Ist-Zustand konstatiere, heisst das nicht, dass ich nicht
an eine Pflicht zur Information (Hol-Verpflichtung) glaube, dass meinte ich
mit "Eigeninitiative", die Vorrang vor einer "Bring-Aufgabe" hat.
Insofern bin ich Deiner Meinung, aber wenn ich das mal aufs Real-Life
übertrage, finde ich es auch nicht richtig, das jedes Indiviuum stets
eine alleinige Holschuld unterstellt wird, kämpfe für Dich selbst und
nicht für andere, sichere Dir einen Informationsvorsprung vor den
anderen..
Du sprichst ja selbst die Egomanie-Haltung an, die meines Erachtens Teil
dieser einseitigen Beziehung ist, aber das Netz bietet nun mal die
Möglichkeit, sozialere und zweiseitigere Beziehungen zu unterhalten oder
der Egomanie-Kultur zu folgen und dem Newbie zu sagen: Sieh zu wie Du
klarkommst, friss oder stirb.

>Bloss weil es jetzt "aus der Mode" gekommen sein soll? Das ist
>ein Zirkelschluss: Du brauchst Dich nicht an Regeln zu halten, weil sich
>sonst auch keiner dran haelt, und deshalb gibt es keine Regeln, an die Du
>Dich halten brauchst.

Aber man kann auch nicht alles auf Regelwerke, FAQ's und Manuals reduzieren
und sie als allein seeligmachenden Mechanismus zur Lösung des
Newbie-Problems preisen.
Der Ist-Zustand sieht so aus, dass vielleicht 10 % diese FAQ's lesen, dann
muss man sich doch fragen, was könnte man anders machen, um den Grad der
Erreichbarkeit, bzw. Information von Newbies zu erhöhen.
Ausserdem sind Regelwerke unflexibel, wenn sie nicht ständig gepflegt
werden und es ist oft fruchtbarer und lustvoller, sowohl für den
Informationsträger, als auch für den Informatonsempfänger, wenn der
Austausch auf einer mehr kommunikativen Ebene erfolgt.
Damit will ich jetzt nicht Regeln und Regelwerke verdammen, im Gegenteil
sind sie grundlegender Bestandteil jeglicher Gemeinschaft, aber das ist
eine Binsenweisheit.
Für mich sind sie Ergänzung zur eigentlichen Kommunikation, die
statfinden sollte und Kommunikation die Erweiterung der Regelwerke, die
auch Chancen zu ihrer Erneuerung mit sich trägt.

>Flame-Wars gab es seit Bestehen jeglichen Netzes, und ihre Funktion ist
>im Grunde genommen wichtig, da sie Agressionen abbauen.

Das ist ja schön, wenn man Newsgroups als Ort für die "Volkshygiene"
und Katharsis sehen möchte, aber auch dafür gibt es spezielle Groups,
deren Funktion keiner kennt und wenn, nicht beachtet und in anderen Groups
haben sie IMO nichts verloren.

>Das ist aber was anderes als die postmoderne Egomanie-Haltung, bei der das
eigene Ich weit
>ueber alles gestellt wird und die Umwelt zum Zutraeger fuer das eigene
>Wohlbefinden degradiert wird.

Für mich folgt das eine aus dem anderen.
Aber es geht auch nicht nur um Flame-Wars.
Es fängt ja schon damit an, wie Heiko es beschrieben hat, die Systematik
des Netzes zu verstehen, die richtige Group zu finden und zu betreten, sich
erst mal Zeit zu lassen, die Gesprächskultur und -unkultur des Usenets
aufzunehmen usw., usw.

>Wenn dann die Umwelt sich mit Recht dagegen
>wehrt, ist man selbst das arme und geschundene Opfer oder "das
>unterdrueckte Anliegen" und baut so gegen die feindliche Umwelt erst die
>Aggressionen auf, welche zu weiterer Ablehnung der Umwelt und zu
verstaerktem
>Egoismus fuehren. Es ist kaum moeglich, selbst aus so einem Kreis
auszubrechen.

Weil es leider keine Form der "Initiation" gibt, die gibt es nähmlich bei
Freimaurern und Rotariern im Gegensatz zum Usenet ;-)
Ich mach mir nur Gedanken, wenn ich an die Millionen denke, die noch
dazukommen werden.

>> Aber ab und zu kann man auch schon Hilfestellung oder Hinweise geben,
also
>> etwas von den eigenen Erfahrungen abgeben.

>Der Bogen wird regelmaessig ueberspannt. Die Altruisten, die noch vor
wenigen
>Jahren echte Lebenszeit geopfert haben, um Newbies bei den ersten
Schritten
>im Netz zu helfen, sind laengst frustriert und desillusioniert.

Das meinte ich auch, man kann so etwas auch nicht zur "Lebensaufgabe"
machen, wenn aber gut eingeführte Newbies später selbst für eine
Zeitraum die Rolle des "Paten" übernehmen, rücken immer wieder neue
"Paten" nach, die die alten, "ausgebrannten" Oldies rotationsmäßig
ablösen würden ;-)

>Sie haben
>aber zumindest einen Nachlass hinterlassen, unzaehlige Guidelines und
FAQs,
>die, wenn man sie, wie Du oben fuer Dich angedeutet hast, zwar nicht die
>Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest beantworten, aber
>doch ein profundes Ruestzeug vermitteln, um sich weiterzuinformieren.

Und das bleibt ihnen wirklich zu danken !
Aber ich finde die Vorstellung eines Netzes als "Cyberuniversum", das von
den alten "Netz-Göttern" verlassen ist mit ihrem Vermächtnis in Form
von FAQ's ziemlich traurig.

>Dem entgegenwirkt allerdings die Bringschuld-Haltung der Egomanen. Das
Dilemma
>ist von Seiten "des Netzes" weder durch bessere FAQs noch durch buntere
>Webseiten geschweige denn durch "Ich bin drin! So einfach ist
das!"-Software
>zu loesen.

ACK
Deshalb mag ich auch nicht die in die Browser eingebauten Newsreader, da
muss das Usenet ja als Abart des WWW im Bewustsein des Anwenders
erscheinen.

>> Auftreten an den Tag legt oder in keinster Weise Eigeninitiative zeigt,
>> bekommt er statt einer Antwort den Killfilter.

>Das Problem ist dabei, dass Du damit mindestens ein Drittel des gesamten
>Usenets, wenn nicht mehr scorefilen muesstest (genaugenommen hast Du
laengst
>mehr im Killfilter, naemlich alle unsubskribierten Gruppen).

Ich weiss, die Gefahr besteht, dass das Netz für einen selbst "wüst und
leer" wird, wenn man es allzu extensiv betreibt, es sollte auch nicht als
Standardlösung erscheinen, sondern als zuletztanwendbares Mittel mit
Expire-Funktion.

Ciao
Kai