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Re: Religionen



On Mon, Dec 06, 1999 at 03:06:38PM +0100,
	Gunnar Anzinger wrote:
> On Mon, 6 Dec 1999 14:33:48 +0100, Thomas Roessler wrote:
> 
> > [Ich kann's dann doch nicht lassen...]
> 
> [Dito...]
> 
> > Da schreibt etwa jemand (Gunnar oder pi), die katholische Kirche
> > habe Millionen Tote auf dem Gewissen.
> 
> Es war Christoph, der das schrieb. Und er hat recht. In der gesamten
> Geschichte der Menschheit gehörten Religionen zu den Hauptgründen für
> Krieg und Gewalt unter den Menschen. Die Erfindung von Religionen (ob nun
> katholische Kirche, Islam, Scientology oder Hinduismus) ist eine der
> schlimmsten Entwicklungen der Menschheit.

Die Idee einer Religion ist an sich nicht schlecht, insofern dass sie dem
Einzelnen eine moegliche Antwort anbietet auf die unvermeidliche Frage
nach dem Sinn des Lebens. Eine solche Frage wollen wir, seit wir vernunft-
begabt und reflektiv sind, irgendwie beantwortet wissen. Der Gedanke, sich
von den Tieren lediglich durch ein leistungsfaehigeres Ueberlebenssystem
zu unterscheiden, ist zu frustrierend - weswegen ja die Darwinsche Theorie
hochgradig desillusionierend ist. Aber gerade in der Verletzlichkeit des
Menschen in der Frage nach dem woher, dem warum und dem wohin liegt die
Gefahr eines Glaubens. Diejenigen, die diesen Hebel zum innersten menschlichen
Empfinden entdeckt und verstanden haben, waren auch diejenigen, welche
diesen Hebel fuer eigene Ziele eingesetzt haben. Jeder Glauben ist auf diese
Art und Weise pervertierbar, und ist bekannterweise auch in dieser Form
auch pervertiert worden. Sogenannte Religionskriege, d.h. Aggression
begruendet durch Glaubenssaetze, sind nicht unmittelbare Wirkung dieser
Saetze, sondern der Folgerung, dass es notwendig sei, den Glaubenssatz
weiterzuverbreiten, um sein Ueberleben zu sichern. Dies ist eine selbst-
referentielle Aussage, welche von da an nicht das zugrundeliegende
Glaubensaxiom erfordert. Sie wird dadurch zu einem Transporter fuer beliebige
andere, sogar dem urspruenglichen Glaubenssatz entgegengesetzte andere
Aussagen. Du sollst nicht andere toeten. Wenn du bedroht wirst und andere
dich toeten, dann geht die Glaubensaussage verloren. Also bezieht sich das
Nichttoetengebot zunaechst mal nur auf deine Gruppe. Du bist verpflichtet,
das _Mem_ (das informationelle Ideen-Aequivalent eines Gens), welches deine 
Gruppe repraesentiert, zu erhalten. Deshalb darfst Du andere Meme vernichten.
Du musst es sogar, weil das Mem, was deine Gruppe zusammenhaelt, sonst in
Gefahr ist. Die Basis eines jeden Konflikts ist vorprogrammiert. Verstaerkend
wirken dabei Gruppenunterschiede (andere Hautfarbe o.ae.) und fremde Meme,
die an sich mit den religioesen Auffassungen nichts zu tun haben, aber 
dieselbe Wirkung erzielen. So lassen sich Kriege um Land oder Resourcen
hervorragend als religioeser Djihad begruenden. Ein Genozid schwaecht das
fremde Mem und erhoeht den Zugang zu eigenen Resourcen (Pech gehabt, wenn's
schiefgeht). Was die eigentliche Ursache war, ist hinterher nicht mehr
nachvollziehbar; die Begruendung "religioese Unterschiede" ist hinreichend
handlich: es gilt die Siegerjustiz.

> > Wertvorstellungen, die im übrigen Teil des christlichen
> > Glaubens sind, ganz gleich, welche Ausprägung er annimmt.
> > 
> > Diese Wertvorstellungen werden hier im übrigen auch von den offen
> > antireligiös argumentierenden nicht in Frage gestellt.
> 
> Wie meinst du das? Ich stelle *jede* religiös begründete Wertvorstellung
> in Frage!

Dann machst Du es Dir zu einfach.

Holger

-- 
"Well, from what I've read, scientific studies show men tend to be better at
dealing with visual concepts, while women are better at complex linguistic
communication." - "You mean..." - "Men are from MACs, women are from VMS"
	Erwin the AI, www.userfriendly.org