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Re: Grundsatzentscheidung zu Genpatenten



> > M.E. sollten wir dafür sorgen, dass das Patentwesen klar auf die Sphäre der
> > Erzeugung materieller Güter durch menschliche Technik eingegrenzt wird.
> > Dazu gehört weder kostenlos kopierbare nicht-materielle Information noch
> > selbstreproduzierendes Leben.
...
> Diese Grenzfaelle sind immer dann zu erwarten, wenn man, wie in der Bionik,
> der Natur etwas abgucken kann. Das faengt ja doch bereits beim Aspirin
> an, welches eine seit Jahrhunderten bekannte Wirksubstanz aus Salicylsaeure-
> haltigen Pflanzen ist - Bayer hat es lediglich im grossen Massstab produziert,
> nachdem sie festgestellt haben, dass die Veresterung mit Essigsaeure die
> Wirksubstanz ohne groessere Schaeden durch die Magensaeure resorbierbar
> in den Darm bringt. Man hat spaeter festgestellt, dass Salicylat auch
> in Pflanzen geeignet verpackt vorkommt - also hat man eigentlich ein
> Naturprodukt wiederentdeckt. Argumentiert man so, dann sind eigentlich
> die meisten Pharmapatente fuer den Eimer, mit Ausnahme von Patenten auf
> rein physikalisch-chemische Herstellungsverfahren. Lass' ein Bakterium
> Insulin erzeugen, und Du bist wieder bei der Henne-Ei-Frage.

Nach meinem o.g. Kriterium wuerde die industrielle Produktion von Aspirin
ein Aspirin-Patent verletzen, egal ob dabei mechanische oder biologische
Technik verwendet wird.  Wenn jemand allerdings Aspirintabletten kauft, in
die Erde vergraebt und im naechsten Jahr die aus der Erde spriessenden
Aspirinhalbe und -fruechte erntet, verletzt er damit kein Patent.  Es sei
denn, das Verfahren zur Destillierung von Aspirin aus Halmen ist
patentiert.

Das Produkt muss auch wirklich mit dem patentierten Verfahren hergestellt
worden sein.  Genau bei Software:  wenn ich ein Programm kopiere, wende
ich damit nicht ein patentiertes Verfahren an.  Also sollte das Kopieren
keine Patentverletzung darstellen.

Sicherlich gefaellt eine solche Grenzziehung den Patentabteilungen unserer
Unternehmen nicht.  Aber ich glaube, dass die Pharmaindustrie damit ebenso
wie die Softwareindustrie gut leben koennte.  Die Patentabteilungen
vertreten eben nicht die Interessen ihrer Unternehmen.

Letzteres erfuhr ich kuerzlich deutlich, als ich herausfand, dass die
Erklaerung des Zentralverbandes der Elektronischen Industrie (ZVEI) vom
August, in der jener Verband die Patentierbarkeit von Software forderte,
aus der Feder des Patentspezialisten des ZVEI stammte.  Dieser
Patentspezialist ist der langjaehrige Leiter der Patentabteilung von
Siemens und ein schon aus anderem Zusammenhang bekannter
Pro-SWPAT-Lobbyist.  Mit den Interessen des ZVEI hat seine Aussage gar
nichts zu tun:  industrielle Anwendungen von Software koennen heute
laengst patentiert werden und koennen es auch laut meinem Vorschlag.

--
phm