FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

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Ein Angriff auf unsere Freiheit - Stoppt Büssow!

Ein Aufruf des FITUG e.V. an die Netzbewohner

FITUG fordert alle Netzbürger und alle Netzvereine auf, sich gegen den Angriff auf ihre Freiheit zur Wehr zu setzen. Unter der Federführung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow sollen ausländische Netzinhalte großzügig ausgeblendet werden. Informationen, die in ihrem Ursprungsland allgemein zugänglich und legal sind, wollen die zu einem Dialog unfähigen Düsseldorfer Bürokraten aus ihrem 'deutschen Internet' gestrichen sehen. Verwaltungsgerichte haben die Anordnung mit einer kaum nachvollziehbaren Begründung bestätigt. Feind-Radio wird wieder verboten. Vorherige Versuche, in einen Dialog einzutreten, sind misslungen, also müssen politische Aktionen unserem Anliegen mehr Gehör verschaffen.  

Der Hintergrund

Nichts in der Diskussion um die Sperrverfügungen ist wirklich neu: Schon 1997 waren Filterpläne im damaligen Internet-Medienrat zur Sprache gekommen, und schon 1997 hatte FITUG diese Pläne mit guten Gründen abgelehnt. Eine umfangreiche Studie zeigte die Unmöglichkeit einer effektiven Filterung. Das fragwürdige Vorbild Singapurs demonstriert, wie zutreffend die Resultate dieser Studie waren. Singapur ist heute das lebende Beispiel, dass die Studie der Köhntopps Recht behalten hat. Neu ist nur, mit welcher Hartnäckigkeit Diplom-Pädagoge Büssow seine verfehlten Auffassungen durchzusetzen sucht. Gegenargumente werden dabei schlicht ignoriert. .

Im Vorfeld der Sperrverfügungen hatten sich die betroffenen Internetprovider und der Regierungspräsident darauf geeinigt, daß die Situation gerichtlich geklärt werden solle. Eine sofortige Vollziehung der Sperrverfügungen sollte nicht angeordnet werden; Klagen hätten aufschiebende Wirkung entfaltet. An diese Vereinbarung fühlte sich das Regierungspräsidium aber offenbar nicht gebunden: Überraschend wurde am 6. September 2002 der sofortige Vollzug der sehr umstrittenen Sperrmaßnahmen angeordnet. Dies geschah trotz der unklaren technischen Situation, trotz der vielen ungelösten rechtlichen Fragen, trotz der unklaren datenschutzrechtlichen Situation, trotz des tiefen Eingriffs in unsere Freiheit, Informationen aus aller Welt zu empfangen, trotz der schwerwiegenden Eingriffe in Menschenrechte in einer unklaren Situation.

Dabei wird es beim Versuch bleiben müssen: Denn die vorgeschlagenen Maßnahmen sind schlicht ungeeignet, um das vom Regierungspräsidenten scheinbar gewünschte Ziel auch wirklich zu erreichen. Die Sperre ist leicht zu umgehen. Verfügt wurde die Sperrung von gerade einmal zwei von mindestens 1500 relevanten Web-Sites. Verfügt wird nicht etwa ein Verbreitungsverbot für kriminelle Inhalte: Verfügt wird die sozialpädagogische Überwachung der Internetgewohnheiten aller Nutzer. Nicht die Web-sites werden gestoppt, sondern uns sollen die Augen zugehalten werden.

Gegen die Sperrverfügung und die Anordnung ihres sofortigen Vollzuges gingen viele Provider gerichtlich vor. Von vier Gerichten bestätigen drei die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf, Verwaltungsgericht Arnsberg und das VG Gelsenkirchen haben sich im Zweifel gegen die Freiheit ausgesprochen. Die Verletzung der Rechte der Nutzer von Internet-Dienstleistungen, die Privatisierung des Vollzuges von grundrechtsrelevanten Entscheidungen der Verwaltung, wird in den Gerichtsbeschlüssen nicht einmal gestreift. Die Ausführungen zur Verletzung unserer Grundrechte sind dünn - zu dünn. Die Gerichte verstehen das Problem nicht und gehen den Weg des geringsten Widerstands. Kein Gericht hat sich wirklich damit auseinandergesetzt, dass die fraglichen Inhalte in den USA liegen und dort legal sind. Die Tatsache, dass ein Provider in Deutschland eine Leitung zur Verfügung stellt, aus der Bits tropfen, wird wohl als ausreichender Anknüpfungspunkt gesehen, um weltweit alle Inhalte der deutschen Medienbürokratie unterzuordnen.

Damit sind fast alle nordrhein-westfälischen Provider verpflichtet zwei Web-sites zu sperren. Wie sie diese Sperrungen wirksam umsetzen sollen, wissen die Provider jedoch nicht: Die Diskussionen vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf etwa beschränkten sich auf die Frage, ob Sperrungen 'theoretisch möglich' seien. Zuwiderhandlungen gegen derart theoretische Gerichtsbeschlüsse können nun jedoch ganz praktisch mit Sanktionen belegt werden.

Anders, als man in Düsseldorf glauben machen will, geht es nicht darum, ein paar Neonazis aus dem Web zu entfernen: Es geht ganz einfach um die Frage, ob sich Netznutzer in der Bundesrepublik auch in Zukunft noch frei darüber unterrichten können, was anderswo auf der Welt gesagt wird -- oder ob sie die Informationsgesellschaft nur noch durch den Filter eines Sozialarbeiters im Amt des Regierungspräsidenten wahrnehmen dürfen.

Es ist unerträglich, dass der DGB in NRW diesem Treiben noch Vorschub leistet. Man beschmutzt die Symbole des Holocaust, wenn man sich nicht gegen die Web-sites selbst wendet, sondern gegen die eigenen Bürger, wie das hier getan wird.

Der Appell

Der weitere Prozess muss von hinreichendem politischen Druck und von der Aufmerksamkeit aller Medien begleitet werden. Deswegen fordert FITUG alle Netz-Vereine und alle Netzbürger zu politischen und gemeinsamen Aktionen auf. Wer Interesse hat mitzumachen soll sich bei uns melden: mailto: lutz@fitug.de Wir selbst werden unsere Aktionen national und international koordinieren.

Links:

Die erste Stellungnahme von FITUG

http://www.fitug.de/news/pes/fitug-020414.de.html

UN-Studie zu Singapur
http://unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/apcity/unpan002726.pdf

Materialien und Aktionen zu Büssow bei Odem.org
http://odem.org/

DAVID
http://www.david-gegen-goliath.org/Materialsammlung.pdf

Die Urteile:

VG Düsseldorf
http://www.afs-rechtsanwaelte.de/Pages/URTEILE111.HTM

VG Arnsberg
http://www.artikel5.de/entscheidungen/vg-arnsberg_20021206.html

VG Gelsenkirchen
http://www.jurpc.de/rechtspr/20030036.htm

VG Minden
http://www.artikel5.de/entscheidungen/vg-minden_20021031.html

Übersicht bei Artikel 5:
http://www.artikel5.de/entscheidungen/sperrungsanordnungen_2002.html

Kristian Köhntopp et al. zum Versuch in 1997, ausländische Seiten zu sperren
http://kris.koehntopp.de/artikel/blocking/index.html

Felipe Rodriguez (Burn the village to roast the pig)
http://www.xs4all.nl/~felipe/OSCE_paper.pdf

Erklärungen von FITUG zu Grenzkontrollen im Netz
http://www.fitug.de/news/pes/012000-k.html [Kurzfassung]
http://www.fitug.de/news/pes/012000-l.html [Langfassung]

Büssows Seiten:
http://www.brd.nrw.de/BezRegDdorf/hierarchie/themen/Sicherheit_und_Ordnung/Medienmissbrauch/Gerichtliche_Entscheidungen_zu_den_Sperrverf__gungen_bzgl_rechtsextremistischer_Internet___Inhalte.php


Über FITUG

Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft FITUG e. V. schafft Verbindungen zur virtuellen Welt der Neuen Medien und der Datennetze. In unserer Satzung heißt es dazu: "Zwecke des Vereins sind die Förderung der Integration der neuen Medien in die Gesellschaft, die Aufklärung über Techniken, Risiken und Gefahren dieser Medien, sowie die Wahrung der Menschenrechte und der Verbraucherschutz in Computernetzen." Der FITUG e.V. ist Mitglied im europäischen Verbund EDRi und im weltweiten Dachverband "Global Internet Liberty Campaign" (GILC).

Förderverein Informationstechnologie und Gesellschaft (FITUG) im Januar 2003
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