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Re: [FYI] DER SPIEGEL: Anonymität im Netz bald nicht mehr erlaubt?



On 2000-05-17 15:23:00 +0200, Axel H Horns wrote:

> Netzdepesche Anonymität im Netz bald nicht mehr
> erlaubt?  

Das will ich sehen.

> In einer Studie stellte das Bundeskriminalamt (BKA) vor
> kurzem fest, dass "die subjektiv empfundene Anonymität
> des Internets auch auf E-Commerce bezogene Kriminalität
> begünstigt."

Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, daß
gerade diese subjektiv empfundene Anonymität die
Gedeihensvoraussetzung für den offenbar blühenden
erotischen Teil des E-Kommerz ist, und daß bei der Güte
der weltweiten (oder auch nur europäischen)
Datenschutzregulierungen subjektiv empfundene oder besser
noch technisch sichergestellte Anonymität eine
Seinsvoraussetzung für viele Bereiche des E-Kommerz
überhaupt sein wird.

Tatsächlich iteriert das aber nur die auf EU-Ebene
beliebte These, Identifizierbarkeit sei eine
Grundvoraussetzung freier Rede - wobei man allerdings
leider geflissentlich übersieht, daß der oberste
Gerichtshof der USA Anonymität verschiedentlich als
Grundvoraussetzung für freie Rede angesehen hat und wir
Anonymität in Datennetzen also auf absehbare Zukunft
mindestens über internationale Umwege werden erreichen
können.

Wie auch immer.

> Die BKA-Abteilung plädiert deshalb dafür, vollständige
> Anonymität zu verhindern. Geeignet sei beispielsweise
> die Verwendung digitaler Signaturen, um den
> Kommunikationspartner klar zu identifizieren oder die
> Urheberschaft für bestimmte Inhalte zu bestimmen. Ein
> "möglicher Schritt" sei auch die individuelle
> Prozessorerkennung des Pentium-III- Prozessors.

Was ein Schwachsinn.  Wo, bitte, soll denn der Mehrwert
für den Nutzer sein, der ihn dazu überredet, ihm eindeutig
zuzuordnende (und rechtlich gegen ihn einsetzbare)
Signaturen an seinen Mitteilungen anzubringen - zumal
dann, wenn er gerade kriminell aktiv ist?  Das ist der
gleiche blödsinnige Denkfehler, wie man ihn schon im
"Multimedia möglich machen"-SigG gemacht hat.

Und zu glauben, daß Seriennummern ein probates Mittel
gegen Netzkrimnimalität seien, weil man Mr. Melissa auf
dem Wege ertappt hat, erscheint doch arg naiv.  Immerhin
müssen auch derartige Seriennummern irgendwie in die
übertragenen Daten gelangen, und über diese Daten soll, so
wird ansonsten aus gutem Grund gefordert, der Nutzer
selbst die Kontrolle behalten.


Der Ansatz, Log-Daten bei Providern,
Telephongesellschaften und dergleichen mehr zu speichern,
ist da aus prinzipiellen Erwägungen schon deutlich
gangbarer, und ich würde, sollte ich orakeln, vermuten,
daß man hier mit "freeze on notify" und mäßig langen
Aufbewahrungsfristen zu einem halbwegs erträglichen
Kompromiß kommen wird.


-- 
http://www.guug.de/~roessler/