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Re: Fitug und die Eurolinux-Petition



> Glaub, die Faelle, um die es in der Rechtsprechung gegangen ist, sind alle
> extrem unterschiedlich. 

Unter den gesetzeswidrigen Urteilen gibt es im wesentlichen zwei Typen

1 Faelle wie ABS, bei denen Spezialhardware fuer Spezialloesungen
  eingesetzt wird, aber dennoch die Erfindungsleistung im Bereich der
  Programmlogik liegt
2 Programme fuer einen Universalcomputer, denen das Patentgericht
  einen "technischen Effekt" zubilligt

Sicherlich ist Typ 2 aergerlicher als Typ 1.  Bei Typ 1 koennte man
moeglicherweise auch ohne ein Verbot der Weitergabe von Computerprogrammen
auskommen.

> Gegen Patente an sich kann man auch kaum was haben, oder?

Dort, wo es um industrielle Apparate geht, nuetzen Patente wahrscheinlich
mehr als sie schaden.

> Und wenn etwas mit Zahnraedern patentierbar waer, warum solls das
> nicht auch als Computerloesung?

Dagegen steht die Frage: Wenn etwas als mathematische Gleichung nicht
patentierbar war, warum dann als Computerloesung?

Eine Computerloesung ist ja laut EPUe/PatG als ganzes dann patentierbar,
wenn die Erfindung nicht im Bereich der Programmlogik sondern im Bereich
der "Technik" (d.h. "Einsatz beherrschbarer Naturkraefte") liegt.

Eine weise Trennung.  Es ist die Trennlinie zwischem materiellen und
immateriellen Erfindungen.

Das Patentsystem funktioniert genau dort, wo es eine solche Trennlinie
gibt:  Ich veroeffentliche mein logisches Konzept (immaterieller Bereich)
und bekomme dafuer ein Monopol auf eine materielle Umsetzung.

Wenn Software patentiert wird, gibt es diese Trennung nicht mehr.  Ein
Computerprogramm ist ein Text, der zu allererst an Menschen gerichtet ist
(menschenlesbare Programmiersprache, Programmkommentare, literarisches
Programmieren) und darueber hinaus von einer Turing-Maschine umgesetzt
werden kann.

Ein Computerprogramm zu patentieren, ist aehnlich, als wuerde man eine
Patentschrift patentieren: ein folgenschwerer Unsinn.

Folgenschwer u.a. deshalb, weil es damit nicht mehr industrielle
Organisationen sind, die das schwerfaellige Spiel des Patentwesens
spielen, sondern einzelne Programmierer und ein aus unuebersehbaren
Kleinorganismen bestehender Bereich.  Auch die informationstechnischen  
Strukturen selber besteht aus vielen kleinen Einzelteilen, die dann nicht
mehr frei kombinierbar sind.

> Patent oder Urheberrecht ?

Eine perfekte Loesung gibt es nicht, weil Information letztlich ein
Gemeingut ist, dessen Privatisierung, wie selbst das BVerfG (danke
Johannes!) erkannt hat, immer an Grenzen stoesst.

Aber immerhin funktioniert die traditionelle Rechtsschutzkombination aus

	- Urheberrecht
	- Betriebsgeheimnis (unterstuetzt durch Dekompilierverbot etc)
	- Humankapital (selbst um abzuschreiben, braucht man Fachkompetenz) 
	- Zeitvorsprung
	- Plattformstrategien

gut genug, um zahlreichen Firmen ein eintraegliches Geschaeft zu sichern.

Bisher hat noch niemand gezeigt, warum die Einfuehrung von Patenten in
diese Landschaft einen Vorteil bringen soll.

Uebertriebene Besteuerung zerstoert die Steuereinnahmen.  Uebertriebenens
geistiges Eigentum zerstoert das geistige Eigentum.

Frueher konnte man programmieren und wusste dann: das ist mein Eigentum,
mit dem ich jetzt wuchern gehen kann.

Heute geht das nicht mehr.  Wer programmiert, muss sich zunaechst umsehen,
ob er nicht eines von 100000en von Patenten verletzt hat.  Und das hat er
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.  Falls er sich dann mit
dem Patentinhaber einig wird, kann er sein geistiges Eigentum vielleicht
gegen Zahlung einer Leibesrente zurueckerwerben.  Falls der Patentinhaber
das Exklusiv-Geschaeft mit einem Monopolisten fuer lukrativer haelt, hat
der Programmierer eben Pech gehabt.

> Mir kommts so vor, als waer da auch etwas Prinzipienreiterei im Spiel.
> Sicher hats schon idiotische Patente gegeben, aber das ist ja nicht
> der Massstab.

Um "idiotische Patente" geht es ueberhaupt nicht. Allerdings ist das
Patentsystem derzeit so ausgelegt, dass es zwangslaeufig vor allem
idiotische Patente produziert.  Und im Softwarebereich ist das sowohl
schwerer zu vermeiden als auch folgenschwerer.
 
> Irgendein Finne baut an einem gimpaehnlichen Projekt fuer
> Videobearbeitung. Da hat er auch ein paare Patente aufgezaehlt, die
> bei seiner Arbeit eine Rolle spielen. Besondere Probleme hat er nicht
> erwaehnt.

Meinst du vielleicht VirtualDub?
Dem Autor wurde das Weiterprogrammieren bereits durch einen Anruf von
Microsoft verboten.  Er kam noch mal glimpflich davon.

Es gibt schon zahlreiche Anwendungsbereiche, in denen freie Software nicht
geschrieben wird oder stagniert, weil die Autoren Angst haben.  So z.B.

- LZW-Dekompression fuer PDF-Dateien in Ghostscript (fuehrt dazu, dass
  man Patentschriften des EPA unter Linux praktisch nicht lesen kann:
  sie werden als Einselseiten-PDFs geliefert, die man konkatenieren 
  muesste aber nicht kann)
- TTF-Darstellung in FreeType (Grundlage aller freien Betriebssysteme,
  vom Markt geforderter De-Facto-Standard)
- ASF-Format (Fall VirtualDub s.o.)
- GIF (kann von Grafikbibliotheken nicht voll unterstuetzt werden.
  Programmierer Boutell wurde abgemahnt)
- IPIX
- ....
 
> Deshalb frag ich mal, welche wirtschaftlichen Interessen stehen
> eigentlich hinter dem Interesse an dem totalen Softwarepatentverbot ?

s.o.

Die zuvor gesandte Stellungnahme des Ausschusses der Regionen sagt auch
alles hierzu.

Hinter der Zulassung von Softwarepatenten stehen keine wirtschaftlichen
Interessen, ausser derer von Patentaemtern und Patentanwaelten.

-phm