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Re: [FYI] Historikertag: Verbandschef warnt vor Fixierung auf das Internet



On Wed, Sep 27, 2000 at 11:44:07PM +0200, PILCH Hartmut wrote:
> > > Wenn die nicht als freie Software geliefert werden, hat das aber einen
> > > entscheidenden Nachteil:  der Aufwand fuer die Nacharbeit wird
> > > vervielfacht, man klickt sich durch zahlreiche Menues und kann nichts
> > 
> > Quatsch. Seit wann ist Softwareergonomie bei freier Software ueblich?
> 
> Schon immer.

Zufall, dass Torvalds sich gerade an Unix herangemacht hat und nicht einen
Windows-Clone haben wollte. Dann wuerdest Du heute konsequenterweise diesen
Textmodepfusch verteufeln, wie die meisten Klicker. Das Verdienst des
Shell-Pipings gebuehrt den Entwicklern des proprietaeren Systems AT&T-UNIX,
aber ganz gewiss nicht irgendwelchen abkupfernden OpenSource-Freaks. Ohne
Linux oder *BSD wuerdest Du ggf. heute vor einem SCO-Unix o.ae. (zu einem
obszoenen Kaufpreis) sitzen.

> Z.B. der Art
> 
> $ scan < /dev/scanner | pnmtotiff | ocr --lang=de --cols=2 > seite.txt

Du hast den letzten, wesentlichen Schritt vergessen, der die Zeit kostet: *)
emacs seite.txt, ggf. mit ispell, aber dennoch Wort-fuer-Wort, Satzzeichen-fuer-
Satzzeichen mit dem Original vergleichen. Sonst wird aus Guenter Grass' Version
der Blechtrommel schnell die Verona Feldbusch Interpretation. Einige Schreibfaehla
bleiben auf jeden Fall uebrig, selbst wenn man sorgfaeltig arbeitet (mir fallen in
jedem noch so teuren Buch meist recht schnell ein oder zwei auf - das hat aber
trotzdem nicht gereicht, dass meine Diss schreibfelerfrei wurde :-( ).
Das Problem ist, dass wir es nicht mit Gebrauchstexten zu tun haben, sondern mit
Dokumenten fuer die Nachwelt. Da koennen die beiden absichtlichen offensichtlichen
Fehler oben beabsichtigt und wichtig und als Indikator fuer eine Internet(sub)kultur
bedeutsam sein. Wenn mir ispell meinen Text nach der neuen Falschschreibung verhunzen
wuerde, oder auch nur hier die Uemlaeute nach 'äöüß' (kann ich doch!) konvertieren
wuerde, waere der Text verfaelscht.

*) wobei ich so meine Zweifel habe, ob man etwa bei Kanjis, wenn sie nicht extrem
sauber und unterscheidbar gesetzt sind, ueberhaupt etwas ohne zahllose Zeichenfehler
erfassen koennte; davon abgesehen, dass wirklich interessante Dokumente entweder
handgeschrieben sind oder handschriftliche Randnotizen enthalten. Was hat Einstein
auf seine Buchraender geschmiert? Viel Spass beim Batchprocessing.

> Um Dokumente in grossem Umfang einzulesen und weiterzuverarbeiten ist so
> etwas ungemein nuetzlich.

Und wo ist hier die Ergonomie? Man produziert viel schlechtes Papier in kuerzester
Zeit. Die restliche Zeit verbraucht man dann damit, den Text quasi neu abzuschreiben
und die Fehler zu korrigieren.

> > > rationalisieren.  Watt viel kost' enthaelt auch vielfache Vorkehrungen
> > > gegen intelligente Nutzung.
> > 
> > Nochmals Quatsch.
> 
> Selbst ein Programm wie Acrobat baut seine eigene Welt auf und ist mit der
> Umgebung nicht besonders interoperabel.  Von der Kommandozeile aus laesst
> sich da nicht viel erledigen.

Es ist auch nicht konstruiert fuer professionelle Nutzung. Der Markt ist der
Semiprofi-Bereich, bei dem nicht ganze Libraries of Congress eingescannt werden
muessen (Note: nicht das Tool mit dem Format PDF verwechseln).

> Das hat auch seinen guten Grund:  je mehr Interoperabilitaet, desto mehr
> entgleitet dem Hersteller die Kontrolle / Vormachtstellung.  Und ueber die
> laeuft bei Informationsguetern hauptsaechlich die Wertschoepfung.
> 
> Waere es nicht so, dann wuerden auch mehr Texterkennungsprogramme unter
> Linux laufen.  Denn die Kernfunktionalitaet, die man von der Kommandozeile

Nein. Es gibt keine Spezialisten fuer Texterkennungssoftware in der Free SW Szene.
Die, die sich damit auskennen, sind samt und sonders _erwachsen_, und wissen, wo
ihr Knowledge meistbietend honoriert wird. Wo man relativ einfach abkupfern kann,
weil das Problem verhaeltnismaessig einfach ist, oder das Knowledge veroeffentlicht
und bekannt ist, da finden sich auch Linuxbastler. 

> aus bedienen kann, laesst sich gut plattformunabhaengig in Common Lisp,
> Prolog oder Java programmieren.  Tut aber niemand.

Weil kein Markt existiert, der bereit ist fuer eine Software zusaetzliches Geld
zu bezahlen, die auf zig Betriebssystemen und Rechnerplattformen ohne sonderlichen
Portierungsaufwand (aber dafuer schneckenlahm - was Du genannt hast, ist portabel
aber interpretiert!) laeuft. Wer z.B. DTP machen will, kauft sich ein System, etwa
die Software und dazu den Rechner, auf dem das laeuft. Die Sichtweise der Linuxler
ist diesbezueglich auf den eigenen Nabel beschraenkt.

Holger

-- 
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