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Re: (Fwd) [FYI] Vierzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission zu SWPAT



> > Wozu immer wieder diese vorangestellte Desinformation?
> >
> > "current status of the EPC" steht doch offensichtlich fuer "current
> > status of the EPO caselaw".
>
> Und es ist einfach eine (von Eurolinux usw. verbreitete) Luege, dass
> das EPO case law insoweit keine legitime Auslegung des EPC sei.

Eine Auslegung ist eben nicht das gleiche wie das Gesetz selber.
Du sprichst von "current status of the EPC" und meinst den aktuellen
Status des Richterrechts einer bestimmten Behörde.
Das ist eine Lüge.
Im übrigen ist Richterrecht nur insoweit legitim, wie es Lücken im Gesetz
füllt.
In Kraßers Patentrechtslehrbuch von 1986 findet man genau beschrieben, wo
der Auslegungsspielraum im Falle von Art 52 EPÜ endet.
Nämlich an der Grenze, die das EPA 1986 überschritt.
Ähnlich urteilte der PatG-Kommentator Benkard 1988, der BGH 1990, der
Schwedische Oberste Gerichtshof 1994 und zahlreiche Rechtsgelehrte bis
heute.  Eine Aufstellung findet sich unter

	http://swpat.ffii.org/analyse/erfindung/

(morgen läuft der Rechner hoffenlich wieder) Diese naheliegende Sicht des
Gesetzes als "Lüge" zu betiteln ist schon der Gipfel der Dreistheit, vor
allem dann, wenn derjenige, der so redet, sich durchgehend weigert, die
entsprechende Literatur zur Kenntnis zu nehmen oder auf sie zu verweisen.

Du kannst natürlich dem Gesetz auch Gewalt antun und es so interpretieren,
dass es so wierd, wie du es gern haben willst.  Der Preis ist dann
meistens, dass das ganze Gesetz sinnlos und beliebig interpretierbar wird
und schließlich nur noch als "Missgriff des Gesetzgebers" (so Horns 2000
in JurPC) erklärt werden kann.

Solche Auslegungen werden nicht dadurch legitimer, dass das EPA oder der
BGH sie sich zu eigen machen.  "Das EPA hat dem Gesetz Gewalt angetan"
kommentierte PA König dazu in GRUR treffend letztes Jahr.

> > Die Gesetze aller Laender sind Kopien des EPUe.  An was sollen die
> > noch angeglichen werden?
>
> Das stimmt so nicht. Es gibt derzeit keine EU-weite Harmonisierung
> des Patentrechtes. Die einzelnen Laender haben sich z.T. freiwillig
> nur dort an das EPC angelehnt, wo sie das fuer zweckmaessig hielten.
> In anderen Bereichen eben nicht.

In dem Bereich, um den es bei dem Richtlinienentwurf geht, nämlich der
Frage der Voraussetzungen der Patentierbarkeit (Art 52ff EPÜ), sind die
Gesetzte bereits 100% harmonisiert.

Oder wo denn nicht?

> > Wenn das EPUe bereits Swpat vorsieht (man lese den Text und die
> > Pruefungsrichtlinien von 1978 um sich zu ueberzeugen, dass es sie
> > verbietet), wozu muss dann noch etwas harmonisiert werden?
>
> Weil in den nicht harmonisierten Patentgesetzen der einzelnen Staaten
> insoweit Rechtsunsicherheit besteht.

Wo bitte?

Rechtsunsicherheit besteht nur in der Frage, ob man der offensichtlich
gesetzeswidrigen Auslegung von Art 52 EPÜ, wie das EPA sie betreibt,
folgen soll.

> Die Pruefungsrichtlinien sind keine Rechtsquellen, sondern
> verwaltungsinterne Richtlinien zur Sicherstellung einer
> gleichmaessigen Abwicklung einer Vielzahl von Einzelfaellen.

Anderes habe ich nicht gesagt.

Die RiLi von 1978 erklären das Gesetz so, dass es keinen
"gesetzgeberischen Missgriff" darstellt sondern wirklich Swpat eliminiert,
wie Eurolinux das verlangt.
Die RiLi von 1986 verwässern das Gesetz und die von 2001 tun ihm Gewalt
an.

> > Der von Horns propagierte Begriff "computer-implementierte
> > Erfindungen" wurde vom EPA erst vor ca 2 Jahren eingefuehrt.  Das EPUe
> > stammt von 1973.
>
> Ja und?

Du behauptetest, dieser Begriff reflektiere den "gegenwärtigen Zustand des
EPÜ".  Im Denksystem des EPÜ kommt er jedoch gar nicht vor.  Und der
"gegenwärtige Zustand des EPÜ" ist eben nicht mit dem "gegenwärtigen
Zustand des EPA-Richterrechts" zu verwechseln.

> Das ist ja das Problem - als das EPC gemacht wurde, haben die Leute,
> die damals dabei waren, das Problem nicht voll verstanden (konten sie
> auch nicht - es sei denn, sie haetten wahrsagerische Gaben gehabt)
> und ein in entscheidenden Passagen schwer auslegbares Gesetz
> geschaffen - u.a. mit Begriffsschrott wie "DV-Programme als solche".

Diesen Begriffsschrott haben die Richter des EPA geschaffen.
Er kommt im EPÜ nicht vor.

Zum EPA-Begriffsschrott gehört ferner das Wort "computer-implementierte
Erfindung".  Es kommt in der Sprache des EDV-Fachmannes nicht vor und
bezeichnet im EPA-Jargon genau das, was zuvor mit "computer-implementierte
Organisations- und Rechenregeln = Pläne und Regeln für gedankliche und
geschäftliche Tätigkeit, Programme für Datenverarbeitungsanlagen"
bezeichnet wurde und folglich eben gerade nicht zu den Erfindungen zählt.

Dieses Wort ist also schlimmer als "Begriffsschrott".   Es ist Neusprecht,
der speziell der Irreführung dient.

> Es ist aber dem Wortlaut des EPC ueberhaupt nicht entnehmbar, dass
> Patente auf computer-implementierte Erfindungen untersagt sind.

Sicherlich ist nicht entnehmbar, dass Patente auf Erfindungen untersagt
sind.  Ganz im Gegenteil.  Wenn etwas eine Erfindung ist, dann ist es
patentfähig.  Aber Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind ebenso wie
andere Pläne und Regeln für geistige Tätigkeit, mathematische Methoden usw
keine Erfindungen.  Und sie werden auch nicht dadurch zu Erfindungen, dass
man sie irgendwie anders sprachlich einkleidet.

> Wer jetzt - aus welchen guten oder schlechten Gruenden auch immer -
> Patente auf computerimplementierte Erfindungen nicht will, der muss
> die geltende Gesetzes- und Rechtslage aendern. Nicht derjenige, der
> den "Status Quo" konservieren will.

Das behaupten diejenigen, die unbedingt neue Gesetze wollen, um Swpat zu
legalisieren.  Eurolinux will keine neuen Gesetze und ist zuversichtlich,
dass sich die geltenden auf Dauer gegen das EPA durchsetzen lassen werden.

> Und der Eu-RiLi-Entwurf will erklaertermassen im wesentlichen nur den
> Stand im EPC konservieren und dessen Recht hinsichtlich computer-
> implementierter Erfindungen fuer alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich
> machen - mit zwei Ausnahmen, in denen die Patentierbarkeit sogar eher
> noch zurueckgeschraubt wird: Keine nach EPC moegliche Ansprueche auf
> sog. "Computerprogrammprodukte" (derzeit nach EPC moeglich) und
> formale Klarstellung, dass keine Patente auf "Pure Business Methods
> Inventions" erteilt werden (De-facto Verbot solcher Ansprueche im
> wesentlichen auch heute schon nach EPC).

Nicht "nach EPC" sondern nach EPA-Doktrin.
Der EU-Rili-Entwurf will somit die EPA-Doktrin festschreiben und das EPÜ,
welches im Gegensatz zu dieser Doktrin steht, aus dem Wege räumen.

Im übrigen ist die Frage, was nun der "Status Quo" sei, ziemlich sekundär.
Sie wird vor allem immer wieder von denjenigen ins Feld geführt, die außer
dem angeblichen "Status Quo" nicht die Spur eines Argumentes auf ihrer
Seite haben und sich folglich als Konservative ausgeben und auf
konservative Reflexe ihres Publikums hoffen müssen, obwohl das, was sie
vorschlagen, einem Zivilsationsbruch gleichkommt (s. Artikel von
Kiesewetter-Köbinger und Schölch in GRUR 2001).

> Eins muss man dem ffii aber lassen: Seine Propaganda ist erschreckend
> effektiv.

> Nicht nur grosse Teile der Tagespresse, sondern jetzt auch die
> Monopolkommission plappern dessen "Sprachregelung" nach und faseln
> etwas von einer RiLi, die "Softwarepatente einfuehren" solle oder so
> aehnlich ("Gegen eine Ausdehnung des Patentschutzes auf
> Computerprogramme haben sich die Hersteller von sog. Open-Source-
> Software ausgesprochen.")
>
> "Softwarepatent" ist ein untauglicher Begriff, weil nichts anderes
> als Erfindungen patentiert werden duerfen und nur patentiert werden.

Letzteres ist eine Tautologie:  "you can name it, you can claim it".
D.h. was auch immer patentiert wird, ist demnach eine "Erfindung".

"Softwarepatente" ist ein eingängiges und hinreichend deskriptives Wort
für einen sehr klar umrissenen Begriff, nämlich den der Nicht-Erfindung /
Organisations- und Rechenregel gemäß Art 52 EPÜ.  Man könnte auch
"Logikpatent" oder "Rechenregelpatent" sagen.

> Ich habe noch kein Patent gesehen, in dem "Software" patentiert wird.

Ja, es werden überall nur bestimmte anspruchssprachliche Konstrukte
patentiert, über die man trefflich einschläfernde Debatten veranstalten
kann.  Wenn dann das Publikum davon gelaufen ist, können die Patentanwälte
wiederum die Regeln in ihrem Sinne setzen und der Softwarebranche damit
den Garaus machen.  Die nennt das dann "Softwarepatente".

> Was haeufig vorkommt, sind Patente auf Erfindungen, die laut Anspruch
> mit einem Computer zu implementieren sind - eben die sogenannten
> "computerimplementierten Erfindungen".

Die Perspektive der Anspruchssprache ist für das Verständnis dessen, was
hier patentiert wurde, nicht maßgeblich.  Vielleicht muss man sich als
Jurist mal öfter von juristischen Konstrukten lösen und die Dinge aus
einer anderen Perspektive anschauen.

> Und: Einig sind wir uns wohl darin, dass der (kommerzielle oder
> quasi-kommerzielle) Umgang mit Software u.U. eine mittelbare
> Patentverletzung eines Anspruch auf eine computerimplementierte
> Erfindung darstellen kann.  Dies kann bekanntermassen in bestimmten
> Konstellationen Probleme verursachen - siehe z.B. das
> Lutterbeck-Gutachten oder das FhG-Gutachten.

Wirkliche computer-implementierte Erfindungen (d.h. neue Lehren über
Kausalitäten beherrschbarer Naturkräfte) lassen sich nicht durch die
Veröffentlichung oder Verbreitung von Programmtexten verletzen.  Dazu
gehört dann z.B. schon, dass man das Programm einsetzt, um Luftdruck und
Temperatur so zu steuern, dass Naturkräfte in bestimmter Weise in Gang
kommen und ein materielles Ergebnis erzeugen, welches man dann auf den
Markt bringt.  Das verursacht zumindest für die Softwarebranche keine
nennenswerten Probleme.

> > Es ist erschreckend, wie hartnaeckig unlogisch und rechtsverdreherisch
> > auch Leute auf dieser Liste schwarz zu weiss umzunennen bereit sind,
> > sobald es um ihr Lieblingskind oder ihren Brotberuf geht.
>
> Ha, ha. Patentanwaelte kaempfen um ihre Pfruende und die Gegener der
> Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen streiten fuer
> das Gute, Wahre und Schoene?

Sie argumentieren nicht so unlogisch.
Dies hängt einfach damit zusammen, dass sie nicht aus einer Machtposition
heraus arbeiten sondern sich durch Überzeugungsarbeit vorkämpfen müssen.

> Faktum ist: Etliche der Gegner von Patenten kaempfen z.B. als
> Kleinunternehmer um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen, weil
> sie z.B. zu dem Ergebnis gekommen sind, dass das Patentsystem ihnen
> nicht nuetzt, sondern eher wirtschaftlich schadet. Um nicht
> missverstanden zu werden: Wenn diese Leute davon ueberzeugt sind, ist
> es ihr gutes Recht, sich entsprechend Gehoer zu verschaffen. Was mich
> nervt, ist dieses falsche moraline Getue des ffii, der so tut, als
> ginge es um einen manichaeischen Kampf gegen DAS BOESE (TM).

Wenn die die Swpat-Gegner einmal eine Machtposition erkämpft haben, werden
sich in ihrem Verhalten sicherlich auch die typischen Phänomene des
Bösen(tm) finden.  Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg.

> Was im Moment abgeht, ist (vielleicht mit Ausnahme der OSS-
> Problematik) eher ein Kampf der Repraesentanten verschiedener
> Geschaeftsmodelle von Wissensverwertung gegeneinander.

Ich sehe im Moment leider noch niemanden, der ernsthaft die Interessen
eines patentbasierten Modells der Wissensverwertung artikuliert.
Stattdessen sehe ich nur Leute, die sich als Bewahrer des Status Quo
auszugeben versuchen und zu diesem Zwecke allerlei verlogene
Argumentationsketten wiederholen, sofern sie überhaupt bereit sind, zu
diskutieren.

Die jetzige Diskussion war insoweit vielleicht schon ein Fortschritt.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/




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