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heise online: Suchmaschinen sollen gemeinsame Filterliste erstellen



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "Joerg-Olaf Schaefers <listen@fx3.de>" gesandt.
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ist. Sollten Sie Zweifel an der Authentizität des Absenders haben,
ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
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Dotty is public ...


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Suchmaschinen sollen gemeinsame Filterliste erstellen

Das Mainzer Aufsichtsgremium jugendschutz.net[1], eine gemeinsame
Einrichtung der Jugendministerien der Länder, hat an Betreiber von
Suchdiensten eine "Verpflichtungserklärung" zum Aufbau und Austausch einer
schwarzen Liste für "unzulässige und jugendgefährdende Adressen" und
Keywords verschickt. Mit dem Dokument, das heise online vorliegt, sollen
sich die Anbieter dazu bereit erklären, die illegalen und die
jugendgefährdenden "Fundstellen" in Suchindexen und Webkatalogen zu
sperren. Ferner verpflichten sich die Unterzeichner zu Vorsorgemaßnahmen,
um eine unbeabsichtigte Konfrontation von Kindern und Heranwachsenden mit
problematischen Inhalten zu verhindern. Die Filterlisten sollen die
Mitglieder des Informationsverbunds "weder an unbefugte Dritte weitergeben,
noch in anderer Weise öffentlich machen". Das Gremium weist dabei gesondert
darauf hin, dass ein Verstoß gegen diese Auflage, "auch strafrechtliche
Konsequenzen nach sich ziehen" kann.	  

 Der zentralen Jugendschutz-Einrichtung der Länder reicht es anscheinend
nicht, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (vormals:
Schriften) gemäß des neuen Jugendschutzgesetzes[2] des Bundes künftig auch
ohne Antrag alle Mediengattungen inklusive Internetseiten auf ihre
Verbotsliste setzen darf. Mit Hilfe der Verpflichtungserklärungen und dem
darauf basierenden Verbund der Suchdienste plant das Gremium zumindest den
Kampf gegen den Schmutz im Netz in der ungewöhnlichen Form der Public
Private Partnership zu "effektivieren". Übergangsweise will
jugendschutz.net den Austausch der schwarzen Liste organisieren und dafür
auf ihrem Webserver einen zugangsgeschützten Download-Bereich einrichten.
Langfristig soll der Austausch der Geheimindizes datenbankgestützt über
eine selbstorganisierte Plattform der Suchmaschinen-Betreiber erfolgen.

Für das Vorhaben macht sich auch die Bertelsmann Stiftung[3] stark, die in
der vergangenen Woche Anbieter von Suchdiensten zu einem Workshop unter dem
unscheinbaren Titel "Transparenz im Netz" geladen hatte. Auf der Tagung
wurde das Projekt zum Aufbau der schwarzen Liste besprochen. Ein
Mitarbeiter der Stiftung wollte sich gegenüber heise online allerdings noch
nicht zu konkreten Ergebnissen äußern. Alles sei "noch in der
Vorbereitungsphase".

Bei einer Umfrage unter betroffenen Unternehmen signalisierten viele
Betreiber vorab Zustimmung zu dem Projekt. Das der mit Bertelsmann
verbundene Suchdienst Lycos[4] an Bord gehen dürfte, ist keine Frage. Aber
auch Sprecher von Searchengines und Webkatalogen wie AltaVista[5], MSN
Search[6] und Web.de[7] erklärten gegenüber heise online, die
Verpflichtungserklärung im Falle eines Falles unterschreiben zu wollen.
Alle gaben an, den Jugendschutz generell seit langem ernst zu nehmen.
Teilweise existieren auch bereits konkrete Kooperationen mit
jugendschutz.net. Gerade bei Katalogen sind zudem schon eigene Index-Listen
installiert, die etwa beim "Allesklar"-Verzeichnis der MSN-Suche mehrere
tausend Keywords umfassen. Umsetzungsprobleme sehen nur die internationalen
Anbieter von Suchdiensten. So hieß es bei AltaVista, dass "die
unterschiedliche Rechtsprechung in den verschiedenen Ländern die Sache
kompliziert" mache. Schließlich seien die lokalen Indizes alle Bestandteil
des übergeordneten Hauptindex.

Prinzipiell wirft der Aufbau des geplanten Filterverbunds allerdings
rechtsstaatliche Fragen auf. Experten wie der Bundesverfassungsrichter
Wolfgang Hoffmann-Riem weisen inzwischen offen auf die Gefahr der
Etablierung privater "Zensur"-Macht durch die in Deutschland geschaffenen
Haftungsregeln hin. "Diese unterliegt nicht den gleichen rechtsstaatlichen
Vorkehrungen vor Missbrauch, etwa für Transparenz, wie die Kontrollmacht
des Staates", schreibt der Karlsruher Richter in einem Beitrag für das
Jahrbuch Telekommunikation und Gesellschaft 2002. Das Grundrecht auf
multimediale Selbstbestimmung und -entfaltung, das Hoffmann-Riem aus der
rechtlich geprägten Informationsordnung im Grundgesetz ableitet, müsse in
diesem Zusammenhang stärker beachtet werden. Zu befürchten sei zudem, dass
durch das Vorhaben erneut auch "Erwachsenenschutz" unter dem Deckmantel des
Jugendschutzes betrieben werde. (Stefan Krempl) / (jk[8]/c't)

URL dieses Artikels:
 http://www.heise.de/newsticker/data/jk-12.07.02-007/

Links in diesem Artikel:
 [1] http://www.jugendschutz.net/
 [2] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-14.06.02-011/
 [3] http://www.bertelsmann-stiftung.de/
 [4] http://www.lycos.de/
 [5] http://www.altavista.de/
 [6] http://www.msn.de/
 [7] http://www.web.de/
 [8] mailto:jk@ct.heise.de

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