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Re: [FYI] SZ: Ein Staat mit tausend Augen



On Sun, 4 Jan 2004 19:17:32 +0100 (CET)
Hartmut Pilch <phm@a2e.de> sed

> Das müsste man auch erst mal in weniger abstrakter Form
> nachvollziehbar machen, und man müsste auch erklären, warum
> eine Gesellschaft aus gleichen freien und gläsernen Bürgern
> nicht möglich sein soll.

Ergänzung: dies würde eine vorurteilsfreie Welt bedeuten, die
wird es aber nie geben.

Wenn Du gläsern bist, weiß Dein Nachbar über Dich, dass Du schon
wieder eine Geschlechtskrankheit hattest, er weiß über Dich, dass
Du gestern wieder drei Flaschen Rotwein geleert hast und schon
wieder bei der Apotheke Schmerztabletten im Vierzigerpack geholt
hast. Sprich: er "weiß", dass Du eine **tablettenabhängige
saufende Hure bist**, die er am liebsten nicht in der
Nachbarschaft haben möchte.

Was er aber nicht weiß ist bzw. ihn auch nicht interessiert ist,
warum Du das bist. Es interessiert ihn auch nicht, ob Du die
Tabletten vielleicht gar nicht nimmst sondern mit dem Gedanken
spielst, Dich umzubringen etc.
Das alles ist ihm wurscht weil er zwar die offensichtlichen Infos
hat, sie aber nicht vorurteilsfrei verarbeitet sondern mit seinen
eigenen Ansichten verknüpft.

Und selbst wenn er nun die kompletten Infos hat - also Deinen
gesamten Lebenslauf. Es bleibt für ihn dabei, dass Du "vielleicht
ein schweres Leben hattest, aber Dich eben zusammen reißen sollst
und dieses Pack sich halt immer auf solche Sachen rausredet"

Gläsern und frei würde voraussetzen, dass Dein Arbeitgeber sich
Zeit nimmt, sich mit Dir zu unterhalten, warum Du krank warst
bzw. was denn hinter der Diagnose "Depressionen" steckt und nicht
einfach nur weiß "ach ja, Depressionen... schon klar... vergessen
Sie es..."

Gläsern und frei geht nur bei (mal abgesehen von dem eigenen
Schamgefühl, was nun einmal auch vorhanden ist) einem
Toleranzlevel, den wir nicht einmal annähernd erreicht haben, bei
Zeit statt Zeitdruck und bei Offenheit gegenüber dem, was man
nicht kennt.

Twister


 

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