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Re: [Debate] Ein paar Fundstellen zum Thema



On Mon, Mar 30, 2009 at 06:10:09PM +0200, Lutz Donnerhacke wrote:
> Linkketten sind nun also ausreichend. Am besten ist es, das Internet zu
> verhaften.

Naja, erstmal durchsuchen reicht ja. a-hem.

Aber ja, dieses Urteil ist sehr bedenklich und zeigt erneut auf, wie sehr die
Jurisprudenz Schulungen und Fortbildung nötig hat.

> Deswegen baut man auf die kleine Variante:
>  - Die Kritiker fordern "Bekämpfen statt wegschauen"
>  + Dann sperren wir doch nur die Ausländischen
>    und sparen uns die Bekämpfung.

Entschuldige bitte, Lutz: wo steht das? Bisher sehe ich von beiden Seiten
wilde Vorhaltungen ohne Substanz dahinter. Es heißt immer nur: es wird nicht
verfolgt. Aber wissen wir das? Das ist genau die gleiche Inferenz, die wir den
Zensurbefürwortern vorhalten.

Prinzipiell werden doch hier zwei Dinge vermischt:
Internetsperren/Zensurmaßnahmen und Kinderpornographie. Daß letztere als
Vorwand dient, um erstere salonfähig zu machen und zu etablieren, wissen wir.
Die Zahlen, mit denen argumentiert wird, sind nicht nachprüfbar (zumindest
nicht, ohne sich nicht selbst strafbar zu machen) und die Hexenjagd, die
derzeit auf Kritiker betrieben wird, ist so unsäglich, daß sich die meisten
zweimal überlegen werden, ob sie aktiv werden wollen/können.

Nichtsdestotrotz: daß auf den Sperrlisten auch Systeme sind, die
kinderpornographische Inhalte enthalten, bedeutet doch nicht, daß die
Betreiber der Server bzw. des Contents nicht verfolgt werden. Es könnte sich
auch (Verfolgungstheorie, ick hör dir trapsen) durchaus um Feigenblatteinträge
halten, um die Listen zu legitimieren - oder schlichtweg um nicht oder nur
schlecht gepflegte Listen (Einträge machen ist einfach, Einträge löschen
hingegen schwierig).

>  - Die Kritiker weisen auf Umgehungsmöglichkeiten hin
>  + Dann fordern wir von den Providern effektive Sperren.
>  - Die Kritiker weisen auf Grundrechtseinschränkungen hin
>  + Dann fordern wir von den Providern
>    nur grundrechtskonforme Maßnahmen.

Klar wird versucht werden, die Provider in die Pflicht zu nehmen
("Public-/Private-Partnership" ist ja mittlerweile wieder leicht aus der Mode
gekommen, aber darauf läuft's raus: Aufwände privatisieren).

Wenn sich die Provider so über den Tisch ziehen lassen, ist das aber peinlich
und wird Gerichte beschäftigen. 

>  - Die Kritiker verweisen auf zensurartige Sperrung anderer
>    Webseiten
>  + Wir fügen zu jeder Seite einen Bildschirmfoto bei, auf
>    dem ein junges Mädchen zu sehen ist. Für die intere Akte.
>    Falls es zu einem Gerichtsverfahren kommt.
> 
> Dabei wird übersehen:
>  - Kinderpornographie im Internet ist kein Massenmarkt.

Dazu gibt es lediglich Udos Einschätzung. Ich kann das nicht beurteilen, und
genausowenig kann das Zensursel beurteilen. Das BKA könnte es, wenn es 
a) fähiges Personal in ausreichender Menge hätte,
b) vernünftige Ausstattung in ausreichender Menge hätte,
c) keine eigene hidden agenda fahren würde, dank des Schäferhundartigen
   Gehorsams von Ziercke seinem Halter gegenüber
[…]

wie gesagt, eine Diskussion über das Thema ist derzeit extrem schwierig, weil
immer die Zensurdebatte mit der Kinderpornodebatte vermischt wird. Ich halte
es für hochwahrscheinlich, daß das Innenministerium der Familienministerin
erst Kinderpornographie zugänglich gemacht hat, um sie in eine
wohlkalkulierte Rage zu versetzen. Dass das BMI sie tatkräftig in ihrem
Kreuzzug unterstützt ist ja bekannt. Beweise habe ich dafür keine, weswegen
diese These genauso zu hinterfragen ist wie die Zahlen, mit denen allerorts um
sich geschmissen wird.

Meines Erachtens sollte die Argumentation deutlich aufzeigen, daß
Kinderpornographie geächtet *ist* (auch und gerade im Internet) und auch nicht
toleriert wird, wo sie bekannt wird. Allerdings ist die Sperre von
Internetseiten aufgrund der zugrundeliegenden Technologien nur auf eine Art
und Weise machbar, daß auch andere, durchaus auch legale Inhalte blockiert
werden. Technologie ist hier mal wieder wesensneutral, eine Infrastruktur, die
zur Sperre von illegalen ("bösen", "verabscheuenswürdigen") Inhalten benutzt
wird, kann ebenso leicht zur Sperre von legalen, aber mißliebigen Inhalten
mißbraucht werden. Dem Staat und den Behörden hier einen Vertrauensvorschuß zu
gewähren, wie Schäuble ja unlängst eingefordert hat, ist verfehlt. Das zeigen
Beispiele aus der Vergangenheit (da kann man durchaus in der Antike anfangen
und weitere Beispiele bis in die Neuzeit zitieren).

Zitate wie die von Uhl sind eher der Sache dienlich denn abträglich. Wer sich
so selbst durch emotionale Ausbrüche dementiert, kann leicht bloßgestellt
werden.

Schönen Abend noch,
   Axel

-- 
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