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Re: taz Bremen: Rechtsradikale Propaganda im Internet



Die Diskussion geht in der taz Bremen und im Spiegel online weiter.
Zum Spiegelartikel gibt's 'nen Diskussionsforum.

Zum Symposium:
>Gibt es ... Rop und Katrin von XS4ALL kommen. Vom CCC ist
>Andy eingeladen und ich hoffe, das ich noch den Menschen nach
>Bremen einladen kann, der auf dem HIP97 den Vortrag zum
>Thema Zensur von Rechtsradikalen gemacht hat ... hast
>du Lust mir dabei zu helfen? Ich kann naemlich auf der
>HIP-Site nichts mehr finden und habe leider das Programm
>schon weggeworfen.

Gruß
	Martin

http://www.taz.de/~taz/980702.taz/ra_T980702.315.html
-------------- schnipp --------------
    Wer regelt das Internet?
    
Gehorsam im Voraus

    Zensur-Diskussion als Vorlage für Verfechter von mehr Innerer Sicherheit
    
   _Ein Bremer Provider, der nicht rechtsextremer Positionen bezichtigt
   werden kann, ließ antisemitische Propaganda im Gästebuch seiner
   Internet-Seiten stehen, anstatt sie zu entfernen. Braucht das Internet
   Zensur-Regeln? Rainer Ahues ist Vorstandsmitglied des
   "Republikanischen Anwältinnen und Anwälte-Vereins" in Hannover, sein
   Themenschwerpunkt sind die neuen Medien._
   
   _taz:__ Muß man im Internet aus ihrer Juristen-Sicht Grenzen setzen?_
   
   Rainer Ahues, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte-Verein: Nach
   meiner Meinung reichen die allgemeinen Strafgesetze aus, um
   Meinungsäußerungsdelikte auch im Internet zu verfolgen.
   
   _Muß es internationale Regelung fürs Internet geben?_
   
   Natürlich wird man auf internationaler oder zwischennationaler Ebene
   versuchen müssen, Regelungen zu schaffen, soweit sie noch nicht
   existieren. Man wird sich nicht einfach darauf zurückziehen können, zu
   sagen, die Provider müssen dafür sorgen, daß keine strafbaren Inhalte
   transportiert werden. Dann hätten wir kein Internet, sondern ein
   Polizeinetz - das wäre fürchterlich. Grundsätzlich bin ich der
   Auffassung, daß Zensur von Übel ist. Ich bin für die freie Rede, in
   welchem Medium auch immer. Gibt es im Medium Internet irgendwelche
   Besonderheiten? Es gibt eine Trias von Argumenten gegen das Internet:
   braune Soße, Kinderpornographie und organisierte Kriminalität. Vor
   allem letzteres wird aber ausgenutzt: Die Verfechter einer Politik der
   Inneren Sicherheit suchen sich so Argumente, um an dieses noch wenig
   kontrollierte Medium heranzukommen.
   
   _Aber muß es nicht dennoch eine Diskussion geben, was man im Internet
   haben will?_
   
   Die Diskussion ist notwendig. Aber ich bin betrübt über die Art der
   Diskussion und die Lösungsvorschläge in Deutschland. Nehmen sie den
   vorauseilenden Gehorsam im Falle von Angela Marquardt, die die
   Zeitschrift "radikal" im Internet zugänglich gemacht haben soll:
   Einige Provider haben lediglich auf Aufforderung der
   Generalbundesanwaltschaft freiwillig die Zugänge zu dem
   niederländischen Provider abgeschaltet, auf dem die radikal-Seite zu
   finden war. So erhält man keine Freiheitsrechte, meine ich.
   
   _Wie ist das im konkreten Fall hier in Bremen: Der antisemitische
   Text, der bei dem Bremer Provider abrufbar war, stellt doch
   wahrscheinlich einen Straftatbestand nach deutschen Gesetzen dar?_
   
   Es ist ganz klar, daß es Grenzen der freien Meinungsäußerung gibt. Das
   steht schon in der Verfassung so drin, dafür muß nicht der
   Medienstaatsvertrag zitiert werden. Wenn das strafbar sein sollte, was
   im Internet stand, dann muß die Staatsanwaltschaft ermitteln und
   herausfinden, wer verantwortlich war.
   
   _Wer wäre denn in dem Fall der Verantwortliche? Derjenige, der
   antisemitische Propaganda schreibt, oder derjenige, der die Propaganda
   im Internet veröffentlicht?_
   
   Das ist die große Frage. Teilweise hat man mit dem Teledienstgesetz
   versucht, verantwortlichkeiten zu benennen. Dort steht ja zum
   Beispiel, daß ein Provider etwas aus dem Netz entfernen muß, wenn er
   darauf hingewiesen wird, daß eine Sache vielleicht nicht ganz astrein
   ist. Die gesamte Konstruktion ist aber eine heikle Geschichte, weil
   hier die Provider zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft werden
   sollen. Ein Teil der deutschen Provider hat an diesem Teledienstgesetz
   mitgearbeitet. Indem sie sich freiwillig dieser Selbstkontrolle
   unterworfen haben, haben sie natürlich gehofft, daß der Überwachungs-,
   Kontroll- und Straf-Kelch an ihnen vorbeizieht. Das CompuServe- Urteil
   aus München ist als Scheitern dieser Unterwerfungspolitik zu werten.
   
    Fragen: Christoph Dowe
    
   
   
   TAZ-BREMEN Nr. 5571 vom 02.07.1998 Seite 22 Bremen Aktuell 126 Zeilen
   Interview Christoph Dowe
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http://www.spiegel.de/netzwelt/themen/isbremenkommentar.html
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        _1.7.98_ _KOMMENTAR_
   
   _Courage, Verachtung, Wahrheit_
   
   _Von Lorenz Lorenz-Meyer_
   
   
   
   
   
   
   
   Nicht immer kann man unbeschwert über die unerträgliche Leichtigkeit
   des Seins klagen, nicht einmal im Sommer. Manchmal ist das Leben
   außerordentlich schwierig. Wenn man Gäste einlädt und die sich
   schlecht benehmen. Wenn man Deutscher ist und mit der braunen
   Vergangenheit konfrontiert wird. Wenn man meint, das Richtige zu tun,
   und dann plötzlich den Staatsanwalt im Nacken hat. Und manchmal kommt
   einfach alles zusammen.
   
   Die "Internationale Stadt Bremen" ist ein vielgelobtes städtisches
   Online-Projekt, offen für Bürger und Wirtschaft der Hansestadt ebenso
   wie für auswärtige Besucher. Interaktiv, in Grenzen, für jeden, der
   sein digitales Surfbrett für kürzere oder längere Zeit dort anleint.
   Ein "Gästebuch" liegt aus, ein jeder solle "es einsehen und sich dort
   unzensiert mit seiner Meinung verewigen", heißt es auf der Startseite.
   
   
   Davon wurde Gebrauch gemacht, ein bißchen mehr als gut war. Irgend so
   ein brauner Schmutzfink hinterließ vor ein paar Wochen auf den Seiten
   seine antisemitischen Schleifspuren. "Der Jude", hieß es dort unter
   anderem, sei ein "Negativum", das "ausradiert" werden müsse.
   
   Daß ein offenes Forum im Internet keine bequeme Einrichtung ist, weiß
   jeder, der sich damit einmal versucht hat. Ebenso wie
   Diskussionsveranstaltungen in der Wirklichkeit sind die schwarzen
   Bretter des Netzes ein unwiderstehlicher Anziehungspunkt für Wirrköpfe
   und geltungssüchtige Charakterzwerge. Da müssen die übrigen Teilnehmer
   und die Moderatoren oft mit Geduld und sanftem Gegendruck ihren Platz
   behaupten und das Anrecht auf ein faires und freundliches
   Gesprächsklima.
   
   In der Konfrontation mit militanten Neonazis allerdings ist mehr
   gefragt als Geduld. Wo Menschenhaß zum Programm gehört und Gewalt das
   bevorzugte Mittel ist, braucht man zur direkten Reaktion vor allem
   Mut. Am Vorbild fehlt es nicht: Schon seit einigen Jahren bekämpfen
   die Mitarbeiter des kanadischen Shoah-Dokumentationszentrums Nizkor
   die internationale Neonazi-Szene im Internet erfolgreich mit den
   Mitteln der Courage, der Verachtung und, vor allem, der historischen
   Wahrheit.
   
   An Mut hat es auch den Bremern zunächst nicht gemangelt. Sie ließen
   die braune Tirade in ihrem Gästebuch stehen, outeten sie in einem
   Kommentar und verwiesen - folgerichtig - auf die
   Holocaust-Informationen bei Nizkor. Doch dann kamen ihnen Zweifel.
   Denn in Deutschland legt sich, wer einen solchen Kurs verfolgt, nicht
   nur mit dem politischen Gegner an, sondern auch mit der Justiz: Wer
   hierzulande Nazipropaganda verbreitet, macht sich nach º 130 StGB der
   Volksverhetzung schuldig und damit strafbar. Der Traum vom
   unzensierten Gästebuch ist mit deutschem Recht schwer zu vereinbaren.
   Man löschte den braunen Beitrag.
   
   Möglicherweise nicht mehr rechtzeitig. Wie die Bremer Lokalausgabe der
   "Tageszeitung" vom 30. Juni berichtet, ermittelt nun die
   Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt. Zunächst gehe es vor allem darum,
   den Urheber der Schmährede zu lokalisieren, aber es werde auch
   geprüft, ob die Betreiber der "Internationalen Stadt" zur
   Verantwortung gezogen werden können. Das Internet als rechtliche
   Grauzone, wieder einmal.
   
   Der TAZ-Artikel selbst sorgte für weiteren Aufruhr. Freunde und Fremde
   meldeten sich empört bei den Betreibern. Ob er denn die Seiten
   gewechselt habe, wurde IS-Mitbegründer Ralf Röber gefragt. Sowas
   schmerzt und zeugt von wenig Verständnis. Denn mangelnde Distanzierung
   kann man den IS-Betreibern nicht vorwerfen, eher die der TAZ
   kundgegebene Überlegung, zur Umgehung der deutschen Gesetze die
   IS-Server gegebenenfalls ins Ausland zu verlegen. Was übrigens wenig
   nützen würde: Auch eine Straftat, die im Ausland ihren Ausgang nimmt,
   bleibt eine Straftat.
   
   Daß Röber den rechtlichen Status Quo nicht für der Weisheit letzten
   Schluß hält, ist hingegen durchaus legitim und vielleicht auch
   nachvollziehbar. Online-Projekte wie die "Internationale Stadt" sind
   öffentliche Räume, in denen sich die Gesellschaft präsentiert, wie sie
   ist. Wer angesichts der dabei aufscheinenden unerfreulichen Seiten nur
   "Zensur!" schreit und "Weg damit!", der verschließt die Augen und
   verdrängt. Im Kampf gegen den gewalttätigen Extremismus ist nicht nur
   der Staat, sondern auch demokratischer Bürgersinn gefordert. Ein
   gelassenerer, selbstbewußterer Umgang mit dem Feind sollte dabei
   möglich sein.
   
   Der wird zur Zeit noch durch geltendes bundesdeutsches Recht
   erschwert, das nicht zuletzt aus bitterer historischer Erfahrung
   erlassen wurde. Doch Gesetze können in Frage gestellt, geändert
   werden, das ist gute demokratische Praxis. Und wer nach anderen
   Mitteln fragt, den Neonazis zu begegnen, leistet ihnen damit noch
   lange keinen Vorschub.
   
   
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   [Zur Diskussion im SPIEGEL-ONLINE-Forum: Haßparolen im Internet]
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              Martin Schr"oder  --  MS@Dream.HB.North.DE