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Re: [FYI] Softwarepatente: Pinguin ruft um Hilfe



On 13 Jul 99 at 15:04, swpat@ffii.org wrote:

> Fuer die Patentierbarkeit eines solchen Verfahrens laesst sich recht
> gut argumentieren.  Doch leider haben die Patentbefuerworter keine
> Kriterien aufgestellt, mit dem man ein solches Verfahren
> zuverlaessig von anderen, weniger schutzwuerdigen, abgrenzen kann. 
> Bevor es solche Kriterien gibt, muss man sich als Patentgegner nicht
> auf das schwierige Terrain der Diskussion um MP3 begeben. Man sollte
> lieber eine der typischen Trivialerfindungen auswaehlen, die von
> Patentaemtern taeglich genehmigt werden, weil es an klaren Kriterien
> fuer "Erfindungshoehe" mangelt.

Die urspruengliche Idee hinter dem Begriff "Erfindungshoehe" war, 
dass nur "entwicklungsraffende" Leistungen patentfaehig sein sollten.

De facto scheint dies heute nicht mehr der Fall zu sein; allerdings 
gibt es keine rechtstatsaechlichen Forschungsergebnisse, die das 
praezise belegen koennten. Aber es ist ein Eindruck, der sich in der 
Praxis aufdraengt.

Eine Ursache ist sicherlich die Konkurrenz zwischen dem EPA und den
nationalen Patentaemtern seit Gruendung des EPA in den 70er Jahren:
Das EPA hat sich de facto wohl seinen "Marktanteil" gegen die
nationalen Patentaemter nicht zuletzt durch progressiven Verfall der
Erfindungshoehe erwirtschaftet. Aber: Offiziell wird man das
natuerlich nie zugeben, und neutrale Forschungsvorhaben gibt es
meines Wissens nicht.

Eine andere Ursache liegt darin, dass die Industrie nicht nach dem 
intellektuellen Wert der Erfindung, sondern nach dem fuer deren 
Vollendung aufgebrachten Aufwand urteilt. Und: es ist nun einmal der 
Fall, dass heutzutage auch sehr kleine Verbesserungen an einem 
Produkt oder Verfahren oft immensen Entwicklungsaufwand erfordern. Da 
Patentschutz global gesehen heutzutage eher Investitionsschutz der 
Verwertungsunternehmen (sprich: der die Patente anmeldenden 
Unternehmen), weniger Partizipationsgarantie der Erfinder (sprich: 
Angestellte in den Unternehmen) ist, leuchtet es ein, dass die 
Industrie den Verfall der Erfindungshoehe zumindest tendentiell 
toleriert, wenn nicht gar aktiv foerdert.

Jedenfalls ist der Rechtsbegriff der "Erfindungsgroesse" in seiner 
praktischen Anwendung objektiv problematisch.

> Auch die aus dem Urheberrecht abgeleiteten Verwertungsvorrechte
> (sog. "geistiges Eigentum") werden oft abgetreten.  Andererseits
> schreibt das deutsche Patentrecht auch vor, dass gewisse Rechte dem
> eigentlichen Erfinder vorbehalten bleiben und nicht ohne weiteres an
> die Firma veraeussert werden koennen -- dagegen schreit die
> Patentlobby und behauptet, dies sei eine illiberale,
> standortschaedigende deutsche Eigenheit.  In diesem Punkt
> unterscheiden sich Urheber- und Patentrecht nicht unbedingt
> grundsaetzlich.

Hmmm... Nicht uebertragbar bei Erfindungen ist allein das sogenannte
"Erfinderpersoenlichkeitsrecht", d.h. die Ehre, als Erfinder genannt
zu werden -- was aber bei der Verwertung in der Regel voellig
uninteressant ist. Moeglicherweise wird hier etwas
durcheinandergebracht: Laut dem deutschen Patentrecht steht im
Augenblick der Vollendung der Erfindung auch dem
Arbeitnehmererfinder das Recht auf das Patent zu. Er ist allerdings
nach dem Arbeitnehmererfindergesetz verpflichtet, die Erfindung dem
Arbeitgeber anzuzeigen, und der Arbeitgeber kann binnen einer
bestimmten Frist die Erfindung "in Anspruch nehmen", d.h. alle
Rechte ausser dem Erfinderpersoenlichkeitsrecht gehen kraft Gesetzes
und ohne dass es eines Vertrages bedarf auf den Arbeitgeber ueber.
Im Gegenzug erwirbt der Arbeitnehmer allerdings einen weitgehenden
Mitsprache- und Verguetungsanspruch, der de Facto den Arbeitgeber an
der freien Verfuegung ueber die Erfindung behindert. Im Ausland ist
das z.T. anders geregelt: Dort geht das Recht an der Erfindung im
Augenblick der Vollendung der Erfindung kraft Gesetzes ratzfatz und
ohne Verguetungs- und sonstige Ansprueche des Arbeitnehmererfinders
auf den Arbeitgeber ueber. Bei multinationalen Entwicklerteams in 
Grossunternehmen sogt das u.U. fuer sozialen Zuendstoff, wenn der 
Angestellte der Niederlassung in DE gegenueber einem Teammitglied, 
welches das Pech hat, bei der CH-Dependance angestellt zu sein, 
materiell hinsichtlich der Erfinderverguetung deutlich bevorzugt 
wird, obwohl alle Teammitglieder zu gleichen Teilen zum Erfolg 
beitragen. In Anbetracht dieser Diskrepanz ist derzeit eine 
Diskussion ueber das deutsche Arbeitnehmererfinderrecht im entstehen 
("Standort Deutschland" usw. usf.).

> Man hoert aber sehr viele Klagen von Einzelerfindern, die trotz
> bereits angemeldeter guter Patente aussen vor bleiben.  Das
> Patentwesen beguenstigt in der Praxis nicht diese Leute.

Wenn das Patentwesen de facto "Investitionsschutz" bedeutet, 
verliert es seinen Sinn dort, wo nichts investiert wird. Das 
uebersehen Einzelerfinder mitunter. DEM 10.000,-- Patentierungskosten 
koennen viel sein, wenn sie in eine blosse Idee investiert werden. 
Bei einem Entwicklungsaufwand von DEM 100.000,-- oder gar im 
Megamarkbereich werden die Patentierungskosten auf einmal handhabbar. 
Deshalb ist auch das Gerede von Politikern (und der 
nachbetenden Presse) Unsinn, die davon reden, die "Erfinder" muessten 
gefoerdert werden. Es geht de facto nicht um Erfinder, die gibt es 
genug, sondern um Maerkte, d.h. einen Praeselektionsvorgang, der aus 
einer Vielzahl intellektuell mehr oder minder brillianter technischer 
Neuerungen diejenigen herausfiltert, die in einer gegeben Situation 
reif fuer eine Vermarktung sind. Wie gesagt, de facto, ohne 
Bewertung.

> Fast alle Patente werden bei uns von Grossunternehmen angemeldet. 

Ob das wohl stimmt? Ich habe keine Statistik zur Hand, zweifle aber 
sehr an dieser Pauschalaussage.

> Eine vom Patentwesen organisierte Wirtschaft ist keine
> Marktwirtschaft sondern eine Kartellwirtschaft. Das ist vielleicht
> nicht unbedingt der falsche Weg, aber man sollte die Lehre
> begreifen:  die "unsichtbare Hand" des Liberalismus ist tot, es wird
> nach Alternativen gesucht.  

Das ist wohl nur das allgemeine "ceterum censo" von -phm.

Zu konzedieren ist allerdings, dass ueber die Patent- und
Lizenzpolitik der Unternehmen viel zu wenig neutral geforscht wird.
Sicher gibt es einen Kartelleffekt des Cross-Licensing. Aber das ist
nicht alles. Es ist ueberaus interessant zu beobachten, wenn
Grossunternehmen dann doch ploetzlich mit der Patentkeule
uebereinander herfallen. Aber, wie gesagt, man weiss viel zuwenig
darueber, und im Gegensatz zu den USA ist es bei uns fuer die
Oeffentlichkeit sehr viel schwieriger, an die Prozessakten
heranzukommen - was nicht in anonymisierter Form veroeffentlicht
wird, bleibt im Verborgenen.

Axel H Horns