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Re[2]: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der fra nzösischen Sprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



Hi Thomas,

> Die Arroganz des Schreibers ist schon erheblich. Als Deutscher, der in
> Frankreich mit Internetfragen beschäftigt ist, erlebe ich, wie hier es nicht
> nötig ist, jede PC- oder Internetangelegenheit in Englisch auszudrücken, um
> zur Szene dazuzugehören.

Wo liegt "hier"? Mich trennen etwa 120 ms von Berlin, nach Paris
dürften es 200 ms sein, und bis Südafrika sind es auch nur 260.

Wenn ich beispielsweise meinen Freunden eine Adressänderung mitteilen
möchte, könnte ich das natürlich in meiner Muttersprache tun; mehr als
40% würden die Zeilen leider nicht verstehen. Oder ich spreche alle in
ihrer eigenen Sprache an; französisch würde ich noch hinbekommen, aber
an portugiesisch, afrikaans und chinesisch würde ich schnell
verzweifeln. Oder ich schreibe alle auf Englisch an, und ich kann mir
sicher sein, daß mich jeder versteht.

> Die Verteidigung der Anwendung der französischen Sprache ist hier keine
> Angelegenheit einer spinnerten Verwaltung, wie der Scheiber unterstellt.
> Warum sollte man statt gedankenlos browser zu sagen, nicht von
> Navigationsprogramm sprechen, statt home page nicht von Empfangsseite ?
> Schliesslich spricht man in Deutschland auch von Suchmaschine und nicht von
> search engine ?

Ein Browser mag ein Navigationsprogramm sein, nicht jedes
Navigationsprogramm ist ein Browser. Gemeinsam ist beiden Begriffen,
daß sie deutsche Fremdwörter sind.

> Der Schreiber vergisst, dass wir uns in der Ausbreitungsphase des Internet
> befinden, in der die anfänglich vorherrschenden technikorientierten Nutzer
> mehr und mehr von der Gruppe der Durchschnittsnutzer überflügelt werden (vgl
> Meldung von gestern: die Soziodemographie neuer Internetnutzer wird dem
> Bevölkerungsdurchscnitt ähnlicher). Für Durchschnittsnutzer steht der
> alltägliche Nutzen der neuen Technik im Vordergrund. Schon aus diesem Grund
> müssen Begriffe und Anleitung in einer für Nichttechniker verständlichen
> Alltagsssprache, d.h. in Deutsch, verfasst werden.

Man braucht mindestens zehn neue Begriffe, um einem Laien zu
erklären, wie er selbst einen Internetzugang einrichtet. Diese
Begriffe codieren für Dinge, die es vor ein paar Jahren noch nicht
gab. Ob man dafür "Browser" oder "Navigationsprogramm" einführt, ist
für den Laien zunächst mal nicht entscheidend, da er ohne weitere
Erklärung mit keinem der Begriffe etwas anfangen kann. Entscheidend
ist, daß er mit einem der Begriffe "Das Ding auf meinem Desktop, mit
dem ich ins Internet komme" assoziiert. Ich bezweifle stark, daß ihm
dabei die Wortschöpfung "Navigationsprogramm" hilft. Wenn man ihm
sagt, daß das Ding Browser heißt, hat das einen entscheidenden
Vorteil: Er kann sich auch noch mit dem Rest der deutschen
Internetnutzer darüber unterhalten. Und hat im Zweifelsfall eine reele
Chance, mit rudimentären Fremdsprachenkenntnissen die Bedeutung eines
nichtdeutschen Text zu diesem Thema zu verstehen.

Sprache ist auch Identität, Kultur und Macht; aber die meisten Leute
verwenden sie dazu, sich zu unterhalten. Die englische Sprache ist auf
dem besten Weg zu einem weltweit einsetzbaren Kommunikationsmedium.
Daß das momentan ein paar unangenehme politische und kulturelle
Implikationen hat, mag sein; aber mit russisch oder chinesisch wäre es
das selbe in grün.

Und Esperanto wollte ja keiner.

> Es ist also funktional,
> in der jeweiligen Landessprache zu veröffentlichen.

Das kommt ganz auf die Zielgruppe an: Wenn ich mich mit einem Produkt,
einer Dienstleistung oder einer Information an "die Welt" wende, ist
es in den seltensten Fällen durchführbar, eine Übersetzung in
wenigstens den 100 wichtigsten Sprachen bereitzustellen.

> Und verfassungsmässige Aufgabe der Regierung ist es hier, die eigene Sprache
> als Umgangssprache durchzusetzen.

Also ein _verfassungsmässiges_ Babylon?

Grüße nach Frankreich,
Alex