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Re: [FYI] Jugendschutz: Filterprogramme bringen es nicht



On Thu, Jan 06, 2000 at 10:54:19PM +0100,
	Kai Raven wrote:
> 
> 
> Hallo Kristian,
> 
> On 05.01.2000 to subject "Re: [FYI] Jugendschutz: Filterprogramme bringen
> es nicht", you wrote:
> 
> >Verzeihung, aber die Situation ist wesentlich komplexer.
> >Zunaechst einmal bestaetigen Filter keinen Wertekanon. Filter
> >blenden Inhalte auf Grund formaler Kriterien aus. 
> 
> Ich denke schon, dass sich ein Filter, der sich in einem amerikanischen
> Filterprogramm befindet erheblich unterscheiden wird von einem
> Filterprogramm, dass von den Taliban in Afghanistan "entwickelt" würde.
> Auch ein "gemeinsamer-europäischer" Filter würde sich wieder von einem
> amerikanischen Filter unterscheiden und die formalen Kriterien beruhen
> letzendlich auf Wertekatalogen, sei das nun die Firma, die das
> Filterprogramm herstellt, eine Elternvereinigung oder ein gemischt
> besetztes, staatliches Gremium.

Dass wir jetzt alle einen Taliban-Kanon uebernehmen sollten und auch nicht
mal einen "westlich-amerikanischen", ist klar. Die Crux ist, dass wir einen
individuellen Filter fuer jeden einzelnen der 80 Millionen Deutschen
brauchen - und den haben wir bereits in Form unserer eigenen individuellen
Werte im Kopf. Dann brauche ich niemanden, der mir ein Sammelsurium an
Filterkriterien aufzwingen will.

> Den gesamten Wertekanon einer Gemeinschaft oder Mehrheit dabei
> widerspiegeln zu wollen, ist zwar der Anspruch der Filtervertreter, aber
> nicht realistisch, es wird immer nur Bruchstück sein und wäre schon

Es werden 80 Millionen Bruchstuecke sein, und die Schnittmenge ist leer.

> >  Die Sperrung hat keine erkennbare Wirkung: Sie ist durch
> >  einen der zahllosen Proxies und Rewebber leicht zu unterlaufen
> >  und das Unterlaufen der Sperre kann nicht wirksam verhindert
> >  werden (siehe auch
> >  http://www.koehntopp.de/kris/artikel/rating_does_not_work:
> >  "E-commerce and ICR&S are natural adversaries"), weil
> >  generische, verschluesselte Ende-zu-Ende Kommunikation im
> >  jedem E-Commerce-faehigen Environment Pflicht ist. 
> 
> Das stimmt, soll eine Filterung wirklich effektiv wirken, wären erheblich
> mehr technische Mittel und restriktivere Gesetze nötig, was aber
> gleichzeitig bedeuten würde, das Web insgesamt abzuschaffen, man könnte
> auch sagen, eine Gesellschaft oder ein Staat müsste direkt den
> Internetzugang in ein landesweites "Intranet" verwandeln.

Selbst das reicht nicht. Ich kann mich in einem Sportvereins-Intranet von
Bayern Muenchen befinden, welches die Webseiten der anderen Erstliga-
Mannschaften ausfiltert, aber trotzdem die Berichte ueber die anderen
in Sportbild lesen. Letztlich ist mein eigener Heim-PC mein eigenes
Intranet, und ein groesseres Intranet kann auf Filterbasis nicht
existieren (ob ich dieses dann noch meiner Familie aufdruecke, ist dann
mein individuelles Problem).

Die Behauptung, Filtern sei mit geeigneten restriktiven Mitteln *moeglich*,
ist genau das gefaehrliche Gedankengut, mit dem wir uns rumschlagen, und
jegliches Zugestaendnis wird von der Gegenseite sofort vereinnahmt.
Filtern ist *nicht* moeglich - nicht *ist schlecht moeglich* oder *ist
schwierig* - es ist faktisch *unmoeglich* in dieser Welt.

Holger

-- 
"Well, from what I've read, scientific studies show men tend to be better at
dealing with visual concepts, while women are better at complex linguistic
communication." - "You mean..." - "Men are from MACs, women are from VMS"
	Erwin the AI, www.userfriendly.org