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Re: Deutscher Provider zensiert das Internet!



In schulung.lists.fitug-debate you write:
>Ums mal auf eine andere Schiene zu bringen: FamilyHarbour ist
>ein Weltbild-Provider. Er bietet heiles Kindernet als Weltbild
>zum Verkauf an.

>So what? Jede Zeitung ist ein Weltbildprovider: Man bekommt
>dort einen kleinen, sehr willkuerlich ausgewaehlten, politisch
>gefaerbten Ausschnitt aus der Meldungs- und Meinungsvielfalt
>gegen Geld. Die Filterungskriterien sind nicht offen. Sind
>Zeitungen deswegen schlecht?

Nein, anders. Was ich in meiner anderen Mail sagte: Das ist der
Unterschied zwischen Freiheit in der Wahl von Werten vs.
Beliebigkeit des Wertesystems. Eine Zeitung oder ein Portal
machen mir den Zugang zu Informationen leichter, die mich
interessieren und eroeffnen mir den Kontakt zu Personen, die
aehnliche Werte vertreten wie ich. Das ist kein Problem, weil
dadurch die Freiheit der Wahl nicht eingeschraenkt wird: Ich
kann immer noch auf andere Veroeffentlichungen zugreifen, nur
habe _ich_ mich entschieden, sie fuer mich auszublenden. 

Das ist genau der Punkt, der vermittelt werden muss, wenn
bombastisch von "Medienkompetenz" die Rede ist. Ich kann mich
jedesmal aufregen, wenn Leute zum Telefon greifen, waehrend ich
mich mit ihnen unterhalte oder wenn sie sich ueber Radiowerbung
aufregen, anstatt den Sender zu wechseln oder abzuschalten:
Solche Menschen sind kontrollieren nicht ihre eigene
Kommunikation. Ich erlebe diese Menschen auch in Anfaengerkursen
fuer Web und Suchmaschinen: Diese Menschen sind auch nicht in
der Lage, im Netz die Seiten zu finden, die sie interessieren,
ja teilweise noch nicht einmal in der Lage, ihre Interessen zu
formulieren bzw. fuer sich selbst die gesuchte Information zu
spezifizieren. Ihnen fehlen in den Worten von David Zindell shih
und tapas [1].

Filter, die sich gegen Umgehung durch den Nutzer wehren koennen
muessen, sind nun genau kein Mittel, um shih zu lernen, denn sie
helfen dem Neuling nicht, seinen Overload zu strukturieren und
in den Griff zu bekommen. Stattdessen halten sie das Filteropfer
dauerhaft klein und dumm - sie nehmen ihm die Freiheit der Wahl
und sind deswegen nicht beliebig, sondern Boese in einem
absoluten Sinn.

Kristian

[1] "Although shih, the sense that 'tastes', feels and organizes
     varying concentrations of information, is the highest of
     these [cybernetic senses], there are others. There is
     plexure [die Faehigkeit, den ideologischen Standpunkt
     beliebig zu waehlen, ohne seine eigenen Werte tatsaechlich
     aufzugeben, und so ein Problem oder eine Ideologie/Religion
     so von allen Seiten zu betrachten zu koennen] and iconic
     vision, simulation, syntaxis and tempo. Tapas is really
     more of a mental discipline than a sense; indeed, it is the
     ability to control - to restrain - the simulation of
     seeing, hearing and smelling. First year novices always
     have trouble learning tapas, which is why a master
     librarian must be present to guide their first journeys
     into shih space."
	-- David Zindell, "Broken God" (0-586-21189-6, pp. 327-328