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Re: Deutscher Provider zensiert das Internet!



In schulung.lists.fitug-debate you write:
>freiheitliches demokratisches denken kann man nicht verordnen,
>nur vorleben und promoten (was hier ja hoffentlich geschieht).

>schon unsere augen sind filter. die angesammelten informationen,
>welche sich zu unserem selbstbewusstsein vereinen, filtern unsere
>sinneseindrücke noch einmal. bis uns jemand "die augen öffnet"
>und wir die sache "in einem anderen licht sehen."

>by the way, FILTERT hier jemand seine mail? tsk, tsk, tsk.

Diese Argumentationslinie ist exemplarisch fuer eine bestimmte
libertaere Ideologie, die Freiheit in der Wahl von Werten mit
Beliebigkeit von Werten verwechselt. Jemand, der seine Mail
filtert, seine Bookmarks organisiert, sich selbst einen
Junkbuster oder meinetwegen einen Cybersitter, eine Netnanny
oder sonst einen Filter installiert, trifft fuer sich eine Wahl.
Der entscheidende Punkt ist die Reflexivitaet - die betreffende
Person trifft eine eigene Entscheidung, da gibt es nichts dran
zu drehen.

Jemand, der mit Mail- oder Webfiltern leben muss, weil sie ihm
jemand anders installiert hat, trifft keine Entscheidung,
sondern sie wird ihm aufgezwungen. Das ist der Punkt, der hier
kritisiert und abgelehnt wird, denn solche Filter sind absolut
und unabhaengig vom verwendeten Wertesystem "schlecht".

Die Entscheidung fuer einen persoenlichen Filter zu treffen und
technisch umzusetzen ist Arbeit, und das soll sie auch sein.
Denn die meisten Menschen bewerten eine Entscheidung
differenzierter, wenn sie mit einer persoenlichen
Arbeitsleistung verbunden ist und sie so gezwungen sind, sich
mit dem Problem tatsaechlich auseinanderzusetzen und den
moeglichen Nutzen gegen die persoenlichen Kosten abzuwaegen.

Man mag darueber diskutieren, wo genau man jetzt die Grenze
ziehen will - ich persoenlich halte einen Zugang mit
Familyfilter, der beim Provider installiert ist, unter dieser
Richtschnur eher fuer unakzeptabel, weil er weder ausreichend
sichtbar, noch differenziert genug einstellbar noch anfaellig
genug gegen Umgehungsgelueste ist.

Aber ich glaube nicht, dass das Kriterium der Reflexivitaet und
das Mass der Umgehungssicherheit als Entscheidungsmass (Ein
Filter, den ich fuer mich waehle, muss nicht manipulationssicher
durch mich sein, weil ich mich ja fuer den Einsatz des Filters
entschieden habe) ernsthaft anfechtbar sind. 

Das gilt selbst dann, wenn ein solcher Filter fuer Kinder, an
Schulen oder daheim zum Einsatz kommt: Wenn ein Kind oder ein
Jugendlicher so weit ist, dass sie oder er die Existenz eines
solchen Filters ueberhaupt wahrnimmt und als stoerend fuer die
eigene Arbeit oder Entwicklung empfindet, dann ist diese
Persoenlichkeit offensichtlich weit genug ausgereift, um mit dem
Netz ohne einen Filter arbeiten zu koennen und dann darf der
Filter keinen uebermaessigen Widerstand leisten, sondern muss
aus dem Weg gehen.

Kristian