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Re: used computers



On Thu, Mar 02, 2000 at 07:38:33PM +0100, Heiko Recktenwald wrote:
> > >Sicher, aber "Rechner als primaeres Arbeitsmittel in allen
> > >Faechern" (Kristian) ist bestimmt nicht anzustreben.
> > 
> > Klar doch. Oder sollen die Goeren weiter mit Papier und
> > Bleistift schreiben? Das ist nicht nur langsamer, sondern auch
> > weniger nuetzlich als Text und Daten auf einem Rechner zu
> > erfassen und zu verarbeiten.
>
> Ernstgemeint ?

Ja, natürlich. Ich weiß nicht, wie Dir das geht, aber nicht nur
ich, sondern auch nahezu alle Leute, die ich kenne, sind mit
einer Tastatur und dem Editor ihrer Wahl um ein mehrfaches
schneller und sauberer als mit Papier und Bleistift. 

Und das ist nur die Datenerfassung - dazu kommen noch die
zahllosen Vorteile beim Zugriff auf Daten (Texte, Bilddaten,
...), die sich allerdings erst dann auszahlen, wenn man sich
unter den zur Verfügung stehenden Werkzeugen einige ausgesucht
und zu eigen gemacht hat. Das "zu eigen machen" passiert jedoch
nur, wenn man tatsächlich auch versucht, alle Arbeit mit diesen
Werkzeugen zu machen, denn nur dann bemerkt man auch die
Schwächen und Unzulänglichkeiten, die diese Werkzeuge
möglicherweise haben.

Eine andere Beobachtung ist auch noch wichtig: Nur, wenn man
über längere Zeit mit einem Computer arbeitet und dabei auch
technologischen Wandel oder gar Plattformwechsel erlebt, wird
einem aus eigener Erfahrung deutlich, welchen Wert
Datenerhaltung und kompatible Formate haben. Ich persönlich
arbeite nun sein 17 Jahren (seit meinem 15. Lebensjahr) an einem
Rechner und habe vor 14 Jahren begonnen, meine Daten zu erhalten
und auf kompatible Werkzeuge und Datenformate wert zu legen -
wobei ich leider einige Rückschläge und unschätzbare Verluste
erlitten habe. Ich habe in dieser Zeit ein $HOME von etwa 1.6 GB
und dort drin einen Textbestand von ca. 150 Megabyte akkumuliert
(der Rest ist Source, Bilddaten und so weiter), von denen ich
etwa 40 Megabyte auf meinen Webseiten öffentlich zur Verfügung
stelle. Es heißt nicht ohne Grund $HOME.


Wenn ich Leute längere Zeit an einem Rechner unterrichte, dann
ist der erste wirklich wichtige Punkt immer der Texteditor: Ich
fordere die Leute auf, sich mit mehreren Editoren zu
beschäftigen und einen wirklich gut zu lernen. Solange man über
Tastenkombinationen nachdenken muß, anstatt die entsprechenden
motorischen Aktionen in den Fingern zu haben, ist man nicht reif
für sinnvolle Arbeit an einem Rechner. Ob das nun :w!, ^KD oder
Alt-Ds zum Speichern sind, die tatsächlich in den Fingern
sitzen, ist egal, aber schreiben mit Blick auf den Bildschirm
und automatische Kommandofolgen sind Vorraussetzung dafür, daß
man arbeitet ohne den Rechner zu spüren und tatsächlich
Produktivität erreicht.

Wenn dieses Stadium einmal erreicht ist, dann kommt die nächste
Phase, nämlich automatische Werkzeugkombination zum Erreichen
von Ergebnissen von selbst: So wie ich ohne nachzudenken
for-Schleifen, awk- oder Perlscripte in eine bash kloppe, so
habe ich andere Leute ohne Mausberührung und ohne Nachdenken
über das "Wie" Word, Excel und WSH/VBA zusammenziehen sehen, um
bestimmte Dinge zu erreichen. Erst wenn kreative Zielvorstellung
("Ich will ... erreichen") und die algorithmische Umsetzung
derselben ("Dazu sind die Schritte ... notwendig") automatisch
und ohne Bewußtwerdung des Übersetzungsprozesses in einem
Schädel koexistieren - wenn man den Rechner also nicht mehr
spürt - dann wird er zu einem nützlichen Werkzeug, zu einer
Geisterweiterung, so wie Hammer und Sägen in den richtigen
Händen zu Körpererweiterungen werden können. Ich mache zwar kein
Aikido, aber ich kann meine Frau gut verstehen, wenn sie mir
davon erzählt und beschreibt, was der Sinn der ganzen Aktion ist.

Wie dem auch sei: Rechner werden nicht von selbst zu einem
nützlichen Werkzeug, sondern nur dadurch, daß man sie sich nimmt
und erlernt. Das hat in der Hauptsache mit Übung, Gewöhnung,
dann mit Gestaltung und Anpassung zu tun - im Werkzeug und in
einem selbst. Und in der langen Sicht mit strategischer Planung
von Datenmigration, damit man sein Gedächnis nicht alle 3 bis 6
Jahre verliert und wieder bei Null anfangen muß. Das alles
erlebt man jedoch nur, wenn man sich dazu zwingt (Es ist nur am
Anfang ein Zwang), alles, wirklich alles, am Rechner zu machen.

Kristian