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Re: Urheberrechte, RPS, CopyKillsMusic, ...



On Mit, Apr 05, 2000 at 01:34:44 +0200, Michael B. Schmidt (Smudo) wrote:

Hallo,

> >- Die "Rights Protection System"-Initiative der IFPI
> >- Urheberrecht und seine Ausgestaltung im allgemeinen
> >- CopyKillsMusic
> 
> endlich erklaert mir das mal jemand. ich dachte es geht nur um
> copykillsmuisc. die initiative der ifpi ist mit nicht bekannt. danke fuer
> die info

Eine Presseerklärung der IFPI findet sich unter <URL:
http://www.ifpi.de/news/news-41.htm>. Massenhaft weitere Diskussionen
über RPS dürften sich per handelsüblicher Suchmaschine leicht finden
lassen.

Auf den Knackpunkt von RPS weist die IFPI in diesem Statement selber
hin: RPS lässt sich mißbrauchen. Technisch funktioniert RPS wie ein
großer Proxy-Cache der eingesetzt werden muß (Zwangsproxy): Jede
http-Anfrage (wahrscheinlich gilt das auch für ftp) muß über diesen
Cache laufen (und wird dort zwischengespeichert). Dann wird ein
Abgleich des angefragten URL mit einer Blacklist gemacht - ist der URL
in dieser Blackliste vorhanden, dann bekommt der Anfragende den Inhalt,
auf den der URL verweist, nicht zu Gesicht. 

Da das ganze (so sieht es die IFPI selber) funktioniert wie eine
Grenzbeschlagnahmung beim normalen Grenzverkehr (bzw. beim Versand von
Postsendungen aus dem Ausland - dort werden aber nur Stichproben
gemacht), kann die IFPI als Privatorganisation natürlich nicht selber
tätig werden, sie ist auf die Zusammenarbeit mit Behörden angewiesen.
Die IFPI favorisiert momentan die Zusammenarbeit mit den Zollbehörden
- eben wegen der "Grenzbeschlagnahmung", die auch von dieser Behörde
durchgeführt wird.

Das heißt: Die IFPI (oder andere) weisen den Zoll auf einen URL hin,
über den man (angeblich) illegal an geschützte Musik rankommt. Den
Eintrag in die Blacklist (die dann automatisch an jeden vorhandenen
dieser Caches verteilt werden muß) nimmt also der Zoll vor.

Und das funktionieren dieser Caches (ich gehe jetzt der Einfachheit
halber davon aus, daß diese funktionieren, sicher bin ich mir da
nicht) wird natürlich Begehrlichkeiten bei anderen Behörden wecken -
eventuell bei der Bundesstaatsanwaltschaft, die über diese Caches den
Import von links/rechtsradikalen Schriften oder ähnliches verweigern
möchte. Gleiches gilt für andere Behörden.

Ich bin mir sicher, daß sich die IFPI nicht bewußt ist, was sie da
gerade versucht loszutreten - bzw. welche Folgen das haben könnte(!).
In diesem Sinne ist mir die "copykillsmusic"-Kampagne um einiges
lieber, als die Begehrlichkeiten, RPS einzuführen. Weiterhin ist auch
noch von keiner Seite erklärt worden, wer die (nicht geringen) Kosten
der Internetprovider trägt, die diese Caches dann an den
Übergangsknoten ins Ausland installieren müssen. 

Wer kontrolliert, daß wirklich der komplette Verkehr über die Ports 80
und 21 über diese Caches gehen? Und noch mehr: Das Vorhandensein
dieser Caches wird (wie es bis jetzt bei solchen Maßnahmen im Internet
fast immer geschehen ist) den Verkehr auf andere Protokolle verlagern
(Napster, ICQ, IRC, News, per Mail auf Anfrage (vgl. Bezug der "Radikal" im
doppelt adressierten Umschlag)). Der Versand über diese Protokolle ist
auch nicht komplizierter als der Download via http - bei Napster ist
er sogar einfacher.


> was den nutzen von copykillsmusic angeht - so moechte ich noch folgendes
> anmerken:
> 
> ich bin ebenfalls der meinung, dass auf (vermutlich ziemlich) lange sicht
> musik vermutlich mehr online gekauft wird, um sie dann auf bespielbare
> tonträger zu bannen. 

Das hängt wahrscheinlich von der Konsumentengruppe ab - ich persönlich
kaufe mir lieber komplette Alben auf CD oder Vinyl (schließlich wird
sich der Künstler was bei der Zusammenstellung gedacht haben ;-) als
mir einzelne Songs aus dem Netz zu ziehen und diese dann auf Tonträger
zu brennen. Es wird auch Möglichkeiten geben, sich Musik im Netz
anzuhören (wie bei Radiostationen werden dann mehrere Streams auf
mehreren Kanälen "gesendet"), und bei Gefallen über Vertriebsfirmen
den Tonträger zu kaufen. Und natürlich werden sich auch viele einfach
so Musik aus dem Netz ziehen (so wie man auch Musik aus dem Radio
aufnehmen kann).

> trotzdem finde ich ckm als grundsaetzliche sensibilisierungs-kampagne
> sinnvoll, weil sie auf breiter ebene durchaus das thema diskutieren
> laesst und der konsument auf diese weise erfahren kann wo das risiko
> fuer musiker bei "freier" musik waere. 

Aber diese Kampagne gibt es schon seitdem ich Platten kaufe (damals
hieß das noch "Hometaping is killing Music", welches dann von den
Hosen zu einem schönen "Homefucking is killing Prostitution"
verballhornt wurde - wie stehen die eigentlich zu ckm?). Das zeigt
doch, daß diese Kampagnen nicht funktionieren.

> musiker die bekannt werden wollen muessen zu bekannt-werdungsmitteln
> (sprich marketing) greifen. diese dienstleistungen uebernehmen heute
> plattenfirmen - morgen vermutlich andere - was bleibt ist, dass
> marketing (neben der tonproduktion) geld kostet, dass nicht
> reinkommt, wenn man musik nicht entsprechend verkaufen kann. 

Unter <URL: http://www.ifpi.de/copy%20cills%20musix.htm> findet sich
die Aussage, daß 10.000 kopierte CDs eine Nachwuchsband killen. Ich
gehe (genau wie bei illegal kopierter Software) davon aus, daß eine
10.000fach kopierte CD _nicht_ 10.000 weniger verkaufte CDs ausmacht,
da nicht jeder der "Besitzer" einer dieser Kopien sich das normale
Album gekauft hätte (ich gehe hier vom normalen Konsumenten aus, nicht
von denen, deren komplette CD-Sammlung aus Kopien besteht - die
bekommt man aber auch mit ckm nicht zum nachdenken).

Die interessante Frage ist doch, wieviele Leute, die im Besitz einer
Kopie sind, sich diese CD gekauft hätten, wenn man sie nicht hätte
kopieren können (genauso wie es früher bei Kopien auf Kassetten war -
allerdings haben wir hier natürlich keine 1:1-Kopie). Zehn Prozent?
Zwanzig Prozent (okay, das sind 2.000 weniger verkaufte CDs)?


> ich finde es wichtig zu annoncieren, dass musik nicht gratis ist (ja
> natuerlich in der regel und ich weiss dass es auch ausnahmen gibt 8-)
> ) das gelingt - stellenweise leidlich - durch ckm

D'accord. Schöpfungsprozess, Produktion, Vertrieb und Marketing kosten
Zeit und Geld, aber:

Ich stelle mir seit etwas längerem die Frage (ich weiß nicht, ob es
folgendes auch in der "deutschen" Musikindustrie gibt), wie die 10.000
kopierten CDs, die eine Nachwuchsband killen ( = 350.000 DM Umsatz,
wie sich dieser verteilt und was da übrig bleibt um eine Nachwuchsband
zu sponsern weiß ich nicht) mit den Geldern, die Künstler wie die
Stones, Prince oder REM bekommen, _nur_ damit sie ihre nächsten
Platten auch bei der Firma machen, bei der sie momentan sind,
in Relation stehen? 

REM haben 80 Mio. DM bekommen (Dollar?), 80.000.000 / 350.000 (ich
gehe jetzt davon aus, das durch 10.000 Kopien _wirklich_ 10.000 CDs
weniger verkauft wurden) sind 228 Nachwuchsbands, die von REM gekillt
wurden (aus Sicht der Zahlen der IFPI). Gehe ich davon aus, daß durch
10.000 kopierte CDs 1.000 CDs weniger verkauft wurden, dann ist REM
schon für 2.280 Bands verantwortlich ;-)

Nicht, daß ich den Bands diese Gelder nicht gönne - aber die
Plattenfirmen sprechen hier wirklich mit gespaltener Zunge, zumindest
aus der Sicht des normalen Konsumenten.

Das hat jetzt zwar wirklich nicht mehr viel mit "Informatik und
Gesellschaft" zu tun, aber einige der Argumentationen der IFPI finde
ich persönlich doch etwas seltsam.

Ralph
-- 
From the moment I picked your book up until I put it down I was
convulsed with laughter.  Some day I intend reading it.
                -- Groucho Marx, from "The Book of Insults"

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