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Re: Urheberrecht usw.



On Mon, Apr 10, 2000 at 03:52:37PM +0200,
	Wau Holland wrote:
> On Wed, Apr 05, 2000 at 01:40:51PM +0200, Holger Veit wrote:
> ...
> > Auch wenn man nicht Software, sondern etwa Musik-Dateien betrachten wuerde:
> > Die breite Masse sind die Konsumenten, die eine MP3-Datei einfach nur fuer 
> > lau kopieren - es ist eine Illusion zu glauben, dass etwa, extrem angedacht,
> ...
> > Information wird auch jetzt nur konsumiert; kreative Nutzung ist die Ausnahme
> ...
> > Information ist zu dem Zeitpunkt kein Individuum mehr, wo sie oeffentlich
> > und reproduzierbar wird. Das war aber auch schon vor den Wahnvorstellungen
> > einer Vermarktung von Information ueber ein Urheberrecht so - ein einmal
> > ausgesprochener Gedanke ist von da ab frei benennbar und modifizierbar.
> 
> ACK - but "name the source" hat seine Bedeutung.
> Zu "Aschenputtel" gehoert eine Quellenangabe wie zum ersten kaputten
> Haushaltsroboter "Besen, Besen, sei's gewesen".

Richtig, das ist durchaus auch dann gegeben, wenn jeder z.B.
"Satisfaction" mit den Stones assoziiert - allerdings reicht Ruhm und
Ehre und der Gewinn durch die Verbreitung der ersten Generation der
Information nicht - Urheberrecht ist gier-getrieben.

> > Die Leistung des Urhebers besteht darin, eine Idee erst mal zu haben - 
> > wenn er sie dann publik macht, hat er sie verloren. 
> 
> Nicht verloren, sondern sie kann Allgemeingut werden.

Verloren *fuer den Urheber* in dem Sinne, dass die grenzenlose Vermarktung
danach nicht mehr moeglich ist. "Zuerst zaehle mal ich, dann ich, dann ich,
und wenn es danach dann wirklich nicht mehr zu vermeiden ist, dann haenge
ich mir auch das Maentelchen des Altruismus um, natuerlich nur dann, wenn
meine Werbefritzen mir bestaetigen, dass dadurch fuer mich ansehensmaessig
was rausspringt."

> > > Auch ist das "Raub"kopieren ja faktisch nicht zu verhindern. Wahr-
> > > scheinlich *kann* man bald nicht mehr mit Informationen Geld verdienen.
> 
> Ich schaetze: durch solide Selektion schon.

Wovon leben Suchmaschinen? Effektiv doch von dem Doubleclick-Schmier,
der die Ladezeiten den Bach runtergehen laesst. Und solide Selektion
macht doch nur noch bei den Leuten Sinn, welche auf ordentliche
Recherchen angewiesen sind, etwa Forscher und Journalisten. Im Netz
kannst Du fuer jede Wahnvorstellung bestaetigende Argumente finden -
das reicht fuers gemeine Fussvolk der Konsumenten. Das ist in etwa
genau dasselbe wie das Neandertaler-Verhalten des heutigen Konsumenten
im Supermarkt: heute jagt man sein Wild im Tiefkuehlregal und traegt
stolz die Beute in der Einkaufstuete nach Hause - das Fleisch mag
minderwertig oder vergammelt sein (Hauptsache: Verfalldatum ok und
Anti-BSE-Stempel aufgedruckt). Der MP3-Jaeger traegt seine Bits nach
Hause, und wenn er dafuer noch 3 Payback-Punkte bekommt, war seine
Jagd erfolgreich; die Bits moegen wie das Fleisch ein paar gruene
Flecken haben, ist egal. Eh, hab' jetzt Infos gesucht im Netz,
hab' 10000 Hits bekommen; die druck' ich jetzt noch schnell aus, und
geb' sie dann als Hausaufgabe ab. Das reicht.

> > Das Paradigma der Wissenschaften besteht etwa darin, Leute einmalig
> > dafuer zu bezahlen, dass sie ihren Kopf benutzen, um etwas Neues
> > herauszufinden. Das klappt hervorragend. Publiziert ist publiziert.
> 
> Zu sehr vom wiss. Standpunkt betrachtet.

Die Realitaet sieht anders aus, ich weiss. In manchen Branchen wird
erst patentiert, dann publiziert, aber das ist die Perversion, welche
aus der Gier erst resultiert, mit minimalstem Aufwand moeglichst viel
vom Kuchen abzukriegen.

> > Die Gier der Kuenstlerschaft und ihrer Vermarktungsmafia besteht im 
> > Gegensatz dazu darin, sich fuer eine einzelne Idee (wenn ueberhaupt
> > eine Idee und nicht nur einfach ein Trittbrettfahren auf Existentem)
> > sich nach Moeglichkeit bis zum Sanktnimmerleinstag bezahlen zu lassen. 
> 
> Grrr.
> Bitte unterscheide (c) und (P), Performance Rights, Auffuehrungsrechte.
> Eine Auffuehrung unterscheidet sich von einer Kopie "eigentlich"
> dadurch, dass eine menschliche Leistungsansammlung stattfindet,
> vom Regisseur ueber den Beleuchter bis zu den Schauspielern.

Ich erinnere mich duester, dass ich in dem geclippten ... da durchaus
differenziert habe, mit dem Argument, dass Zuschauer einer Auffuehrung
fuer eine reale (handwerkliche) Leistung zahlen.

[...]
> ...
> > Ist freilich ein beschissener Gedanke, sich vorzustellen, dass man
> > fuer seine kontinuierliche Arbeit bezahlt werden sollte, so wie alle
> > anderen Menschen auch, und nicht fuer einen einmaligen Geistesblitz
> > (if at all) bis 70 Jahre nach dem Tod des letzten Leichenrechtefledderers.
> 
> Ich halte das Modell der "Auffuehrung" auch bei SW-Lizenzen fuer
> sinnvoll. Und ebenso wie eine Software nicht als "Geistesblitz"
> entsteht, ist es bei Musik: die Muehe der Verfeinerung und Mischung
> bis zum Tonkunstwerk ist kein einmaliger Geistesblitz.

Wann wird "aufgefuehrt", und wer fuehrt da auf, wenn mein Prozessor dank
geladenem Betriebssystem an den I/O-Ports des SCSI-Controllers herum-
bitwackelt, dass andere Bitsammlungen sich in einem Stueck RAM des
Rechners und des Video-RAMs zu einem abstuerzenden Officeprogramms
versammeln? Das haut so nicht hin: mit selbiger Berechtigung darf
der Baecker fuer die Vollkornbrote, die im Laufe der Jahre in Deinem
Magen verschwunden sind, von Dir auch Nutzungslizenzen verlangen - ist
das denn sein Problem, dass Du sie so unvorsichtig verdaut hast? Immerhin
hat er Brot-Kunstwerke geschaffen, welche durch die profanen
Material- und Personalkosten bei weitem nicht adaequat abgegolten
sind.

Und schaetze mich nicht so simpel ein, dass ich neben dem kuenstlerischen
Aspekt der Tonfolge B-A-C-H die Tontechniker, das Kammerorchester und 
den Mikrophontraeger vergesse. Die Kosten fuer deren Taetigkeit sind
allerdings ebenso quantifizierbar und begrenzt wie der Geistesblitz
(oder bei Software auch die mystischen Personenjahre, die
die Ausarbeitung der Bitsammlung gekostet hat). Wenn diese Kosten
eingespielt sind, dann existiert kein Grund mehr, eine weitere,
nur mehr virtuelle und anonyme (nicht mal mehr individuelle,
wie etwa bei einem Musikkonzert) Leistung zu honorieren. Es bleiben
bestenfalls micropayment-Kosten fuer die Kopie der digitalen Information.

Holger

-- 
"Well, from what I've read, scientific studies show men tend to be better at
dealing with visual concepts, while women are better at complex linguistic
communication." - "You mean..." - "Men are from MACs, women are from VMS"
	Erwin the AI, www.userfriendly.org