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Etwas spät: Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein



Etwas spät, aber ich will etwas provozierend sein.

On 20 Mar 00, at 11:29, Kristian Köhntopp wrote:

>
> Einladung kam soeben, mit folgendem Fragebogen. Was fällt Euch dazu
> ein?
>
> Das Treffen "Der Einfluß von I&K-Technologien auf die Strukturen von
> Bildung und Qualifizierung" ist am 29. März. Teilnehmer werden unter
> anderem sein: Ministerin Erdsieck-Rave, Hr. Herchenröder (DGB),
> Prof. Heute (Techfak CAU), Hr. Mader (Telekom), Hr. Malterer (IG
> Medien), Prof. Bernd (Wirtschaftsministerium), Hr. Schmidt (Mobilcom)
> und viele andere mehr.
>
> ----
>
> 1. Stellen Sie sich bitte das deutsche Bildungssystem 2010
>    vor: Welche Veränderung wünschen Sie sich vor dem
>    Hintergrund Ihrer eigenen Bedarfe?
Im Prinzip ist das dt. Bildungssystem nicht so schlecht. Wie so oft liegt
es an der Ausführung: riesiger bürokratischer Overhead, z.T.
unmotivierte Lehrer, ...
Weiterhin wird derzeit zu wenig auf Lernen lernen geachtet. Und zu
wenig auf Persönlichkeitsbildung und zu viel auf das Vermitteln
irgendwelchen Faktenwissens. Wenn jemand gelernt hat, wie er/sie
sich Wissen aneignet, dann kann er/sie die Fakten selbst
zusammensuchen. Wissen ist in diesem Zusammenhang nicht nur
soetwas wie Mathematik, sondern auch soetwas wie handwerkliches
Geschick.

>
> 2. Welche Institutionen (öffentlich oder privat) sollten
>    im Jahr 2010 dafür verantwortlich sein, Lernprozesse in
>    Schule, Hochschule und Beruf zu organisieren?
Vor allem sollten die Schulen, Hochschulen und Berufsschulen selbst
mehr einfluß erhalten. Andererseits sollten insbesondere die
Hochschulen durch eine oder mehrere (unabhängige) Einrichtungen
einem Benchmark und einem direkten Leistungsvergleich unterworfen
werden. Leider sind eine ganze Anzahl Profs. aufgrund "Freiheit der
Wissenschaft" ziemlich Lehrfaul geworden.

>
> 3. Heute gibt es das "Klassenzimmer". Wie sollte der Lernraum im
>    Jahre 2010 aussehen?
Es sollte weiterhin Klassenzimmer geben. Aber nicht nur, sondern auch
"Werkstätten", wo die Lernenden nicht etwas vorgesetzt bekommen
sondern aktiv mit der Materie arbeiten. Werkstatt muß nicht mit
zwingend aber auch mit Hammer und Säge ausgestattet werden, kann
auch ein Computer-Lab zum selber Programmieren sein oder eine
Theater-AG oder....
Wenn man Mut hat, seine Macht als Lehrer (Traditionell ist ein Lehrer
ein Lernrichtungslenker und Lerngeschwindigkeitsregulierer)
einzuschränken, dann kann man ganz hervorragende Lernwerkstätten
einrichten. Wichtig ist der Labor-Charakter in der Werkstatt neben dem
an der Theorie ausgerichteten Klassenzimmer: wirkliche Kompetenz auf
welchem Gebiet auch immer erlernt man durch Mix aus Theorie
(Klassenzimmer) und Selbstmachen (Werkstatt, Labor).
>
> 4. Wie wird Ihrer Einschätzung und Erfahrung nach der Einsatz neuer
>    Technologien den Lernprozeß (Vermittlung und Erarbeitung von
>    Wissen) verändern?
Gar nicht (wenn die Lehrenden das wollen). Wenn man tatsächlich neue
Technologien nicht nur zum dumpfen, ferngesteuerten und automatisch
bewerteten Abfragen einsetzen will, sondern z.B. einem Schüler
ermöglicht, daß er den Computer zum Programmieren benutzt und eine
Videoanlage zum intensiven Video-Schnitt und ein Musikinstrument
zum "musizieren" nach eigenem Geschmack (was vor allem auch die
Toleranz zur aktuellen Musikströmung voraussetzt), dann kann man
optimale Lernergebnisse erzielen. Nötigt aber dem Lehrenden ab, daß
er den Lerndenden als Individum anerkennt.

>
> 5. Wer oder was bestimmt im Jahr 2010 über Lernmethoden und
>    Lerninhalte?
Idealfall: Lehrender und Lernender gemeinsam. Aber das ist ein
soziologisches und kein I&K-Problem
>
> 6. Wie soll aus Ihrer Sicht im Jahre 2010 das Bildungssystem
>    auf keinen Fall sein?
Nur vom Staat organisiert oder nur privat organisiert. Auch kein I&K-
Problem.

Fehlende oder falsch gestellte Fragen unterdrücken folgende Antworten:

- Die dt. Wirtschaft scheint in letzter Zeit (Berufs-)Bildung als einen
kostenlosen Service des Staates oder der angehenden Arbeitnehmer zu
verstehen. Das ist eine fatale Fehlentwicklung, denn auch die Wirtschaft
muß ihren Beitrag dazu leisten. Man kann nicht einerseits nicht
ausbilden wollen und andererseits erwarten, daß Hoschschulabgänger
sofort und optimal auf die unternehmensinternen Abläufe "adaptiert"
sind. <ueberspitzt>Entweder muß ein Unternehmen selbst ausbilden,
dann sind diese Arbeitnehmer nach Ausbildungsende genau richtig für
die Aufgaben ausgebildet, oder das Unternehmen nimmt, wen es findet
und muß sich an das Können dieser Leute anpassen.</ueberspitzt>

- Viele Möglichkeiten, die in den existierenden Bildungseinrichtungen
stecken, werden dadurch erschwert, daß viele Ressourcen in der Schul-
, Hochschul- und sonstiger Verwaltung gebunden sind und ein
grandioses Vorschriftenwerk ein enges Korsett den Schulen,
Hochschulen und Berufsschulen sowie den Lehrenden anlegt. Mit
weniger Vorschriften wäre da einiges flexibler. Ich will jetzt nicht alle
Gesetze und Vorschriften wegwerfen, aber eine Entrümpelung wäre
sicher gut...

- Eine Green Card führt genau in die falsche Richtung. Damit wird der
Druck auf die dt. Ausbildungslandschaft sich zu reformieren
weggenommen ... (Ich meine keine Reform der Reform der
Oberstufenreform, in festgelegt wird, wieviele Stunden Mathe notwendig
sind...;-)


Gruß Arne
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