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Softwarepatente



Es wird immer wieder behauptet, die Patentaemter wuerden 
"Softwarepatente" erteilen, also Patente auf Software. Stimmt das 
eigentlich im strengen Sinne?

Also, ich habe in einem _erteilten_ Patent noch _nie_ einen 
Patentanspruch gesehen, der etwa wie folgt aussieht:

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1. Computerprogramm, bestehend aus folgender Befehlsfoge:

public class JasminVisitor implements Visitor, Constants {
  private JavaClass       clazz;
  private PrintWriter     out;
  private String          class_name;
  private ConstantPoolGen cp;

  public JasminVisitor(JavaClass clazz, OutputStream out) {
    this.clazz = clazz;
    this.out   = new PrintWriter(out);
    class_name = clazz.getClassName();
    cp = new ConstantPoolGen(clazz.getConstantPool());
  }

  /**
   * Start traversal using DefaultVisitor pattern.
   */
  public void disassemble() {
    new DefaultVisitor(clazz, this).visit();
    out.close();
  }

[...]

}

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Selbst wenn irgendwo auf der Welt ein Patentamt sich finden wuerde, 
einen derartigen Anspruch zu gewaehren, muesste der Anmelder (bzw. 
dessen Vertreter) schon mit dem Klammebeutel gepudert sein, sich 
darauf einzulassen, denn der Schutzbereich waere um eine bestimmte 
linguistische Ausdrucksform herum zentriert und darum anfaellig fuer 
Umgehungsloesungen.

Was es natuerlich en masse gibt, sind Patentansprueche, die 
_Algorithmen_ beinhalten. Algorithmen sind im patentrechtlichen 
Kontext eine Abstraktion ueber einer Klasse von bei der Ausfuehrung 
in gleicher Weise wirkenden sprachlichen Ausdrucksformen und daher 
schwerer zu umgehen.

Wenn man den Begriff des Algorithmus ganz weit auffasst und 
insbesondere nicht auf die IT beschraenkt, gehoert auch ein 
chemisches "Kochrezept" (Sprich: ein chemisches Verfahren zur 
Synthese von XYZ) dazu: Man nehme ... und koche ... und ruehre .... 
usw.usf. Kontrovers geworden sind insbesondere im Hinblick auf die 
langfristigen Ueberlebensaussichten geGNUter Open Source Software 
Patentansprueche mit solchen Algorithmen, die ueblichewerweise auf v. 
Neumann'schen Universalrechnern auszufuehren sind, beispielsweise ein 
Verfahren zum Komprimieren von Bilddaten usw. usf.  

Die bisherige politische Softwarepatentdebatte zentriert sich - 
soweit ich es erkennen kann - um die Frage, ob es den Patentaemtern 
erlaubt sein soll, Patentansprueche zu _erteilen_, die solche  
algorithmenartigen Merkmale enthalten, welche normalerweise auf die 
Ausfuehrung mittels eines v. Neumann'schen Universalrechners zielen. 
Von Patenten, die derartige Ansprueche beinhalten, sagt man im 
neueren Sprachgebrauch, es seien "Softwarepatente". Eigentlich sind 
es "informationstechnische Algorithmenpatente".

Soweit diese Debatte nicht nur polemisch, sondern auf akzeptablem 
fachlichen Niveau gefuehrt worden ist, scheint deutlich geworden zu 
sein, dass es bislang auch niemandem aus dem Lager der Kritiker der 
bisherigen Patentpraxis gelungen ist, ein konhaerentes ueberzeugendes 
Begriffsraster vorzuschlagen, mit dem in Patentanspruechen zwischen 
markrooekonomisch mit positiven (zumindest ohne gravierende negative) 
Folgen monopolisierbaren Algorithmen (hier wieder im weitesten Sinne 
verstanden) wie chemischen Verfahren und makrooekonomisch nur mit 
negativen Folgen monopolisierbaren Algorithmen (z.B. solche, die 
normalerweise nur auf v. Neumann'schen Universalrechnern ausgefuehrt 
werden) unterschieden werden kann. Die Ursache hierfuer liegt darin, 
dass sowohl die proprietaere Kraftstoffeinspritzung in einem 
Verbrennungsmotor als auch die Darstellung eines Grafik-Objektes auf 
einem Bildschirm eines LINUX-PCs auf der gleichen Sorte von 
Universalmaschine abgewickelt wird. Ich sehe keine Moeglichkeit einer 
stringenten Unterscheidung im Erteilungsverfahren mehr.

Ich habe auch den Eindruck, dass wenig Bedenken dagegen bestehen, 
dass Motorenhersteller sich gegenseitig Geld fuer Patentlizenzen 
abknoepfen duerfen, wenn sie z.B. patentierte Algorithmen zur 
Motorsteuerung einsetzen wollen.

Das eigentliche rechtspolitische sich ausformulierende und 
markrooekonomisch begruendete Problem scheint mir doch eher in der 
Verletzungsfrage zu liegen, naemlich dass es z.B. ohne weiteres 
moeglich ist, mit einem unentgeltlich erstellten geGNUten Linux-
Kernel (mittelbare) Patentverletzungshandlungen zu begehen.  

Sollte die politische Softwarepatentdiskussion daraus Konsequenzen 
ziehen und wegkommen von der Frage, ob und welche Patentansprueche 
mit algorithmischem Charakter die Patentaemter erteilen duerfen 
sollen, zugunsten der Frage, wie die Patentverletzungstatbestaende 
auszugestalten waeren, an die dann die Verletzungsgerichte gebunden 
sind?

http://transpatent.com/gesetze/patg1.html#9

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                      § 9 [Wirkung des Patentes]

Das Patent hat die Wirkung, daß allein der Patentinhaber befugt ist, 
die patentierte Erfindung zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, 
ohne seine Zustimmung  

1.ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, 
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den 
genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.  

2.ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, 
wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich 
ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des 
Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses 
Gesetzes anzubieten;  

3.das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, 
unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen 
oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen 
oder zu besitzen.  


  § 10 [Verbotene Verwendung von Mitteln zur Benutzung der Erfindung] 

(1) Das Patent hat ferner die Wirkung, daß es jedem Dritten verboten 
ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses 
Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung 
berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element 
der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im 
Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der 
Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß 
diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der 
Erfindung verwendet zu werden.  

(2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei den Mitteln um 
allgemein im Handel erhältliche Erzeugnisse handelt, es sei denn, daß 
der Dritte den Belieferten bewußt veranlaßt, in einer nach § 9 Satz 2 
verbotenen Weise zu handeln.  

(3) Personen, die in § 11 Nr. 1 bis 3 genannten Handlungen vornehmen, 
gelten im Sinne des Absatzes 1 nicht als Personen, die zur Benutzung 
der Erfindung berechtigt sind.  


                       § 11 [Erlaubte Handlungen]  

Die Wirkung des Patents erstreckt sich nicht auf  

1.Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken 
vorgenommen werden;  

2.Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der 
patentierten Erfindung beziehen;  

3.die unmittelbare Einzelzubereitung von Arzneimitteln in Apotheken 
auf Grund ärztlicher Verordnung sowie auf Handlungen, welche die auf 
diese Weise zubereiteten Arzneimittel betreffen;  

4.den an Bord von Schiffen eines anderen Mitgliedstaates der Pariser 
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums 
stattfindenden Gebrauch des Gegenstands der patentierten Erfindung im 
Schiffskörper, in den Maschinen, im Takelwerk, an den Geräten und 
sonstigem Zubehör, wenn die Schiffe vorübergehend oder zufällig in 
die Gewässer gelangen, auf die sich der Geltungsbereich dieses 
Gesetzes erstreckt, vorausgesetzt, daß dieser Gegenstand dort 
ausschließlich für die Bedürfnisse des Schiffes verwendet wird;  

5.den Gebrauch des Gegenstandes der patentierten Erfindung in der 
Bauausführung oder für den Betrieb der Luft- oder Landfahrzeuge eines 
anderen Mitgliedstaates der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz 
des gewerblichen Eigentums oder des Zubehörs solcher Fahrzeuge, wenn 
diese vorübergehend oder zufällig in den Geltungsbereich dieses 
Gesetzes gelangen;  

6.die in Artikel 27 des Abkommens vom 7. Dezember 1944 über die 
internationale Zivilluftfahrt (BGBl. 1956 II S. 411) vorgesehenen 
Handlungen, wenn diese Handlungen ein Luftfahrzeug eines anderen 
Staats betreffen, auf den dieser Artikel anzuwenden ist.  

             § 12 [Beschränkung der Wirkung gegenüber Benutzer]  

(1) Die Wirkung des Patents tritt gegen den nicht ein, der zur Zeit 
der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen 
oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser 
ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs 
in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen. Die Befugnis kann 
nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. Hat der 
Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung vor der Anmeldung 
anderen mitgeteilt und sich dabei seine Rechte für den Fall der 
Patenterteilung vorbehalten, so kann sich der, welcher die Erfindung 
infolge der Mitteilung erfahren hat, nicht auf Maßnahmen nach Satz 1 
berufen, die er innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung 
getroffen hat.  

(2) Steht dem Patentinhaber ein Prioritätsrecht zu, so ist an Stelle 
der in Absatz 1 bezeichneten Anmeldung die frühere Anmeldung 
maßgebend. Dies gilt jedoch nicht für Angehörige eines ausländischen 
Staates, der hierin keine Gegenseitigkeit verbürgt, soweit sie die 
Priorität einer ausländischen Anmeldung in Anspruch nehmen.  

        § 13 [Beschränkung der Wirkung für öffentliche Wohlfahrt und
             Staatssicherheit]  

(1) Die Wirkung des Patents tritt insoweit nicht ein, als die 
Bundesregierung anordnet, daß die Erfindung im lnteresse der 
öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Sie erstreckt sich ferner 
nicht auf eine Benutzung der Erfindung, die im lnteresse der 
Sicherheit des Bundes von der zuständigen obersten Bundesbehörde oder 
in deren Auftrag von einer nachgeordneten Stelle angeordnet wird.  

(2) Für die Anfechtung einer Anordnung nach Absatz 1 ist das 
Bundesverwaltungsgericht zuständig, wenn sie von der Bundesregierung 
oder der zuständigen obersten Bundesbehörde getroffen ist.  

(3) Der Patentinhaber hat in den Fällen des Absatzes 1 gegen den Bund 
Anspruch auf angemessene Vergütung. Wegen deren Höhe steht im 
Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Eine 
Anordnung der Bundesregierung nach Absatz 1 Satz 1 ist dem in der 
Rolle (§ 30 Abs. 1) als Patentinhaber Eingetragenen vor Benutzung der 
Erfindung mitzuteilen. Erlangt die oberste Bundesbehörde, von der 
eine Anordnung oder ein Auftrag nach Absatz 1 Satz 2 ausgeht, 
Kenntnis von der Entstehung eines Vergütungsanspruchs nach Satz 1, so 
hat sie dem als Patentinhaber Eingetragenen davon Mitteilung zu 
machen.  

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Waere der rechtspolitische Hebel zur Sicherung der markooekonomischen 
Effekte der OSS nicht eher im Bereich der §§ 9-13 PatG statt §1 PatG 
zu sehen? Die Konsequenz waere, den Blick von den fuer die 
Patenterteilung zustaendigen Patentaemtern wegzulenken hin zu den 
fuer Patentverletzungen zustaendigen Kammern der Landgerichte. Wie 
muessten diese Bestimmungen ggfs. geaendert werden?  

Fragt sich

--AHH