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FAZ: "Keine Sonderstellung" für Rechtsradikale



> Auf Seite 1 der heutigen FAZ befindet sich ein Artikel von Karl
> Feldmeyer, der sich kritisch mit dem Aktionismus "gegen Rechts"
> auseinandersetzt. Hat zwar nichts mehr mit dem Filtern im Netz
> zu tun, aber paßt im Zusammenhang vielleicht hierher. Hier ein
> paar Ausrisse:

Ein aehnlicher Leitartikel findet sich in der ZEIT dieser Woche S. 37 von
Joerg Lau "Die wehrhafte Demokratie sucht ihr Heil wieder in
Parteiverboten".  Lau kritisiert insbesondere die NPD-Debatte, bei der es
allen Seiten offenbar nur um die Frage ging, ob ein Parteiverbot der NPD
nuetzen oder schaden wuerde, als waere das Verbieten von Parteien
selbst unproblematisch.  Viele scharfsichtige Beobachtungen.

Ein bemerkenswerter Artikel aehnlichen Inhalts war kuerzlich in der
Wochenzeitung "Junge Freiheit" zu finden, die sich selbst als "rechts"
definiert und von anderen gerne als "rechtsextrem" stigmatisiert (und dazu
gelegentlich mit Bomben angegriffen) wird, s. unten.

Eigentlich traurig, dass man sich mit diesen Themen so intensiv befassen
muss.  Leider werden aber unter dem Vorwand des Schutzes vor Extremisten
sicherlich demnaechst allerlei internationale Vertraege abgeschlossen
werden, von denen man erst zu spaet merkt, dass sie die Netzinfrastruktur
zerstoeren und privaten Herrschaftsinteressen in die Haende spielen.

Insofern ist vielleicht gerade die von Aussenminister Fischer verfemte
"antieuroaeische Haltung" im Moment zum Schutze grundlegender Rechtsgueter
notwendig.  Diese Rechtsgueter werden naemlich durch Rueckgriff auf die
europaeische oder internationale Ebene ausgehebelt, auf der es keine
Gewaltenteilung gibt.

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     © JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/00
                                  18.08.00
   Druck auf Konservative
   Kampf gegen den Rechtsextremismus: Worum es eigentlich geht
   Michael Wiesberg
   
   Seit dem Tag des bisher unaufgeklärten Anschlages an der Düsseldorfer
   S-Bahn-Station Wehrhahn, am 27. Juli vergeht kein Tag, an dem sich
   nicht irgendein Politiker darüber räsoniert, welche Maßnahmen im
   "Kampf gegen den Rechtsextremismus" zu ergreifen sind. Es findet ein
   regelrechter Überbietungswettlauf statt, an dem auch Politiker wie zum
   Beispiel Bundesaußenminister Fischer teilnehmen, die sich in den
   siebziger und achtziger Jahren nicht genug darüber auslassen konnten,
   wie "repressiv" doch der bundesdeutsche Staat sei. Jetzt, wo es gegen
   "Rechts" geht, stehen sie als Claqueure in der ersten Reihe, um das zu
   begrüßen, was sie jahrzehntelang als "faschistoid" bekämpften: einen
   starken Staat. Eine erstaunliche Koalition quer durch alle Parteien,
   die sich hier unter dem Schild des antifaschistischen Widerstandes
   zusammengefunden hat. Alle sind sich einig, daß mit der Toleranz gegen
   Rechts jetzt Schluß sein müsse.
   
   Der Maßnahmenkatalog, den die öffentlichen Verfechter der
   "parteiischen Toleranz" in den letzten Wochen vorgelegt haben, liest
   sich in der Tat beeindruckend. Lassen wir die wesentlichsten
   Forderungen an dieser Stelle einmal Revue passieren: NPD-Verbot,
   Schnellgerichte, Einschränkung des Demonstrationssrechtes, Bekämpfung
   "rechtsextremistischer" Internetadressen, Bündnisse gegen Rechts,
   Sanktionen gegen "rechtsextremistische" Arbeitnehmer, Einsatz des
   Bundesgrenzschutzes gegen rechtsradikale Gewalttäter, Schaffung
   staatsanwaltlicher "Spezialabteilungen zur Verfolgung kollektiver
   Gewalttaten mit rassistischem und fremdenfeindlichen Hintergrund",
   Videoüberwachung gefährlicher Orte, die häufig Schauplatz "rechter
   Gewalttaten" gewesen sein sollen oder tatsächlich waren, Streichung
   der Wahlkampfkostenrückerstattung für rechte Parteien, sowie die
   Schaffung einer Datenbank für "rechtsextremistische Gewalttäter".
   
   Daß der Staat gegen extremistische Gewalttäter mit aller Härte
   vorgehen muß, steht außer Frage. Gleiches gilt auch im Hinblick auf
   politische Organisationen, denen nachgewiesen werden kann, daß sie zum
   Sammelbecken von gewaltbereiten Extremisten geworden sind. Hier ist
   unter Umständen auch ein Verbotsantrag legitim, sollte der
   entsprechenden Organisation eine "aktiv-kämpferische Haltung gegenüber
   der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" nachgewiesen werden
   können. Dies alles sind legitime Maßnahmen, mit denen sich der Staat
   gegen Extremisten von links- oder rechtsaußen schützen muß.
   Andererseits betrifft die Unverfrorenheit, mit der Politiker quer
   durch alle Lager auch Grundrechtseingriffe einfordern. So erklärte
   ausgerechnet die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (SPD): "Wir
   brauchen mehr Einmischung für Toleranz und die vollständige Ächtung
   rechtsextremistischer Töne und Attitüden in unserer Gesellschaft." Die
   pauschale Kriminalisierung der von Däubler-Gmelin nicht näher
   präzisierten "rechtsextremistischen Töne und Attitüden" verläßt den
   Boden des demokratischen Diskurses, weil sie bestimmte Meinungen und
   politische Positionen als illegal oder demokratisch illegitim
   disqualifiziert. Die auf diese Weise tabuisierten Positionen sollen
   aus dem demokratischen Willensbildungsprozeß verdrängt werden.
   
   Dafür ein konkretes Beispiel aus der laufenden Debatte: Die im Grunde
   längst überfällige Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten
   Stoiber nach einer "nationalen Bevölkerungspolitik" nannte die
   Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, Kerstin
   Müller, "unverantwortliche Deutschtümelei". Der Vorsitzende der
   bayerischen SPD-Landesgruppe, Ludwig Stiegler, warf Stoiber sogar vor,
   er gehöre zu den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern der
   rechtsextremistischen Täter". Der Unionspolitiker und Vizepräsident
   des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, sprach davon, daß immer
   noch nicht verstanden werde, "daß Deutschlands Zukunft nicht davon
   abhängt, daß deutsche Eltern deutsche Kinder bekommen".
   
   Die Reaktionen auf den Vorstoß von Stoiber zeigen ganz deutlich, daß
   die gegenwärtige Debatte zu einer vollständigen Ausgrenzung rechter
   (besser: konservativer) Positionen, deren nähere Bestimmung der
   derzeit regierenden classe politique überlassen bleibt, aus dem
   Willensbildungsprozeß führen kann. Natürlich läßt es das Grundgesetz
   zu, daß Gruppierungen aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt werden
   können, die dessen Grundlagen zu beseitigen trachten. Die Ausgrenzung
   wirklicher Extremisten dient der Demokratie. Die Ausgrenzung von
   Personen, Organisationen und Meinungen aber, die mit der
   freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind, würde die
   Grundlagen unserer Demokratie in Frage stellen. Genau an diesem
   Wendepunkt ist die öffentliche Debatte zum Thema "Rechtsextremismus"
   angelangt. Es dürfte in Zukunft immer riskanter werden, zu den
   existenziellen Themen der deutschen Gesellschaft (Stichworte:
   Demographie oder Zu- bzw. Einwanderung) öffentlich eine kritische
   Haltung einzunehmen. Daß die Unionsparteien diese Gefahr nicht nur
   nicht erkennen, sondern sich zu antifaschistischen Stichwortgebern
   herabwürdigen, stellt die bedenklichste Konsequenz der laufenden
   Debatte dar. Die Unionsparteien fallen damit als Korrektiv gegen die
   rot-grüne Gesellschaftsveränderung aus.
   
   Auf diese Art und Weise wird die "Klassenabschließung", ein Begriff,
   den der deutsche Soziologe Helmut Schelsky prägte, perfekt.
   "Klassenabschließung" meint dieHerausbildung und Bewahrung einer
   eigenen, gruppenhaften Sprache, die gegen nicht genehme
   Fragestellungen ("Tabuthemen") abschirmt. Sie stärkt die Autorität
   derer, die sich der entsprechenden Sprachformeln bedienen, und
   vermittelt ihnen ein legitimes Herrschaftsbewußtsein. Diese
   Sprachformeln kennen keinen Standpunkt der Neutralität, wie das
   Beispiel Stoiber zeigt. Immer mehr entscheidet die sprachliche
   Artikulation darüber, ob man zur Klasse der politisch Korrekten zählt
   oder zu denen, die politisch immer ohnmächtiger werden.
   
   Da eine sprachliche Zensur von staatlicher Seite ausgeschlossen ist,
   hängt der Sprach- und Verständigungskonsens in einer pluralistischen
   Demokratie an den sozialen und politischen Kräften, die die
   Sprachgewalt ausüben. Zu diesen Kräften, die die Sprachgewalt in
   Deutschland prägen, werden die Unionsparteien in Zukunft immer weniger
   gehören. Diese haben nicht begriffen, daß rotgrüne Politik darauf
   hinausläuft, "rückschrittlichen (rechten oder konservativen)
   Bewegungen" die Toleranz zu entziehen, ehe diese selber aktiv werden
   können. Intoleranz gegenüber der Meinung, dem Denken und dem Wort
   gehört ausdrücklich zum Instrumentarium der "parteiischen Toleranz".
   Dadurch, daß sich die Unionsparteien zu deren Anwalt machen, spielen
   sie das Spiel der rotgrünen Gesellschaftsveränderer als "nützliche
   Idioten" mit. Hierin liegt die eigentliche Tragik der laufenden
   Debatte zum Thema "Rechtsextremismus
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