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FAZ: "Keine Sonderstellung" für Rechtsradikale
- To: Markus Schaaf <m.schaaf.exp-dec-2000@gmx.de>
- Subject: FAZ: "Keine Sonderstellung" für Rechtsradikale
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Sat, 2 Sep 2000 08:37:50 +0200 (CEST)
- cc: debate@fitug.de
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- In-Reply-To: <047f01c0149b$6251fa80$33c6b43e@troy>
- Sender: owner-debate@fitug.de
> Auf Seite 1 der heutigen FAZ befindet sich ein Artikel von Karl
> Feldmeyer, der sich kritisch mit dem Aktionismus "gegen Rechts"
> auseinandersetzt. Hat zwar nichts mehr mit dem Filtern im Netz
> zu tun, aber paßt im Zusammenhang vielleicht hierher. Hier ein
> paar Ausrisse:
Ein aehnlicher Leitartikel findet sich in der ZEIT dieser Woche S. 37 von
Joerg Lau "Die wehrhafte Demokratie sucht ihr Heil wieder in
Parteiverboten". Lau kritisiert insbesondere die NPD-Debatte, bei der es
allen Seiten offenbar nur um die Frage ging, ob ein Parteiverbot der NPD
nuetzen oder schaden wuerde, als waere das Verbieten von Parteien
selbst unproblematisch. Viele scharfsichtige Beobachtungen.
Ein bemerkenswerter Artikel aehnlichen Inhalts war kuerzlich in der
Wochenzeitung "Junge Freiheit" zu finden, die sich selbst als "rechts"
definiert und von anderen gerne als "rechtsextrem" stigmatisiert (und dazu
gelegentlich mit Bomben angegriffen) wird, s. unten.
Eigentlich traurig, dass man sich mit diesen Themen so intensiv befassen
muss. Leider werden aber unter dem Vorwand des Schutzes vor Extremisten
sicherlich demnaechst allerlei internationale Vertraege abgeschlossen
werden, von denen man erst zu spaet merkt, dass sie die Netzinfrastruktur
zerstoeren und privaten Herrschaftsinteressen in die Haende spielen.
Insofern ist vielleicht gerade die von Aussenminister Fischer verfemte
"antieuroaeische Haltung" im Moment zum Schutze grundlegender Rechtsgueter
notwendig. Diese Rechtsgueter werden naemlich durch Rueckgriff auf die
europaeische oder internationale Ebene ausgehebelt, auf der es keine
Gewaltenteilung gibt.
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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/00
18.08.00
Druck auf Konservative
Kampf gegen den Rechtsextremismus: Worum es eigentlich geht
Michael Wiesberg
Seit dem Tag des bisher unaufgeklärten Anschlages an der Düsseldorfer
S-Bahn-Station Wehrhahn, am 27. Juli vergeht kein Tag, an dem sich
nicht irgendein Politiker darüber räsoniert, welche Maßnahmen im
"Kampf gegen den Rechtsextremismus" zu ergreifen sind. Es findet ein
regelrechter Überbietungswettlauf statt, an dem auch Politiker wie zum
Beispiel Bundesaußenminister Fischer teilnehmen, die sich in den
siebziger und achtziger Jahren nicht genug darüber auslassen konnten,
wie "repressiv" doch der bundesdeutsche Staat sei. Jetzt, wo es gegen
"Rechts" geht, stehen sie als Claqueure in der ersten Reihe, um das zu
begrüßen, was sie jahrzehntelang als "faschistoid" bekämpften: einen
starken Staat. Eine erstaunliche Koalition quer durch alle Parteien,
die sich hier unter dem Schild des antifaschistischen Widerstandes
zusammengefunden hat. Alle sind sich einig, daß mit der Toleranz gegen
Rechts jetzt Schluß sein müsse.
Der Maßnahmenkatalog, den die öffentlichen Verfechter der
"parteiischen Toleranz" in den letzten Wochen vorgelegt haben, liest
sich in der Tat beeindruckend. Lassen wir die wesentlichsten
Forderungen an dieser Stelle einmal Revue passieren: NPD-Verbot,
Schnellgerichte, Einschränkung des Demonstrationssrechtes, Bekämpfung
"rechtsextremistischer" Internetadressen, Bündnisse gegen Rechts,
Sanktionen gegen "rechtsextremistische" Arbeitnehmer, Einsatz des
Bundesgrenzschutzes gegen rechtsradikale Gewalttäter, Schaffung
staatsanwaltlicher "Spezialabteilungen zur Verfolgung kollektiver
Gewalttaten mit rassistischem und fremdenfeindlichen Hintergrund",
Videoüberwachung gefährlicher Orte, die häufig Schauplatz "rechter
Gewalttaten" gewesen sein sollen oder tatsächlich waren, Streichung
der Wahlkampfkostenrückerstattung für rechte Parteien, sowie die
Schaffung einer Datenbank für "rechtsextremistische Gewalttäter".
Daß der Staat gegen extremistische Gewalttäter mit aller Härte
vorgehen muß, steht außer Frage. Gleiches gilt auch im Hinblick auf
politische Organisationen, denen nachgewiesen werden kann, daß sie zum
Sammelbecken von gewaltbereiten Extremisten geworden sind. Hier ist
unter Umständen auch ein Verbotsantrag legitim, sollte der
entsprechenden Organisation eine "aktiv-kämpferische Haltung gegenüber
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung" nachgewiesen werden
können. Dies alles sind legitime Maßnahmen, mit denen sich der Staat
gegen Extremisten von links- oder rechtsaußen schützen muß.
Andererseits betrifft die Unverfrorenheit, mit der Politiker quer
durch alle Lager auch Grundrechtseingriffe einfordern. So erklärte
ausgerechnet die Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (SPD): "Wir
brauchen mehr Einmischung für Toleranz und die vollständige Ächtung
rechtsextremistischer Töne und Attitüden in unserer Gesellschaft." Die
pauschale Kriminalisierung der von Däubler-Gmelin nicht näher
präzisierten "rechtsextremistischen Töne und Attitüden" verläßt den
Boden des demokratischen Diskurses, weil sie bestimmte Meinungen und
politische Positionen als illegal oder demokratisch illegitim
disqualifiziert. Die auf diese Weise tabuisierten Positionen sollen
aus dem demokratischen Willensbildungsprozeß verdrängt werden.
Dafür ein konkretes Beispiel aus der laufenden Debatte: Die im Grunde
längst überfällige Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten
Stoiber nach einer "nationalen Bevölkerungspolitik" nannte die
Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, Kerstin
Müller, "unverantwortliche Deutschtümelei". Der Vorsitzende der
bayerischen SPD-Landesgruppe, Ludwig Stiegler, warf Stoiber sogar vor,
er gehöre zu den "geistigen Wegbereitern und Stichwortgebern der
rechtsextremistischen Täter". Der Unionspolitiker und Vizepräsident
des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, sprach davon, daß immer
noch nicht verstanden werde, "daß Deutschlands Zukunft nicht davon
abhängt, daß deutsche Eltern deutsche Kinder bekommen".
Die Reaktionen auf den Vorstoß von Stoiber zeigen ganz deutlich, daß
die gegenwärtige Debatte zu einer vollständigen Ausgrenzung rechter
(besser: konservativer) Positionen, deren nähere Bestimmung der
derzeit regierenden classe politique überlassen bleibt, aus dem
Willensbildungsprozeß führen kann. Natürlich läßt es das Grundgesetz
zu, daß Gruppierungen aus dem öffentlichen Diskurs ausgegrenzt werden
können, die dessen Grundlagen zu beseitigen trachten. Die Ausgrenzung
wirklicher Extremisten dient der Demokratie. Die Ausgrenzung von
Personen, Organisationen und Meinungen aber, die mit der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind, würde die
Grundlagen unserer Demokratie in Frage stellen. Genau an diesem
Wendepunkt ist die öffentliche Debatte zum Thema "Rechtsextremismus"
angelangt. Es dürfte in Zukunft immer riskanter werden, zu den
existenziellen Themen der deutschen Gesellschaft (Stichworte:
Demographie oder Zu- bzw. Einwanderung) öffentlich eine kritische
Haltung einzunehmen. Daß die Unionsparteien diese Gefahr nicht nur
nicht erkennen, sondern sich zu antifaschistischen Stichwortgebern
herabwürdigen, stellt die bedenklichste Konsequenz der laufenden
Debatte dar. Die Unionsparteien fallen damit als Korrektiv gegen die
rot-grüne Gesellschaftsveränderung aus.
Auf diese Art und Weise wird die "Klassenabschließung", ein Begriff,
den der deutsche Soziologe Helmut Schelsky prägte, perfekt.
"Klassenabschließung" meint dieHerausbildung und Bewahrung einer
eigenen, gruppenhaften Sprache, die gegen nicht genehme
Fragestellungen ("Tabuthemen") abschirmt. Sie stärkt die Autorität
derer, die sich der entsprechenden Sprachformeln bedienen, und
vermittelt ihnen ein legitimes Herrschaftsbewußtsein. Diese
Sprachformeln kennen keinen Standpunkt der Neutralität, wie das
Beispiel Stoiber zeigt. Immer mehr entscheidet die sprachliche
Artikulation darüber, ob man zur Klasse der politisch Korrekten zählt
oder zu denen, die politisch immer ohnmächtiger werden.
Da eine sprachliche Zensur von staatlicher Seite ausgeschlossen ist,
hängt der Sprach- und Verständigungskonsens in einer pluralistischen
Demokratie an den sozialen und politischen Kräften, die die
Sprachgewalt ausüben. Zu diesen Kräften, die die Sprachgewalt in
Deutschland prägen, werden die Unionsparteien in Zukunft immer weniger
gehören. Diese haben nicht begriffen, daß rotgrüne Politik darauf
hinausläuft, "rückschrittlichen (rechten oder konservativen)
Bewegungen" die Toleranz zu entziehen, ehe diese selber aktiv werden
können. Intoleranz gegenüber der Meinung, dem Denken und dem Wort
gehört ausdrücklich zum Instrumentarium der "parteiischen Toleranz".
Dadurch, daß sich die Unionsparteien zu deren Anwalt machen, spielen
sie das Spiel der rotgrünen Gesellschaftsveränderer als "nützliche
Idioten" mit. Hierin liegt die eigentliche Tragik der laufenden
Debatte zum Thema "Rechtsextremismus
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