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Re: "Keine Sonderstellung" für Rechtsradikale



>    © JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de
>                                 18.08.00
>  Druck auf Konservative
>  Kampf gegen den Rechtsextremismus: Worum es eigentlich geht
>  Michael Wiesberg
>
>  [...] Die Ausgrenzung wirklicher Extremisten dient der
>  Demokratie. [...]

Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, ob dieses Prinzip nicht
eigentlich verkehrt ist: Müßte eine richtige Demokratie sich
nicht auch abschaffen dürfen, wenn es der Wille der Mehrheit ist?
Nicht, daß ich glaube, dieser Fall würde eintreten, aber kann sie
ohne diese Möglichkeit wirklich glaubwürdig sein?

Ich verstehe durchaus, daß gerade bei Erstellung der Verfassung
dieser Republik besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde, Mecha-
nismen einzubauen, die eine Wiederholung des Dritten Reiches
verhindern sollen. Aber sind die wirklich effektiv? Oder eher
kontraproduktiv? Sind nicht gerade die verbotenen Dinge für den
Außenseiter interessant, allein schon aus Protest?

Ich bin in dem Teil Deutschlands aufgewachsen, in dem "Anti-
faschismus" oberstes Prinzip und Selbstzweck war. Einfach alles
war antifaschistisch: selbst der Schutzwall, der verhinderte, daß
allzu neugierige Bürger sich den augenscheinlichen Verlockungen
der sog. freien Welt und ihrer Marktwirtschaft ergaben. - Und ja,
es war ein besonderer Kitzel irgendwo ein kleines Hakenkreuz
draufzukritzeln und sich an dem Krawall, den es gab, wenn es ent-
deckt wurde, zu ergötzen. (Ja wenn es hoch kam, tanzten alle an:
Polizei, Stasi ... kann sich vielleicht keiner vorstellen.)

Heute bin ich etwas abgestumpft, wenn mir jemand etwas über das
Dritte Reich, die Verantwortung, daß man nicht vergessen dürfe,
erzählen möchte. Ist das ein Wunder? Wenn einem das ganze Leben
lang bezeichnet wird, was für eine schwere Last auf einem liege
und daß man diese Schuld auch in Generationen nicht abtragen
könnte und Deutsche ja von Natur aus schlechte Menschen und Anti-
semiten seien, die nur durch fortlaufende Beteuerung des Gegen-
teils geläutert werden könnten?

Gerate ich nicht schon in den Verdacht, ein "Nationalist" zu
sein, wenn ich das so schreibe? Gibt es überhaupt Nationalisten
in Deutschland? Ist das erlaubt? - Fehlt das vielleicht in der
Bundesrepublik: ein gesunder Nationalismus? Deutsche Politiker
machen immer etwas "für Europa" oder "für die Umwelt". Wer
bedient den natürlichen Egoismus, macht mal etwas einfach, weil
es für das Volk gut ist - und sonst für niemanden? Ist das nicht
die geheime Formel der Attraktivität rechtsextremer Gruppen: den
Egoismus anzusprechen? Nicht das ich mir diesen auf die Fahnen
schreiben wollte, aber er ist definitiv da. Es hat bestimmt
keinen Zweck, ihn zu verneinen - geschieht aber.

Hat also das Verneinen von Bedürfnissen, das Verbieten von Mei-
nungen Zweck? (Ist das nicht die gleiche Frage -mit den gleichen
Antworten- wie beim Filtern im Netz?) Braucht die Demokratie das?
Ist das ein Schutz? Offensichtlich nicht. Wer es will, kann das
System von innen heraus zerstören. Und die Versuche dazu
existieren ja bereits. Gorbatschow wird auch nicht seinen
Genossen gesagt haben: "Ich werde den Sozialismus abschaffen."
(Vielleicht wollte er das auch gar nicht.) - Aber er hat es
getan. Und wenn mich meine Geschichtskenntnisse nicht täuschen,
hat Adolf Hitler die Wahl zum Reichskanzler nicht gewonnen.

> angelangt. Es dürfte in Zukunft immer riskanter werden, zu den
> existenziellen Themen der deutschen Gesellschaft (Stichworte:
> Demographie oder Zu- bzw. Einwanderung) öffentlich eine
> kritische Haltung einzunehmen.

Mein Reden. Wird nicht mit "Rechtsextremismus" vorexerziert, was
mit "Kinderpornografie" schon geklappt hat: Buzzwords schaffen,
durch deren bloße Andeutung jeder Widerspruch zu Was-auch-immer
erstickt werden kann?

MfG