Re: Kurzer Hinweis zu Bertellsmann, ICRA, Filter, BKA

[Wau Holland <wau@minos.trend.jena.thur.de>]

On Thu, Sep 07, 2000 at 08:25:04PM +0200, Axel H Horns wrote:
...
> Und was waere dann der ultimative Benefit fuer die Bertelsmaenner, 
> sich weit fuer das Filtern in die Bresche geworfen zu haben? Warum 
> machen die das ueberhaupt? Glauben die selbst an das, was sie sagen, 
> oder gibt es eine "hidden agenda"?

Beide Seiten des "oder" treffen IMO zu.
Mir scheint die Agenda nicht versteckt, sondern offen.

Letzte Woche war ich in Osnabrueck, eingeladen von der
Konrad Adenauer Stiftung.
Osnabruecker Gespraeche, Abendveranstaltung mit Christian
Wulff. Mit auf dem Podium hockte ein Mann
von Bertels, der das schoene Zitat lieferte, das Internet
sei in seiner jetzigen Form nicht massentauglich. Als ich
lachte und das als Zitat notierte, ergaenzte er, er meine
das nicht technisch, sondern sozial.

Er glaubt an Filter und kennt den Text von Marit und Kris.
Die Adenauer Stiftung glaubt an Filter und hat mich geladen,
weil ich eine in sich schluessige Gegenposition dazu
vertrete.
Am naechsten Morgen war ich in der Wueste, einem so
heissenden Gymnasium in Osnabrueck; Klasse 11&12 in der
Aula versammelt, einige eingeschmuggelte aus der 13 und
ein paar Lehrer. Meine Ausfuehrungen fuer ein freies Netz
stiessen angesichts "der Nazis" auf entruestete Ablehnung
seitens der ueberwiegenden Mehrheit der Schueler.

Ich meinte, die geistigen Grundlagen fuer den heutigen
Rassismus haetten u.a. die Herren des Geldes in der CDU
gelegt wie Prinz Casimir zu Sayn-Wittgenstein, der vor
Jahren als geistiger und finanzieller Foerderer der
rassistischen Apartheid-Herrenmenschen-Politik auffiel
und meines Erachtens duerfe in einer demokratischen
Volkspartei kein Platz fuer solche Rassisten sein,
schon garnicht an Plaetzen mit Finanzbefugnisssen.

Ausserdem gelte es, Prioritaeten zu setzen: man muss erst
gegen physikalische Gewalt vorgehen bevor man auch nur daran
denkt, Meinungsaeusserungen zu verbieten. Es ist seit Jahren
in Ilmenau so, dass dunkelhaeutige Menschen abends mit
dem Taxi aus der Innenstadt zum Unicampus fahren, weil
die Polizei eben *nicht* fuer deren Sicherheit auf den
Strassen sorgt, sondern den oertlichen Glatzen das
Pflaster ueberlaesst. Das ist die Politik, die das Klima
schuf, in dem Glatzen durch amtliches Weggucken andere
Menschen bedrohen und ermorden koennen. Nach dem Fall der
Mauer hiess es bei Autos "faengt er an zu rosten, kommt er
in den Osten" und entspr. Beamte konnte man dann nicht nur
nach Bruessel abschieben, sondern auch in den Osten.
So war der Chef der Polizei in Gotha im Westen nicht mehr
tragbar aufgrund seines rechtsextremen Dienstverhaltens und
wurde in die Provinz versetzt, wo er die Glatzen foerderte.
Das ist nur ein Beispiel.
Der Chef des Verfassungsschutzes in Thueringen musste nicht
gehen, als er meinte unter Hitler sei nicht alles schlecht
gewesen. Erst, als herauskam, dass er einen gerichtlich
bestraften auslaenderfeindlichen Gewalttaeter ueber zwei Jahre
mit rund 25 000 DM fuer Auskuenfte honorierte, dauerte es ein
paar Wochen und er ging.  Dass das Arbeitsamt diesem Rechten
eine fuenfstellige Summe zwecks Gruendung eines Verlags
gegeben hat, kommt verschaerfend hinzu fuer die grosse
Koalition in Thueringen. Angesichts solcher Vorgaenge sind
Verbote von Webseiten eine Lachnummer, denn das rassistische
Klima wurde von den regierungen gefoerdert.

Diese Argumente prallten an der Mehrzahl der Schueler
ab - sie wollen keine Naziseiten im Netz und meinen das
durch Scheuklappen erreichen zu koennen. Im Nachgespraech
mit Direktor, stv. Direktor und Mathelehrer wurde meine
Position im Wesentlichen geteilt und die Unerfahrenheit
der Schueler mit Grenzsituationen zu deren Entlastung
genannt.

Ich wuensche mir "mehr" solcher Gelegenheiten, mal eine
Schule aufzumischen ;-)

Aber ich war schon erschrocken, wie weit der Zensurbedarf
bei heutigen Oberstufenschuelern geht.
Und der Direktor hatte vor der Diskussion Sorgen, "seine"
Schueler waeren zu brav und es wuerde zu gar keiner
Diskussion kommen...

wau