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Re: [FYI] GI: Software-Engineering braucht Patente



> Die Gegenüberstellung Patentjuristen vs. Entwickler ist aber ebenso
> vereinfachend wie die OSS vs. Großkonzerne. Jedenfalls bei IBM wird
> meiner Erfahrung nach die Überzeugung, dass Softwarepatente etwas
> Gutes sind, auch von führenden deutschen Entwicklern geteilt.

Vermutlich nicht von allen.  Ich habe mit ziemlich vielen Siemens-Leuten
gesprochen, die Swpat eher fuer etwas schlechtes halten.  U.a. sogar mit
einem fuehrenden Geschaeftsfuehrer in einem informatikfernen Bereich fuer
Telekommunikation, wo man positive Erfahrungen mit dem Patentwesen
erwarten wuerde.

Manche Leute haben auch nur sehr unklare Vorstellungen davon, womit ihr
Unternehmen eigentlich Geld verdient und wie es seine Interessen schuetzt.  
Sie sind lediglich grundsaetzlich fuer den Schutz von Rechten ihres
Unternehmens.  Aber wenn die Patentabteilung staendig fordert, man muesse
alle Trivialitaeten anmelden, um moeglichst viele Faustpfaender zu
sammeln, geht das auch vielen Technikern auf die Nerven.

Anders ist es in Bereichen, wo wirklich in teuere Experimente investiert
wird, etwa um bessere Materialien fuer Mikrochips zu finden.  Da kann es
sein, dass mehrere Millionen auszugeben sind, um eine technische Lehre zu
gewinnen, die andere kostenlos nutzen koennten oder die man mit extremen
Sicherheitsvorkehrungen hueten muesste, um daraus einen Wettbewerbsvorteil
zu ziehen.  Das sind aber nicht Softwarepatente.

Insgesamt gibt es nicht nur bei Siemens sondern bei den meisten
Grossunternehmen viel Aerger mit Patenten.  Bei einigen Weltkonzernen,
deren Geschaeftsfuehrer ich im Verlaufe meiner Japanisch-Dolmetscherei
kennenlernen konnte, ueberwiegt sogar dieser Aerger.  Sie sehen sich
frivolen Patenterpressungen von Leuten ausgesetzt, die nichts produzieren
sondern vollberuflich Patente anmelden.  Da gibt es nicht nur
offensichtliche amerikanische Faelle wie priceline.com sondern sogar
kleinere Firmen im Bereich Unterhaltungselektronik.

Insbesondere dann, wenn man die Patentierung von Verfahren zulaesst, die
in der traditionellen Patentjurisprudenz als "untechnisch" weil der
"Welt der Vorstellungen und Bewusstseinszustaende" zugehoerig zulaesst,
entsteht sofort dieses Problem, das auch fuer Grossunternehmen eine
Geissel sein kann.

Der Gruender des amerikanischen Chip-Herstellers Teradyne, der sich
inzwischen zurueckgezogen hat, hat Eurolinux eine Erklaerung geschickt, in
der er Patente, von denen er zahlreiche erworben hat, lediglich als
zeitaufwendige Stolpersteine beurteilt und das wachsende Patentportfolio
seiner Firma eher als einen Beweis dafuer wertet, dass diese Firma langsam
(nach seiner Pensionierung) an Dynamik verliert und buerokratisch wird.
 
> Ebenso wenig naturnotwendig ist es, dass kleine und mittelständische
> Unternehmen gegen Patente sind. Die Software AG etwa - die ihr
> Schicksal seit neuestem auf den offenen Standard XML setzt - ist ganz
> stolz auf ihre vielen Patente, hat angeblich keine schlechten
> Erfahrungen mit Sperrpatenten anderer Leute gemacht, und benutzt
> angeblich ihre eigenen Patente auch nicht in diesem Sinne.

Die SAG ist in Deutschland schon als Grossunternehmen zu werten.  
Natuerlich ist die Patentabteilung der SAG stolz auf ihr Portfolio, und
der Vorstand unterstuetzt sie dabei.  Aber einige Entwickler/Manager, mit
denen ich sprechen konnte, sind darueber nicht gluecklich.  Schon deshalb
nicht, weil das Motto der SAG "Accept no Limits" in absehbarer Zeit durch
Softwarepatente vereitelt werden koennte.

Sicherlich gibt es auch Kleinunternehmen, die von Softwarepatenten
profitieren, wie z.B. 7val.com.  Die Frage ist nur, ob diese Unternehmen
wirklich etwas fuer die Volkswirtschaft leisten, oder ob es sich um
Krampfadern der Volkswirtschaft (Vorbild Priceline.com) handelt.

Die Vorstaende der SAG sind auch in Bitkom stark vertreten, ebenso wie die
von Siemens.  Im Moment besteht die Gefahr, dass die umtriebigen Leute in
den Patentabteilungen weitere Schnellschuesse veranlassen, ebenso wie sie
es gerade bei der GI gemacht haben.  Vielleicht war das nur eine
Steilvorlage. 

-phm