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Re: IBM-Patent auf Algorithmenklasse? / war: GI



> Der Patentanspruch muss die Merkmale nicht so formulieren, dass der
> Fachmann sie allein aufgrund dieser Formulierungen wiederholen kann.  
> Dazu gibt es die Beschreibung.  Er muss aber alle erfindungswesentlichen
> Merkmale der Loesung angeben, und das ist von der Aufgabenstellung zu
> trennen.
> 
> Ich frage mich bei dem IBM-Patent (s. unten), ob hier nicht eine ganze
> Aufgabenstellung beansprucht wird.

Diese Frage ist umso dringender, als in Softwarepatentschriften meist
keine Referenzimplementation geliefert wird und somit die eigentlichen
erfinderischen Schritte, naemlich die des Programmierens, das oft viel
mehr Zeit und Gehirnschmalz in Anspruch nimmt als das Konzipieren einer
Programmieridee, nicht vorgefuehrt und somit als "normales Handwerkszeug
des Fachmanns" deklariert werden, obwohl in fuehrenden Lexika der
Datentechnik gerade das Umsetzen als die eigentliche Aufgabe des Fachmanns
bezeichnet und die Konzepte, wie sie von IBM-Teufel u.a. regelmaessig
patentiert werden, als die Aufgabe selbst bezeichnet werden, die laut
ueblicher Patentrechtsprechung nicht patentiert werden duerfte.

Beim vorliegenden Patentanspruch frage ich mich sogar allen ernstes, ob
die wesentliche "Erfindungs"-Arbeit nicht vom Patentanwalt Teufel
geleistet wurde.  Jenem oblag es, vorhandene Werke von IBM-Programmierern
auszuwerten und daraus in hoechst kreativer Weise patentierbare
Algorithmen-Oberklassen zu formulieren.  Diese Oberklassenbildung ist
nicht naheliegend.  Ein normaler Programmierer kommt darauf gar nicht.
Koennte man nicht allerlei teuflische Verallgemeinerungsverfahren
patentieren und dadurch verhindern, dass sie in den naechsten 20 Jahren
bei der Anspruchsformulierung verwendet werden?  Mit etwas Hirnschmalz
duerfte es uns gelingen, gemeinsame Nenner in den Techniken verschiedener
Patentanwaelte zu finden und diese Merkmale zu patentieren, aehnlich wie
Teufel es mit den Techniken seiner Programmierer getan hat.

Was wuerden ueberhaupt Patentanwaelte sagen, wenn man ihre
Argumentationsverfahren patentiert?  Zweifellos handelt es sich um
"Techniken der Anspruchsformulierung" die eine "gewerbliche Anwendung"
haben, zumindest sofern man die aufgeweichten Rechtsbegriffe des EPA
anwendet.

Auch hier wird die Antwort des EPA/DPMA wiederum eine willkuerliche sein.  
Richtschur dabei ist heute nicht eine fundierte Systematik, wie der BGH
sie frueher noch suchte und Benkard sie im PatG-Kommentar systematisiert,
sondern lediglich das Gewinninteresse des "Dienstleistungsunternehmens
Patentamt".  Der letztes Jahr vom BMJ-Patentreferat ins DPMA
heruebergewechselte Praesident Landfermann moechte sich laut Jahresbericht
1999, "darauf konzentrieren, den Anliegen von Wirtschaft, Wissenschaft und
Einzelerfindern im Sinne eines modernen Diesntleistungsunternehmens
schnell, kostenguenstig und effizient nachzukommen."  Dass das EPA dabei
keinerlei Systematik mehr hat, weist Dr.iur Winnischhofer in seiner
Dissertation ueber dieses Thema 

	http://swpat.ffii.org/vreji/prina/drtw.pdf

ueberzeugend nach. 

> Hierzu PatG-Kommentar von Benkard 1988 S. 159
> 
> <<
> 
> Die Loesung ist im Patentanspruch anzugeben.  Das kann durch eine
> "zielfuehrende Anweisung zum technischen Handeln" .. erfolgen, die der
> Fachmann mit zumutbarem Denkaufwand, der auch Versuche einschliessen kann,
> in die Praxis umsetzen kann. ...
> 
> Es genuegt, die Loesung mit dem alle vorgeschlagenen Mittel (Merkmale der
> Erfindung) kennzeichnenden Prinzip im Anspruch zu umschreiben, wenn der
> Fachmann die Erfindung aufgrund des Gesamtinhalts der Anmeldungsunterlagen
> an Hand seines Fachkoennens ohne weiteres verwirklichen kann. ...
> Der Patentanspruch braucht nur die erfindungswesentlichen Merkmale der
> beanspruchten Lehre anzugeben, wenn sich die weiteren Einzelheiten fuer
> den Fachmann z.B. schon aus der Patentbezeichnung oder aus der
> Beschreibung in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen ergeben.
> 
> >>
> 
> Der hier besprochene IBM-Hauptanspruch (s. unten) koennte sogar im
> Zusammenhang mit einer Beschreibung diese Forderungen erfuellen.  Man
> koennte ihn als Beschreibung einer grossen Klasse moeglicher
> Problemloesungen verstehen, wobei vorausgesetzt wird, dass die einzelne
> Problemloesung vom Fachmann ohne weiteres gefunden wird.
> IBM interessiert sich nicht fuer die einzelne Problemloesung, sie gilt
> als trivial.  IBM moechte aber die gesamte Klasse der Problemloesungen
> fuer sich beanspruchen, denn deren gemeinsames Merkmal, das hier
> beansprucht wird, ist angeblich nicht trivial.
> 
> Indem man eine solche Ober-Klasse von Problemloesungen beansprucht, laesst
> man wiederum Spielraum fuer ziemlich viel "erfinderische Taetigkeit"
> innerhalb dieser Klasse, fuer die auch wieder Patente beantragt werden
> koennten, die sich dann aber an diesem Ober-Patent stossen.  Somit aehnelt
> die Wirkung der einer Patentierung einer Aufgabenstellung, die ja nicht
> zulaessig ist.
> 
> -phm 
> -----------------------------------
> PS Der geltende Patentanspruch der Patentanmeldung 
>    P 4323241.8-53 der Firma IBM 1 vom 10. Februar 1998 lautet:
>    
>      Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer
>      fehlerhaften Zeichenkette F_i in einem digital gespeicherten Text,
>      der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette S_i enthält,
>      
>      dadurch gekennzeichnet, dass
>      
>     a. die Auftretenshäufigkeit H(S_i) der fehlerfreien Zeichenkette S_i
>        ermittelt wird
>     b. die fehlerfreie Zeichenkette S_i nach einer Regel R_j verändert
>        wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette f_ij erzeugt
>        wird,
>     c. die Auftretenshäufigkeit H(_ij) der Zeichenkette f_ij in dem Text
>        ermittelt wird,
>     d. die Auftretenshäufigkeiten H(_ij) und H(S_i) verglichen werden und
>     e. basierend auf dem Vergleich in Schritt (d) entschieden wird, ob
>        die mögliche fehlerhafte Zeichenkette f(_ij) die gesuchte
>        fehlerhafte Zeichenkette F(_j) ist.
> 
>