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Re: EPA weitet Patentierbarkeit aus



> >    Im materiellen europäischen Patentrecht hat die Konferenz den
> >    Schutzbereich europäischer Patent mit der ausdrücklichen
> >    Einbeziehung sogenannter "Äquivalente" präzisiert und verstärkt.
> > 
> > Das ist höchst revolutionär und gefährlich.  Die
> > Äquivalenz-Argumentation ist bereits heute eine Extravaganz des EPA,
> > die es in Japan und den USA nicht gibt.  
> 
> Nein. Die "aequivalente Patentverletzung" ist ein ganz alter Hut: Wer 
> eine Off-Line-Bibliothek zur Hand hat, moege mal in einem 
> Patentrechtskommentar unter "Patentverletzung, aequivalente" oder so 
> nachschlagen. Selbstverstaendlich gibt es aehnliches auch im Ausland.

Ich war bei einigen Patentverfahren dabei, bei denen ein Basispatent
mithilfe der Äquivalenzargumentation am EPA wesentlich weitreichendere
Folgen hatte als das entsprechende US- und JP-Patent.  Insbesondere in JP
werden Anspruchsbereiche enger interpretiert.  Was man auch in der
trilateralen Studie

	http://www.jpo-miti.go.jp/saikine/repo242.htm

nachlesen kann.
 
> Was im EPÜ versucht worden war, ist eine "Harmonisierung" der
> Auffassungen in den einzelnen EPÜ-Mitgliedslaendern, wie weit der
> Schutzbereich eines Patentanspruches reichen soll. Im Basic Proposal
> war deshalb auch ein Versuch einer Definition des Aequivalenzbegriffes
> enthalten, der aber meines Wissens in der Konferenz gekippt worden
> ist. Es bleibt daher m.W. bei einer blossen Erwaehnung, dass auch der
> Aequivalenzbereich zum Schutzumfang eines Patentanspruches gehoert.

Ich konnte das bisher nicht näher untersuchen und stützte meinen Kommentar
lediglich auf die Aussage von Grossenbacher, der von einer Stärkung des
Schutzbereichs spricht. 
 
> Wie man hoert, will das EPA erst in der kommenden Woche die 
> Endfassung des "Revision Act" auf den Webserver legen.

> Danach ist erstmal fuer einige Zeit Sendepause: Die Schose kann 
> ohnehin nur in den Laendern in Kraft treten, in denen sie im 
> Parlament behandelt und ratifiziert worden ist. Sollte ein Land die 
> Ratifizierung der Aenderungen ablehnen, scheidet es automatisch aus 
> dem EPÜ aus; vgl. Artikel 172 Abs. (4) EPÜ.  
 
> phm kann dann ja bis dahin eine Antipatentpartei gruenden und, 
> nachdem er die BT-Wahl gewonnen hat, die nicht-Ratifizierung 
> beschliessen lassen. Egal ob SPD oder CDU/CSU - keine dieser Parteien 
> duerfte dafuer zu gewinnen sein, das EPÜ zu verlassen. Wenn sich die 

Die Trägheit spricht dagegen.  Es wäre große Energie zur Überredung nötig.
Ansonsten böte ein Austritt viel Nutzen und wenig Schaden. Gerade um ein
weltweit harmonisiertes Patentwesen zu betreiben, braucht man im
Informationszeitalter weder ein EPÜ noch ein riesiges Patentamt.  Das sind
alles überholte Dinosaurier, die deshalb existieren, weil es den
Politikern und der Öffentlichkeit egal ist.

> EU als Ganzes an das EPÜ 'dranhaengt [was ja derzeit von der 
> Kommission energisch betrieben wird], ginge das letzlich wohl auch 
> nicht ohne Austritt der Bundesrepublik Deutschland au der EU. Im 
> Uebrigen bliebe dann ja noch das nationale Patentgesetz - da stuende 
> man vor denselben Problemen innerhalb desselben von TRIPS 
> abgezirkelten Gestaltungsspielraumes. Aber vielleicht will phm dann 
> ja auch gleich noch die WTO in die Luft sprengen, damit er TRIPS los 
> ist. Dann haetten wir endlich den patentfreien nationalstaatlichen 
> Schrebergartenverein, nach dem sich phm offenbar zu sehnen scheint.  

Zum TRIPS-Scheinargument s.

	http://swpat.ffii.org/stidi/trips/

Der TRIPS-Vertrag lässt allen Spielraum, den man zur Einengung der
Patentierbarkeit braucht.  Lediglich die Abschaffung des Patentwesens ist
damit nicht möglich.

Ich bin durchaus für eine von unten nach oben organisierte Welt, in der
ein Land oder ein Kontinent die Freiheit hat, neue Systeme einzuführen und
zu verbessern.  Verträge wie TRIPS schaffen eine Art weltweite Oligarchie
der Spezialisten.  Schon aus diesem Grunde müssen sie sehr abstrakt
formuliert und auch sehr frei interpretierbar sein.

> Im uebrigen duerfte es wohl im Jahr 2001 oder 2002 zu einer zweiten 
> Revisionskonferenz kommen, auf der u.a. die Art. 52-Frage und die 
> Neuheitsschonfrist zu verhackstuecken waeren.

D.h. das jetzige Paket muss nie in Kraft treten und man wartet besser
gleich auf das nächste?
 
> >    Darüber hinaus hat die Konferenz die Rechtsgrundlagen geschaffen,
> >    mit besonderen Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten die
> >    Übersetzung europäischer Patente und die Einführung eines zentralen
> >    Gerichtssystems für die Durchsetzung europäischer Patente zu
> >    regeln. Diese Fragen sind auch für das von der Europäischen
> >    Kommission vorgeschlagene Gemeinschaftspatent von grosser
> >    Bedeutung.
> > 
> > Das ist wiederum sehr gefährlich.
> > Ein solches Gericht steht außerhalb der nationalstaatlichen
> > Verfassungsordnung.
> 
> Der nationale Souveraen kann selbstverstaendlich Gerichtsbefugnisse 
> auf der Ebene voelkerrechtlicher Vertraege an supranationale 
> Koerperschaften abtreten. Wie sonst koennte es einen EuGH geben? Oder 
> den EuGMR? "Nationalstaatlich" kann heute nicht mehr das Kriterium 
> sein.

Ja, es gibt auch nationalstaatliche höchste Gerichte wie den CAFC (Court
of Appeal of the Federal Circuit), der seit seiner Gründung Anfang der
80er Jahre die vorige Tendenz mit einem Ruck umkehrte und unkontrollierbar
die Patentinflation vorantrieb.  Bei höchsten Gerichten besteht immer
diese Gefahr.  Beim BGH wird sie allerdings dadurch eingeschränkt, dass
dieser in ein nationales System der Gewaltenteilung mit zusätzlicher
einigermaßen funktionierender vierter Gewalt (Öffentlichkeit) eingebunden
ist.  Der Sündenfall in Europa wurde von der extraterritorialen und somit
gegen Anfechtungen immunen Technischen Beschwerdekammer des EPA
eingeleitet.

Man kann natürlich auch versuchen, all diese Kontrollmechanismen auf
EU-Ebene zu schaffen.  Das müsste aber geschehen, bevor man einen EU-CAFC
gründet.  Und selbst die Amerikaner stöhnen über die Größe und
Unkontrollierbarkeit ihrer nationalen Bundesinstitutionen.

> Welche Qualitaet das Gericht haben wird, steht demgegenueber auf 
> einem anderen Blatt. Aber das ist unabhaengig davon, ob die 
> Rechtsgrundlage national oder EU-weit ist. Jedenfalls ist eine 
> Harmonisierung der Patentverletzungsverfahren innerhalb der EU 
> dringend erforderlich.

Die Harmonisierung kann dadurch entstehen, dass man die Regeln zunehmend
präzisiert.  Die Vielfalt der höchsten Gerichte bietet einen Anreiz, die
Regeln zu präzisieren, wie man am Fall der Computerprogramme gesehen hat.
Durch Abschaffung von bürokratischen Dinosauriern schafft man am
schnellsten den Weg zur internationalen Harmonisierung. 

-phm